The Dark Zebra Rises

Hollywood ist gar nicht so weit weg, wie manch einer denkt, oder hätten Sie gedacht, dass ein wichtiger Klangerzeuger für den Soundtrack der aktuellen Batman-Filme und anderer Blockbuster aus Deutschland kommt, genauer gesagt aus Berlin? Wir zuerst auch nicht, aber lesen Sie selbst.

Von Johannes Dicke 

Berlin und Gotham City haben eines gemeinsam: Batman. Während Gotham der fiktive Schauplatz des Epos über den schwarzen Rächer ist, spielt in Berlin vielmehr ganz real die dazugehörige Musik, kommt doch eines der wichtigsten Klangwerkzeuge für die Filmmusiken zu „Batman – The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“ aus der deutschen Hauptstadt. Die Rede ist vom Software-Unternehmen U-He. Software-Entwickler, Sounddesigner und Firmen-Inhaber Urs Heckmann hat dort sozusagen im eigenen Bat-Cave bereits eine ganze Reihe erstklassiger Klangerzeuger und Effekte entwickelt. Das Flaggschiff im Portfolio ist dabei der seit Jahren erfolgreiche und mittlerweile in Version 2 erhältliche virtuelle Synthesizer Zebra. Ihn gibt es seit kurzem unter dem Namen Dark Zebra in einer speziellen neuen Batman-Version, die all jene Presets enthält, die von keinem geringeren als Star-Filmkomponist Hans Zimmer bei der Erschaffung der besagten Batman-Soundtracks verwendet wurden. Zimmer hatte den Zebra unlängst unter seine Fittiche genommen und ihn unter anderem auch für die Soundtracks zu den Filmen „Inception“ oder „Transformers“ eingesetzt.

Mit dem Dark Zebra bekommt der Anwender nun für rund 200 Euro echten Kinosound direkt aus Hollywood an die Hand. Harte Fakten wie diese machen natürlich jeden Producer sofort neugierig darauf, was der dunkle Berliner an interessanten Features in Petto hat und vor allem wie er klingt. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht: Vorhang auf für ganz großes Klangkino. Beim Erstaufruf des Plug-ins fällt sofort die übersichtlich strukturierte Bedienoberfläche des modular aufgebauten Dark Zebra positiv auf. Rasch bleibt der Blick an der oberen Schaltleiste und den links integrierten drei Reitern hängen, unter denen sich die Hauptseiten des Zebra mit ihren Bediensektionen verbergen. Ein Klick auf den Reiter „Patches“ eröffnet zunächst den Blick auf eine Liste der einzelnen Presets des Dark Zebra, die in verschiedene Klangkategorien sortiert sind, wie unter anderem Basses + Drones, Bells + Metallurgy, Leads + Horns, HighArps + Chords oder Pads + Keys. Unter dem Reiter „Synthesis“ finden sich die Bedienelemente für die Standardparameter der Klang generierenden Synth-Module, wie Oszillatoren oder Filter sowie für die Klang-modulierenden Module wie Hüllkurven oder LFOs. Durch Klick auf den dritten, „Perform“ genannten, Reiter erhalten wir Zugriff auf vier XY-Pads. Sie sind komplett frei mit Parametern belegbar wobei pro Pad bis zu 16 Synth- und auch Effekt-Parameter steuerbar sind. Um dem (Dark) Zebra einen Klang entlocken zu können, muss das sogenannte „Main Grid“ bemüht werden, das, mittig positioniert, auf der Patches- und Synthesis-Seite zu finden ist. In diesem genial einfach aufgebauten Dialog können Sie im Baukasten-Prinzip nach Belieben die einzelnen Synth-Module des Dark Zebra einfügen und zu opulenten Signalketten verknüpfen. Insgesamt vier Slot-Reihen, respektive Signalwege stehen dabei zur Verfügung. Zur Auswahl stehen bis zu vier Oszillatoren mit je einem Hüllkurvengenerator, zwei Frequenzmodulationsoszillatoren (FMOs), vier LFOs, zwei Waveshapermodule, vier VCF-, zwei Sideband- und zwei Comb-Filter sowie zwei Ringmodulatoren. Das Editieren der Klang erzeugenden Module findet übrigens links und der Modulatoren rechts vom Main Grid auf der Synthesis-Seite statt. Der Clou: Die einzelnen Synth-Module lassen sich über die Slots hinweg im Main Grid untereinander verschalten, was den Signalfluss noch flexibler und die Klanggestaltung noch vielseitiger macht. Abseits davon laufen die Signale der vier Slots am unteren Ende in eine Mix-Sektion zusammen, in der die Signalketten nicht nur individuell zusammengemischt, sondern auch im Stereopanorama verteilt werden können. Als willkommenes Extra findet sich dort noch eine Reihe von Mod-Reglern, die frei zuweisbar die Modulationsintensität aller möglichen Parameter gestatten. Ins Eingemachte geht es dann im unteren Viertel der Bedienoberfläche des Dark Zebra. In der dort integrierten Schaltleiste können nicht nur umfangreiche Zusatzeinstellungen zu Oszillatoren und FMOs aufgerufen werden, sondern auch alle weiteren wichtigen Zusatz-Features außerhalb der Synthese-Ebene. Außer globalen Parametern wie das Einstellen der Polyphonie und der Effekte finden sich für jeden der vier Oszillatoren in einem eigenen Editor vielfältige Möglichkeiten zur Wellenformgestaltung sowie Zusatzsektionen zum Einstellen des FMO und der Filter. Daneben hält die untere Bediensektion als besondere Features einen sogenannten Multi Stage Envelope Generator (MSEG) bereit sowie einen XY-Pad Editor, einen Arpeggiator eine Modulations-Matrix und zu guter Letzt noch eine Kompressoreinheit zur abschließenden Signalverdichtung jeder der vier Signalketten im Main Grid. Alles in allem offeriert U-He damit ein prall gefülltes Paket voller toller Features, die es zu entdecken gilt und die wir jetzt ein wenig näher beleuchten wollen. Den Anfang machen die Oszillator-Editoren, denn die haben es wahrhaftig in sich und bieten enorme Möglichkeiten zur kreativen Klangformung. Außer den 16 mitgelieferten Wellenformen können als besonderes Highlight überdies auch eigene Wellenkreationen geschaffen werden, die ganz einfach durch Einzeichnen mit der Maus im entsprechenden Dialog realisierbar sind. Dafür bietet der gestreifte Bat-Held zwei Optionen: Wenn Sie „Geo-„ oder „SpectroMorph“ auswählen, können Sie mithilfe der rechten Maustaste über ein Kontextmenü mehrere Punkte im Editor eintragen. Anschließend lässt sich durch Verschieben der Punkte eine Wellenkreation erschaffen. Noch flexibler und anders im Klang geht es bei Auswahl von „Geo-„ oder „SpectroBlend“. In diesen beiden Modi kann direkt und nach Herzenslust mit gehaltener Maustaste im Editor gemalt werden. Mit diesen Möglichkeiten sind die Oszillatorwellenform-Editoren ein wirklich gelungenes Kreativ-Feature, das die Gestaltungsmöglichkeiten und Klangpalette des Dark Zebra um ein vielfaches erweitert. 

Solche Features beflügeln den Bastel- und Spieltrieb und mit wenigen Klicks ist aus einem bereits fertigen Preset innerhalb kurzer Zeit ein völlig neuer Sound entstanden. Doch das ist noch längst nicht alles, denn der Dark Zebra hält noch weitere innovative Schmankerl bereit, von denen eines bereits meine Begeisterung als Dance-Produzent geweckt hat. Die Rede ist von den bereits angesprochenen, frei belegbaren XY-Pads auf der Perform-Seite. Sie wirken zunächst unscheinbar und scheinen, weil bereits in vielen anderen Software-Synths zu finden, erst einmal nichts Besonderes zu sein. Doch weit gefehlt, denn die Anzahl der belegbaren Parameter pro Achse ist hier der eindeutige Clou: Durch Aufruf des XY assign Dialogs in der unteren Bediensektion lassen sich bis zu sage und schreibe acht Parameter pro Achse belegen, was die Lebendigkeit der Klanggestaltung enorm erweitert. Dank dieses besonders mächtigen Features sind im Dark Zebra kinderleicht äußerst komplexe Klangverläufe realisiert. Vorteil: Das aufwändige Automatisieren jedes einzelnen Parameters reduziert sich dadurch nachhaltig. Das Arsenal an Quellen beschränkt sich dabei nicht nur auf die Synthesizer-Parameter. Die in der Effektsektion enthaltenen Hall- und Delay-Effekte sind darüber ebenfalls steuerbar, was zusätzliche Kleinarbeit in der DAW einspart. Wer überdies noch einen dazu passenden Midi-Controller mit integriertem XY-Pad besitzt, wie etwa das Korg nanoPAD 2, kann den gewünschten Parameter-Verlauf auch gleich live einspielen und aufzeichnen. So entstehen in Windeseile spannende Crescendi, die Filmhelden wie Batman perfekt in Szene setzen, wenn sie den nächsten Feldzug gegen das Verbrechen führen. Mega-Abfahrten für die nächsten Club-Hits sind gleichfalls mühelos in die Tat umsetzbar. Übrigens sollte in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden, dass praktisch alle Parameter des Dark Zebra als Modulationsziele ausgewählt werden können – ein weiterer Beweis für seine Flexibilität und Vielseitigkeit. Damit hat der Reigen an pfiffigen Spezial-Features jedoch immer noch nicht sein Ende gefunden. Zwei Besonderheiten hat unser vielseitiger Hollywood-Synth noch zu bieten, die den Sounds zu weiterer Lebendigkeit verhelfen: der sogenannte „Multi Stage Envelope Generator“ (MSEG) und ein Arpeggiator. Mit dem MSEG haben sich die U-He Entwickler etwas Besonderes einfallen lassen. Hierbei gibt er sich als Hüllkurvengenerator sozusagen mit Spezialauftrag zu erkennen, denn gegenüber herkömmlich ausgelegten ADSR-Pendants kann der Hüllkurvenverlauf des MSEG zunächst eine insgesamt viel größere zeitliche Ausdehnung besitzen. Mit den Mod-Reglern im Mixer kann die MSEG-Sektion dabei auf die vier Oszillator-Signale einwirken. Das Programmieren des Kurvenverlaufs erfolgt, ebenso wie in den Oszillatoren, durch Einzeichnen mit Hilfe der Maus. Gleiches gilt übrigens auch für die LFOs. Im Kurven-Editor des MSEG stehen anschließend mehrere Punkte zur Verfügung, die beliebig verschoben werden können.

Die zwischen den Punkten entstandenen Linien sind überdies durch Ziehen mit der Maus im Verlauf von linear nach konvex oder konkav änderbar. Eine clevere Extra-Funktion bietet außerdem der Loop-Modus, so dass sich der MSEG bei Bedarf auch wie ein LFO verhalten kann. Sehr schön: Durch Rechtsklick lassen sich beliebige Punkte innerhalb des MSEG-Editors als Start- und Endpunkt für den Loop-Bereich definieren. Zudem erlaubt ein dezidierter Loop-Regler nach dem Wet-Dry-Prinzip das stufenlose Hinzumischen dieses Loop-Effekts. Insgesamt erinnert die Arbeitsweise des MSEG entfernt an einen Arpeggiator oder ein MIDI-Gate, je nachdem, was gerade moduliert wird. Als zweites Spezial-Feature ist schließlich ein Arpeggiator mit an Bord, der im unteren Bedienfeld über den Arp Control-Button programmierbar ist, was übrigens kinderleicht geschieht. Durch Rechtsklick auf die einzelnen Felder im Editor können verschiedene Parameter innerhalb der Sequenz editiert werden, wie unter anderem Tonhöhe, Länge oder die Anzahl der Stimmen pro Note. Insgesamt gibt sich der Dark Zebra in Sachen Ausstattung als quirliger Klangerzeuger zu erkennen. Im Hörtest muss er sich aber erst noch beweisen. Doch diesen Test meistert unser Hollywood-Synth mit Bravour. Bereits beim ersten Durchstöbern seiner Soundsets besticht er durch einen exzellenten Klang und deckt mit seinen zahlreichen, gut programmierten Presets weit mehr ab als nur gängige Klangkategorien wie Bass-, Lead-, Pad- oder die üblichen Key-Sounds. U-He Sounddesigner Howard Scarr hat bei den Batman-Sounds, aber auch im Standard-Soundset des Zebra, zusätzlich jede Menge Arpeggiator-Sounds, Drones, Bells, Drums, Clocks, Effects, Chaos-Sounds und Noises hinzugefügt, die willkommene Abwechslungen im Synthesizer-Alltag markieren. Am Grundklang gefällt mir besonders gut, dass er eine überaus schöne Präsenz und Klarheit besitzt, insbesondere in den Höhen, was im Großteil der Zebra-Presets als Charaktermerkmal hervorsticht. In Konsequenz bestechen die Sounds mit einer Durchsetzungsfähigkeit, die sich als Hauptstärke unseres Berliners zeigt, was besonders in Patches, wie „B-Beginns VIRUS clean“, „Chord Vitamin B“ oder „Resonator Learner“ zu Tage tritt. Ebenfalls eine Stärke und charakteristisch für viele Zebra-Sounds ist eine überaus schmeichelnde Lebendigkeit, die oftmals durch die Kombination von MSEG, Arpeggiator, Hüllkurven, Delay und anderen Modulatoren entsteht. Gute Beispiele hierfür sind unter anderem „Batcave Octave – analog“, „Gobinator“ oder „Precinct 15“. Summa summarum gibt´s von mir volle Punktzahl für den Dark Zebra und ein großes Lob an dieser Stelle für Urs Heckmann, Howard Scarr und das U-He Team. In meinem Software-Arsenal hat sich der Dark Zebra jedenfalls einen festen Platz erspielt und ist unter meinen „always-in-use-Synths“ eine sichere Bank geworden.

Fazit

Wer einen wunderbar frisch klingenden und vielseitig programmierbaren Software-Synth sucht, bekommt mit dem Dark Zebra nicht nur ein flexibles Sound-Design Werkzeug an die Hand, sondern obendrein noch jede Menge großartig klingende Hollywood-Sounds. Die vielen präsenten und zum Teil organisch-lebhaften Presets, die unter anderem im Soundtrack zu „Batman – The Dark Knight“ verwendet wurden, bescheren vielen Producern mit Sicherheit eine hervorragende Ergänzung ihres Sound-Arsenals. Darüber hinaus runden Spezialfeatures, wie der außergewöhnliche Wellenform-Editor oder die XY-Pads das Paket ab und machen den „Batsynth“ zum wahrhaftigen Kreativwerkzeug.

Erschienen in Ausgabe 12/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 199 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut