Wieso kompliziert wenn’s auch einfach geht?

Die Bezeichnung Komplexer für Terratecs erstes virtuelles Instrument könnte den Schluss zulassen, dass es sich um ein schwierig zu programmierendes Instrument handelt. Wir konnten uns vom Gegenteil überzeugen und haben uns in das nicht allzu komplexe Labyrinth des vermeintlich schwierigen Testkandidaten begeben.

Von Georg Berger

Die im niederrheinischen Nettetal beheimatete Firma Terratec ist bis dato als Produzent von Hardware bekannt. Von Video- und TV-Peripheriegeräten bis hin zu PCI-Soundkarten und Audio-Interfaces, aber auch eher exotischen Produkten wie dem MIDI-Converter Axon AX 100 MKII, Test in Heft 1/2007, reicht die Palette. In dem Zusammenhang ist es schon bemerkens-wert, wenn eine Firma ihr angestammtes Terrain verlässt und sich in Gefilde begibt, die von ungleich länger etablierten Mitbewerbern erfolgreich besetzt ist. Doch mit Stefan Stenzel, der früher bei der – mittlerweile wieder existenten – Synthesizer-Schmiede Waldorf tätig war, haben sich die Nettetaler einen versierten Programmierer an Bord geholt, um den Haifischen im Teich der virtuellen Instrumente Paroli zu bieten.

Die Ausstattung der knapp 200 Euro teuren Software zeigt sich beim ersten Blick wenig spektakulär. Der Komplexer verfügt über drei Oszillatoren, zwei Filter, vier Hüllkurven, drei LFOs, eine Modulations-Matrix, einen Arpeggiator, eine Effekt-Sektion und acht Makro-Regler zur bequemen Editierung mehrerer Parameter auf einen Schlag. Die Architektur folgt dabei der subtraktiven Synthese. Soweit enthält das Instrument also nichts, was die Mitbewerber nicht auch in gleicher oder ähnlicher Form aufzubieten haben. Erst ein zweiter intensiverer Blick offenbart die profilierenden Eigenheiten des Instrumentes: Fast jedes einzelne Modul ist um profilierende Zusatzfunktionen erweitert, die dem gesamten Instrument zu seiner Eigenständigkeit verhelfen.

So wartet der Komplexer mit einem eigenen Konzept zur Organisation von Klängen auf. Sein Arpeggiator beispielsweise erlaubt vielfältige Eingriffsmöglichkeiten. Schließlich enthalten die Oszillatoren zwei Wavetables, die den Klangvorrat deutlich erweitern, die Hüllkurven warten mit einer besonderen Art des ADSR-Konzepts auf, der dritte LFO enthält eine Art Step-Sequenzer Funktion und schließlich erlaubt ein so genannter Arithmetic-Dialog die Generierung neuartiger Modulatoren, die in der Modulations-Matrix zum Zuge kommen. Als Sahnehäubchen kommt hinzu, dass der Komplexer es gestattet, weitere Wavetables in den Speicher zu laden, was das Klangspektrum quasi endlos erweitert. Schließlich ist es auch noch möglich, die Sounds des immer noch erhältlichen Hard-ware-Synthesizers Waldorf Micro-Q zu importieren.

Doch der Komplexer ist keine schnöde Nachahmung des Micro-Q. Vielmehr wartet der virtuelle Synthesizer mit einem eigenen Set an Wavetables auf und die Modulations-Matrix, sowie der Arpeggiator zeigen sich deutlich erweitert beziehungsweise unterschiedlich ausgelegt und manifestieren die Individualität des Terratec-Produkts. Interessant ist der Komplexer allerdings nur für Nutzer der VST-Schnittstelle auf Windows-Ebene. Wer mit dem Mac musiziert oder die Direct-X-Schnittstelle nutzen will, hat Pech gehabt. RTAS-Jünger können sich zumindest mit einer entsprechenden VST-to-RTAS-Wrapper Software behelfen.

Den Vorrat an erfügbaren Parametern und klanggestaltenden Möglichkeiten dieses mächtigen Instrumentes nennen zu wollen würde den Rahmen des Bei-trags sprengen. Die wichtigsten und bemerkenswertesten Features wollen wir dennoch vorstellen.

Das 25-seitige Handbuch gibt uns einen knappen Einblick in die Eigenheiten des Komplexer Instrumentes. Aufgrund seines ü-berschaubaren Umfangs und den zum Großteil optimal aufbereiteten Informationen ist das Instrument in seinen Wesenszügen schnell erfasst. An einigen Stellen wie etwa bei den Ausführungen zur Arithmetic-, Matrix-, Makro- und Arpeggiator-Sektion hätten die Erläuterungen allerdings etwas ausführlicher sein können. Nicht nur Einsteiger werden dort mitunter im Unklaren gelassen.

Ganz zu Anfang macht uns das Handbuch mit einem besonderen Feature des Komplexers vertraut, das sich als Highlight bezeichnen lässt: Ein Preset enthält immer vier Unter-Speicherplätze – Layer genannt –, die somit das Ablegen von maximal vier unterschiedlichen Sounds pro Preset ermöglichen. Diese Layer-Funktion zum Aufschichten von Klängen sorgt beim gemeinsamen Abspielen aller Layer für einen entsprechend fet-ten Sound und erinnert an dieselbe Funktion im Rob Papen Albino 3 Synthesizer (Test in Heft 11/2006). Doch der Komplexer erweitert dieses bekannte Feature um zusätzliche Möglichkeiten. Ähnlich wie im MIDI-Multimode lassen sich die vier Layer über die ersten vier MIDI-Kanäle separat ansteuern. Über Kanal fünf werden alle Einzelsounds gemeinsam gespielt. Doch damit nicht genug: Jeder Layer verfügt über einen eigenen Stereo-Ausgang.

Mit dieser Auslegung ist der Komplexer in der Lage, einen maximal achtkanaligen Surround-Sound zu erzeugen. Es genügt, denselben Sound in alle vier Layer abzulegen und anschließend im virtuellen Mixer des Sequenzers entsprechend im Raum zu verteilen. Über ein Optionen-Fenster lassen sich die vier separaten Stereo-Ausgänge zu einem einzigen Paar zusammenfassen. Unschätzbarer Vorteil: Durch diesen vierfachen Multi-Mode spart man sich den Aufruf mehrerer CPU-hungriger Programm-Instanzen und behält den Überblick während der Produktion. Das wünschen wir uns bei manch anderem Mitbewerber auch. Für diese Konzeption gibt’s schon mal die Bestnote.

Im Test gibt es keinen Anlass zur Kritik bei der simultanen Nutzung aller vier Layer. Zwar schnellt die CPU-Anzeige von Cubase dabei bis auf 80 Prozent. Doch nur wenige Presets wie etwa „Chanel Nr. 5“ schaffen es, unseren Computer an seine Grenzen zu bringen. Dennoch überrascht der Komplexer durch ein merkbar ressourcen-freundlicheres Auftreten als der erwähnte Albino 3 und auch der Massive von Native Instru-ments, Test in Heft 12/2006.  

Die Bedienoberfläche zeigt sich angenehm übersichtlich gestaltet. Der gesamte Parametersatz verteilt sich sinnvoll in fünf Unterfenster, die über Menü-Buttons in der permanent existenten Kopfzeile anwählbar sind. Zusätzlich finden sich dort acht kleinere Buttons zur Anwahl und zum stummschalten der Layer. Ein Infodialog rechts gibt permanent Auskunft über die Funktion, den Wert und den belegten MIDI-Controller des Parameters, der gerade mit dem Mauszeiger berührt wird. Die grafische Aufbereitung der Bedienelemente fällt angenehm durch gut ablesbare Leuchtkränze um die Drehregler auf, die sich mit ihren blauen virtuellen Lämpchen deutlich vom grauen Hintergrund abheben. Die Fader-Elemente in Weiß stechen sogar noch deutlicher hervor. Lediglich die Buttons und ihre Beschriftungen hätten ein wenig größer sein können. Gerade zu Anfang ist mehrfach ein kontrollierender Blick nötig, um die richtige Funktion aktivieren zu können.

Zentraler Schauplatz im Umgang mit dem Synthesizer ist das Keyboard-Fenster. Es zeigt nicht nur die acht Makro-Regler, die einen bequemen Direkt-Zugriff auf die wichtigsten Parameter erlaubt. Hier ist auch der Ort, an dem sich die einzelnen Presets laden und speichern lassen. Dasselbe gilt für ganze Sound-Bänke, die jeweils 128 Presets enthalten. Die bereits angesprochene Fähigkeit zusätzliche Wavetables, sowie Sounds des Waldorf Micro-Q importieren zu können, werden ebenfalls dort realisiert. Ein besonderes Plus in Sachen Sound-Organisation verdient der Komplexer mit seiner Copy- und Pas-te-Funktion: Jeder Preset-Eintrag enthält eine Zeile aus vier Quadraten, die jeweils einen Layer repräsentieren. Durch Klick auf eines der Quadrate wählen wir einen Layer an und speichern ihn mit anschließendem Druck auf den Copy-Button in der Zwischenablage des Computers. Danach suchen wir uns ein neues Preset mit einem freien Layer-Platz, aktivieren diesen und haben durch Druck auf den Paste-Button den zuvor kopierten Layer in ein anderes Preset eingefügt. Damit lassen sich in Windeseile ganze Klanggebirge auftürmen.

Erste Anlaufstelle zur Programmierung eigener Sounds ist das Main-Fenster. Es enthält die drei Oszillatoren und zwei Filter. Der ebenfalls dort integrierte Mixer erlaubt das Routing der Oszillatoren in die Filter. Eine Glide-Funktion zur Herstellung eines Portamentos, sowie Einstellmöglichkeiten für den Unisono-Betrieb runden die grundlegenden Klangformungsmöglichkeiten ab. Außer den Wellenformen Sägezahn, Rechteck, Pulswelle und Sinus erlauben die ersten zwei Oszillatoren den wahlweisen Einsatz von zwei Wavetables, die mit jeweils 33 Wellenformen aufwarten und manuell mit der Maus anwählbar sind. Über den Pulswellen-Parameter lassen sich die Wavetables schließlich über die Modulations-Matrix dynamisch durchfahren, was noch einmal für Lebendigkeit sorgt. Bemerkenswert: Die einzelnen Wellenform-Abschnitte sind weich ineinander übergeblendet, so dass gezielt Mischformen benachbarter Wellen einsetzbar sind. Sie enthalten ein Repertoire, das von vokalen, über glockenartige, klavierähnliche bis hin zu metallisch klingenden Spektren reicht und im Vergleich zu den eher warm klingenden Wellenformen analoger Herkunft ungleich heller, brillanter und obertonreicher erscheinen.

Beiden Oszillatoren ist auch ein zusätzlicher Sub-Oszillator zugefügt worden, der eine Rechteck-Welle produziert und für zusätzlichen Druck und Fundament im Bass sorgt. Dem dritten Oszillator mangelt es an diesen Features und wartet mit den üblichen Wellenformen subtraktiver Prägung auf. Er lässt sich jedoch mit dem zweiten Oszillator synchronisieren. In Folge sind dadurch die charakteristisch scharfen und bisweilen eher hohlen Sync-Sounds möglich. Alle drei Schwingungsgeber erlauben weiterhin eine Frequenzmodulation, wobei über ein Dropdown-Menü elf Parameter wie die Oszillatoren, LFOs und Hüllkurven wahlweise als Modulator fungieren können. Ein Oszillator kann sich sogar mit sich selbst frequenzmodulieren und sorgt für einen rauen obertonreichen Klang. Der Komplexer ist dadurch in der Lage, ähnliche Spektren zu erzeugen wie die altbekannten Synthesizer der Yamaha DX/TX-Serie.
 
Die beiden Filter sind identisch aufgebaut und enthalten die üblichen Filterarten wie Hoch-, Tief-, Bandpass, Kerb- und Kammfilter wahlweise in zwölf- oder 24-dB-Charakteristik. Besondere Merkmale: Eine Frequenzmodulations-Funktion, die es erlaubt, die Filtereckfrequenz mit den oben erwähnten elf Modulatoren zu beeinflussen, was mitunter für recht drastische Ergebnisse sorgt. Ein nachgeschalteter Verzerrer ermöglicht jenseits dessen das Signal mit Hilfe sechs unterschiedlicher Charakteristiken anzuschmutzen. Simulationen von Transistor- und Röhrenverstärkern sind enthalten, wie auch ein Fuzz-Effekt.

Lobenswertes Bedienungs-Plus: Die wichtigsten Parameter der ersten zwei Hüllkurven, sowie die Geschwindigkeit der drei LFOs sind komfortabel im direkten Zugriff auf der Main-Ebene regulierbar. Damit reduziert sich das Umschalten zwischen zwei Unterfenstern beim Editieren erheblich. Auch hier zeigt Terra-tecs Komplexer eine vorbildliche Bedienungsführung, die wir bei manchem Mitbewerber vermissen.

Allerdings erlauben die Hüllkurven-Regler des Main-Fensters nur einen eingeschränkten Eingriff in die Hüllkurven. Denn der Komplexer hat da noch mehr zu bieten. Auf der entsprechenden Env/LFO-Seite lassen sich außer dem herkömmlichen ADSR-Modell noch vier weitere Modi auf die vier Hüllkurven anwen-den. Besonders auffällig ist dabei die so genannte ADS1DS2R Hüllkurve, die mit einer doppelten Decay- und Sustain-Phase aufwartet und somit detailreichere und dramatischere Verläufe möglich macht. Auf Basis dieser erweiterten Hüllkurve finden sich noch drei Loop-Modi: einmaliges komplettes Durchfahren bis zum Schluss, ein Loop zwischen erstem Decay und zweitem Sustain, sowie zwischen Attack und Release. Die Loop-Modi erlauben es somit, die Hüllkurven ähnlich einem LFO als periodisch schwingenden Modulator einzusetzen und erinnern damit an die Hüllkurven des Native Instruments Absynth 4 (Test im letzten Heft).

Die ersten beiden LFOs warten mit eher herkömmlichen Einstellmöglichkeiten auf. Insgesamt sechs Wellenformen stehen zur Auswahl. Über den Fade-Parameter lässt sich ein An- und Abschwellen der LFO-Intensität in Abhängigkeit zum Einstarten des Klangs regulieren. Der dritte LFO enthält darüber hinaus eine Reihe von insgesamt 16 Feldern, die ähnlich einer Gate-Funktion rhythmische Modulationen durch Aktivierung der einzelnen Flächen erlaubt. Durch geschickte Editierungen kann der dritte LFO mit dieser Funktion auch die Aufgaben eines Arpeggiators übernehmen. Beim Antesten der Werks-Sounds fallen wir manches Mal auf diese Funktion rein und haben bei Klängen mit rhythmischen Binnentexturen irrtümlicherweise den Arpeggiator in Verdacht. Allen drei LFOs gemeinsam ist, dass sie in den Audio-Bereich hinein bis cirka 2,6 Kilohertz schwingen können und gerade in Verbindung mit den Frequenzmodulationsmöglichkeiten von Oszillatoren und Filtern zusätzliches Klang-Potenzial liefern.

Wem das noch nicht genug ist, der kann auf die Matrix-Seite wechseln und erhält dort 16 zusätzliche Modulations-Möglichkeiten. 39 Modulationsquellen, die auf 58 -ziele schaltbar sind, lassen dabei so gut wie keine Wünsche offen. Rechts neben der Matrix findet sich ein Dialog-Feld mit der Bezeichnung Arithmetic. In vier Feldern lassen sich dort zwei Modulatoren über mathematische und logische Operationen miteinander verknüpfen und erlauben eine Potenzierung der Modulationsmöglichkeiten, die wiederum als Quellen der Matrix zur Verfügung stehen. Wer sich in der Computer-Programmierung, aber auch in Microsoft Excel auskennt, dürfte mit diesem Feature auf Anhieb klar kommen.

Um die Mächtigkeit dieses Dialogs zu verdeutlichen sei ein Beispiel angeführt: Wir wählen als Operator die Multiplikation aus und als ersten Operanden den LFO1, der mit einer eher langsamen Geschwindigkeit für eine Schwebung der Tonhöhe sorgt. Als zweiten Operanden wählen wir den Eintrag Constant, der über den darunter befindlichen Fader die Einstellung eines festen Wertes erlaubt. Wir stellen einen Wert von vier ein. Das Resultat besteht jetzt in einer vierfach höheren Schwinggeschwindigkeit des LFOs, der quasi als multiplizierte Kopie etwa für die periodische Beeinflussung der Filter-Resonanz dienen kann. Richtig komplex – hier verdient das Terratec-Instrument zu Recht seinen Namen – wird es, wenn zwei Module, etwa die Filterhüllkurve und das Pitchbend-Rad mathematisch miteinander verquickt werden, da sich die Wirkung des neu geschaffenen Modulators nur sehr schwer vorherbestimmen lässt. Versierte Klangschrauber mit experimentellem Anspruch werden ihre helle Freude an dieser eigenständigen Funktion finden.

Die erwähnten acht Makro-Regler haben ebenfalls ihren Platz auf dieser Seite gefunden. Aus einem wählbaren Vorrat von 126 Parametern findet sich für jeden Zweck die richtige Lösung. Über Buttons lässt sich der ausgewählte Parameter direkt auf die vier Layer anwenden. Einstellmöglichkeiten zum minimalen und maximalen Wirkungsbereich der Regler auf den Parameter bieten zusätzliche Möglichkeiten zur Modellierung von Klängen. Allerdings erscheint diese Funktion im Vergleich zu den Makro-Controllern des Massive-Synthesizers deutlich eingeschränkt. Die Möglichkeit mit einem Makro-Regler unterschiedliche Para-meter in den verschiedenen Layern zu kontrollieren ist nicht möglich, würde aber einen zusätzlichen Gewinn für das Instrument bedeuten.

Der letzte Dialog, die Arp/Fx-Seite, erlaubt schließlich Eingriffe in klanggestaltende Funktionen, die man eher als Accessoire ansehen könnte, die aber teils schon zur Selbstverständlichkeit eines Instrumentes zählen. Komplexer offeriert hierbei lediglich zwei Effektblöcke von denen der erste Effekt sich individuell für jeden Layer definieren lässt und mit Chorus, Flanger, Phaser, sowie Verzerrer aufwartet. Der zweite Block erweitert die Palet-te noch um einen Delay- und Hall-Algorithmus, die nur global auf alle Layer eines Sounds einwirken. Die Modulationseffekte klingen dabei warm und vermögen eher dünn und schmächtig klingenden Sounds zu mehr Gewicht und Charakter zu verhelfen. Der Delay-Effekt sorgt für zusätzliche räumliche und rhythmische Lebendigkeit. Den Hall-Algorithmus hätten sich die Entwickler allerdings schenken können. Seine Klangqualität ist mehr als dürftig und besitzt wenig Charme. Weiteres Manko: Der Info-Dialog oben rechts zeigt zumeist nur numerische Werte ohne Aussagekraft an. Wir wünschen uns bei den Effekten zu-mindest Prozentangaben und vor allem eindeutige Angaben in Millisekunden oder Hertz. Bei der Synchronisation des Delays auf das Tempo des Hosts erscheinen zwar Taktangaben. Insge-samt ist das aber zu wenig.

Im Zentrum dieser Seite steht allerdings ein opulent ausgestat-teter Arpeggiator, der außer den Möglichkeiten zur Bestimmung der Abspielrichtung und -geschwindigkeit ein Raster, ähnlich dem eines Step-Sequenzers, zeigt, mit dem sich detailliert eigene Pattern erstellen lassen. 15 Werks-Pattern sind fest pro-grammiert. Leider gibt es nur einen einzigen Speicherplatz für Eigenkreationen, die zusammen mit dem Preset gespeichert werden. Wir hätten uns eine separate Speicherfunktion für selbst erstellte Arpeggios vorgezogen, etwa als MIDI-File wie beim Hypersonic 2 von Steinberg (Test in Heft 5/20069, die be-quem beim Erstellen neuer Sounds ladbar sind. So bleibt nur die manuelle Neuprogrammierung des Patterns übrig, was mit-unter doch zeitraubend sein kann. Denn das Arpeggiator-Raster erlaubt nicht nur die Aktivierung der maximal 16 Schritte, sowie die Definition der Länge. Darüber hinaus ist eine Akzentuierung des Klanges in Abhängigkeit zur Anschlagsdynamik einstellbar und ein Portamento zwischen den Schritten lässt sich aktivie-ren. Das Highlight bildet jedoch die Möglichkeit den Einsatz der Note über einen Piano-Roll-ähnlichen Dialog sowohl in der Dauer, als auch im Einsatz über kleine editierbare Balken zu verschieben um gezielt Ungenauigkeiten einzustreuen, die für Lebendigkeit sorgen.  

Mit den verfügbaren Einstellmöglichkeiten offeriert der Komplexer ein enormes Repertoire an Klangmöglichkeiten. Durch die Standard-Wellenformen wie etwa Sägezahn oder Pulswelle sind in Verbindung mit den Filtern die so beliebten warm klingenden Sounds möglich, für die man die Synthesizer der Analog-Ära so schätzt. Presets wie Broad Brass oder Papathanassiou geben einen Einblick in diese Klangwelt. Die Wavetables erweitern das Spektrum um ungleich ober-tonreichere und brillantere Klänge. Mit eher metallischen und teilweise unharmonischen Spektren sind Klangfarben enthalten, die ansonsten nur ungleich aufwändiger herstellbar wären. Der Effektklang Droid-MC zeigt dabei wie virtuos mit den Spektren der Wavetables gespielt wird. Choir 3.0TW bedient sich eines vokalen Ausschnitts der zweiten Wavetable und klingt fast wie ein Chor-Sample.

Die Möglichkeit der Frequenzmodulation aller Oszillatoren sorgt schließlich für weitere Schärfe im Klangbild und ermöglicht je nach Einstellung die oftmals als kalt und steril beschriebenen Klangspektren. Presets wie Digimotion, String-Ens und Lichtbogen betonen im Vergleich zu den als analog beschriebenen warmen Klängen den oberen Mitten- und Höhenbereich, die zusätzlich an Schärfe gewinnen durch ihre unharmonischen Obertonstrukturen. Die Kombination dieser drei Klangerzeugungs-Möglichkeiten erlaubt schließlich die Produktion von Sounds, die quasi das Beste aus allen drei Welten enthalten. Druckvolle Sounds mit silbrig-seidigen Höhenanteilen sind möglich, Mischformen die klingen, als ob drei unterschiedliche Synthesizer am Werk sind, sowie Effektklänge unterschiedlichster Art, die durch flirrende Modulationen und geräuschhaft-verzerrte Texturen beeindrucken, sind mit dem Komplexer möglich und lassen keine Wünsche in der synthetischen Klanggestaltung offen.

Der Grundklang ist dabei mit zwei Worten zu umschreiben: druckvoll, präsent. Nicht zuletzt durch eine aktivierbare Bass-Boost-Funktion im Optionen-Dialog, sowie durch die Sub-Oszillatoren beeindruckt der Komplexer durch ein gehöriges Pfund im Bass-Bereich, das mächtig aus den Lautsprechern drängt und unsere Monitore so strapaziert, dass wir mehrfach die Lautstärke reduzieren müssen. So geschehen bei dem Pre-set Iridium Shimmer SX. Der eher mittige Grundsound des Albino 3 Synthesizers klingt im Vergleich dazu klein und unscheinbar. Gleichzeitig tönen sämtliche Presets vordergründig, durchsetzungsfähig und präsent. Verantwortlich dafür sind auch die sehr gut klingenden Filter, die eine Nähe zum berühmten Moog-Vertreter nicht verhehlen können. In Kombination mit dem integrierten Verzerrer lässt sich die Filterresonanz sehr scharf und präsent in den Vordergrund modellieren. Mit der Filterfrequenzmodulation ist es sogar möglich, Klangspektren komplett zu dekonstruieren. Bemerkenswert ist jedoch, dass ein eher normaler Gebrauch der Filter mitunter ausreicht, um schwach klingenden Klängen der Oszillatoren zu einem gehörigen Pfund an Bass und Präsenz zu verhelfen. Nicht minder beeindruckend sind die Möglichkeiten des Arpeggiators in Verbindung mit der Layer-Funktion des Komplexers.

Presets wie Ch5 intro ST, Chanel Nr. 5 und TBR ST enthalten durch geschickten Einsatz dieser Funktion komplette vierstim-mige Dancefloor-Arrangements mit Schlagzeug, Bass und Akkordbegleitung, die über die separate Ansteuerungsmöglichkeit der Layer flexibel einsetzbar sind. Der Native Instruments Massive vermag dies auch zu realisieren, allerdings auf etwas kompliziertere Art als der Komplexer. Vom Klangpotenzial her bewegt sich der Komplexer durchaus auf Augenhöhe mit dem Massive-Synthesizer, der allerdings ausschließlich auf Wavetables zur Klangerzeugung zurückgreift. Etwas voraus ist der Komplexer dem Massive in Sachen analoger Klangerzeugung. Hier weiß er nicht zuletzt durch die bereitgestellten Wellenformen und Filter zu überzeugen. In Konsequenz erreicht der Massive auch nicht die Präsenz im Bassbereich wie das Terratec-Produkt. Dafür setzt der Massive eindeutig auf ein sehr ausgewogenes Klangbild und zielt ein wenig mehr auf den Sound der digitalen Ära, der nicht zuletzt durch den exzellent klingenden Hall für einen Hochglanz-Klang sorgt.

Fazit

Wer den Klang alter analoger Synthesizer schätzt, gleichzeitig aber auch nicht auf modernere Klang-erzeugungsmöglichkeiten wie Wavetable-Synthese und Frequenzmodulation verzichten will, findet mit dem Komplexer das Richtige. Die Premiere von Terratec auf dem Gebiet virtueller Klangerzeugung ist also gelungen. Der Komplexer dürfte schon bald als ständiges Mitglied in jedem Studio anzutreffen sein, nicht zuletzt auch durch seine einfache Bedienung und sein ressourcenschonendes Verhalten im Computer.

Erschienen in Ausgabe 02/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 199 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut