Renovierte Synthie-Legende
Die Synthesizer-Schmiede Waldorf legt nach und hat gleich mehrere Modell-Varianten der legendären PPG-Synthesizer in das neue PPG Wave 3.V-Plug-in gepackt. Obendrein enthält es im Vergleich zur Vorversion eine Vielzahl neuer Features. Welche das sind, steht im Test.
Von Georg Berger
Wenn eine Software erst nach zehn Jahren das erste umfassende Major-Update erhält, ist das angesichts der Schnelllebigkeit und des Konkurrenz-Drucks im Software-Bereich schon eine Sensation. Unternehmen, die es sich leisten können ihre Produkte dem Update-Wahn zu entziehen, müssen bei der Programmierung der Vorversion entweder bereits alles richtig gemacht haben oder keine Konkurrenz fürchten. Beides trifft in diesem Fall auf die Emulation des legendären PPG Wave 2.3 Synthesizers zu, der in Form des PPG Wave 2.V-Plug-ins von der Synthesizer-Schmiede Waldorf erstmals im Jahr 2000 präsentiert wurde. Dass der Hersteller keine Konkurrenz zu fürchten braucht, wundert dabei nicht, denn Waldorf ist aus PPG hervorgegangen und verwaltet sozusagen das Erbe der von Wolfgang Palm bereits in den 70er Jahren gegründeten Synthesizer-Schmiede, die ab Anfang der 80er Jahre mit ihren revolutionären Wave-Synthesizern erstmals die sogenannte Wavetable-Synthese präsentierte und alsbald Weltruf erlangte. Bei der Programmierung des Plug-ins konnte Chef-Entwickler Wolfram Franke bereits damals aus dem Vollen schöpfen und quasi auf Material aus erster Hand zurückgreifen. Kern der Wavetable-Synthese, die bis heute in den Hard- und Software-Produkten von Waldorf fortlebt und weiter entwickelt wird, bildet dabei eine im Vergleich zu herkömmlichen Analog-Synthesizern exorbitante Erweiterung des Vorrats an Grundwellenformen. Je 32 digital berechnete Wellen wurden dabei in Wellensätze, also den Wavetables, zusammengefasst. Bereits damals standen 100 verschiedene Wellensätze in den Wave-Synthesizern zur Auswahl. Der Clou: Einzelne Wellenformen im Wellensatz lassen sich nicht nur gezielt aufrufen, sondern auch per Modulation dynamisch nacheinander aufrufen, was seinerzeit atemberaubende Klangverläufe ermöglichte. Trotz sündhaft teurer Verkaufspreise konnten sich die PPG-Synthesizer damals weltweit etablieren und trugen maßgeblich zum Sound der 80er Jahre bei. Doch zurück zur Gegenwart: Offensichtlich war die Zeit nach zehn Jahren reif für ein umfassendes Major-Update des virtuellen PPG, bei dem der Hersteller in jeglicher Hinsicht rangeklotzt hat. Außer einer aufwändigen Überarbeitung der Emulation des eigenwilligen Verhaltens von Oszillatoren, LFO und Hüllkurven emuliert die neue Version PPG Wave 3.V nicht nur die klanglichen Charakteristika des PPG-Synthesizers Wave 2.3, sondern auch die des Vorgängers Wave 2.2. Überdies hat Wolfram Franke die neue Version in die Lage versetzt, Samples in mehreren Formaten laden, abspielen und in einem gewissen Rahmen sogar editieren zu können. Dadurch beschränkt sich die Dreier-Version nicht nur auf die Reproduktion der beiden Wave-Synthesizer. Franke erweitert den Funktionsumfang durch ein wichtiges Feature, das seinerzeit nur durch Zukauf der PPG Waveterm-Module im Verbund mit den Wave-Synthesizern realisierbar war. Weitere Features des Waveterm wie das Erstellen eigener Wavetables und ein Sequenzer sind allerdings nicht an Bord des Updates, was bedauerlich ist, jedoch gehörig Spielraum für künftige Updates bietet. Dafür ist im Plug-in die Original Sample Library des Waveterm B Modells zusammen mit einer ordentlichen Erweiterung an eigens für den PPG Wave 3.V produzierten Wavetables enthalten. Die über 100 neuen Wavetables stammen übrigens von Wolfgang Palm, Mr. PPG himself. Alleine schon diese Features hören sich recht teuer an, sind sie aber nicht. Beim Erstkauf des Plug-ins verlangt Waldorf moderate 170 Euro. Besitzer der Vorversion können für knapp 120 Euro upgraden. Doch das sind nur die sensationellsten Highlights des runderneuerten virtuellen Instruments. Der Hersteller hat noch weitaus mehr Features ins Plug-in gepackt wie unter anderem einen Sound-Browser und sogar eine Effekt-Sektion. Doch der Reihe nach.
Beim Aufruf des Plug-ins zeigt sich eine im Vergleich zur Vorversion deutlich größer dimensionierte Bedienoberfläche. Die Vorversion beschränkt sich lediglich auf die Darstellung des virtuellen Keyboards und des charakteristisch in blau hinterlegten analogen Bedienfelds. Das GUI der neuen Version zeigt zwar das gleiche Layout, es ist aber zusätzlich um eine schwarze Fläche oberhalb der bekannten Bedienelemente erweitert worden, die jetzt ausreichend Platz für das sogenannte „Digital Control Panel“ bietet, zusätzliche Editier-Dialoge, die sich mit Hilfe der weißen quadratischen Taster aufrufen lassen. Diese Dialoge gibt es zwar auch schon in der Vorversion. Allerdings legen sie sich beim Aufruf über das analoge Bedienfeld, was den Workflow durch teils nerviges Wegklicken der Dialoge beeinträchtigt. In der Dreier-Version ist durch die strikte Trennung der Darstellung von analogem und digitalem Kontrollfeld damit jetzt endlich Schluss. Die einzige Ausnahme markiert jedoch der neu integrierte File-Browser, der das analoge Control Panel aus Platzgründen mit abdeckt, was aber nicht negativ zu werten ist. Der Platz ist nötig, denn der Browser zeigt gleich mehrere Sektionen zum komfortablen Suchen, Laden und Verwalten von Presets. Dazu ein kleiner Exkurs: In der PPG-Diktion wird ein Einzelsound „Program“ genannt, Files die gleich mehrere Programs enthalten sind in Banks gefasst, die wiederum bis zu 128 Programs enthalten können. Samples werden hingegen „Transients“ genannt. Alle drei Dateitypen sind im Browser in einem Verzeichnisbaum, ähnlich wie im Windows-Explorer oder dem Mac Finder, enthalten. Ein Bank-Manager zur Anzeige der momentan geladenen Bank sowie der Program-Manager komplettieren die Ausstattung des Browsers. In letztgenanntem Teil-Dialog werden Programs und Transients in die insgesamt acht Sound-Slots geladen, die wiederum Signale auf verschiedenen Kanälen aussenden und empfangen. Der PPG Wave 3.V ist wie seine virtuellen und realen Vorgänger somit achtfach multitimbral. Das Handling im File-Browser ist dabei denkbar einfach: Sounds, Banks und Transients sind wahlweise per Drag-and-drop oder Doppelklick transferiert. Sehr schön: Weitere Ordner etwa mit eigens kreierten Programs und Samples lassen sich für einen raschen Zugriff zusätzlich in den Verzeichnisbaum hinzufügen. Im Test überzeugt der Browser als nützliche Erweiterung, um dem riesigen Arsenal an mitgelieferten Sounds Herr zu werden. Einziger Kritikpunkt: Die Bedienung der winzigen Dreiecks-Buttons in den Sound-Slots des Program-Managers zum sukzessiven Aufrufen von Programs, respektive zum Öffnen einer Ausklappliste mit den Programs der geladenen Bank, geben Anlass zur Kritik. Denn es bedarf mitunter eines großen Schlucks Zielwasser, möchte man Gebrauch von diesen Bedienelementen machen. Unabhängig davon ist die Bedienung des Plug-ins und das Editieren von Sounds bereits nach kurzer Zeit verinnerlicht und geht flott von der Hand. Dabei ist das Aufteilen der Einstellmöglichkeiten in ein analoges und digitales Control Panel damals wie heute genial gelöst. Die wichtigsten und am meisten genutzten Parameter wie etwa zum Einstellen von Hüllkurven, Filter, LFO und Oszillatoren sind nach alter Väter Sitte per Drehregler rasch editiert, wichtig auch für den Live-Einsatz. Seltener genutzte Parameter wie etwa das Verknüpfen von Modulationsquellen und -adressen oder das Transponieren von Presets sind hingegen besser auf der digitalen Ebene aufgehoben. Die Klangerzeugung ist logischerweise den Hardware-Vorbildern penibel nachempfunden worden. Gleichwohl hat es sich der Hersteller nicht nehmen lassen und dem PPG Wave 3.V-Plug-in einige zusätzliche Features verpasst, die es in der Hardware nicht gegeben hat und sowohl den Funktionsumfang als auch das Klang-Potenzial der virtuellen Wiederauflage merkbar erweitert.
Schauen wir uns zunächst die Ausstattung des analogen Bedienfelds näher an: Die Architektur folgt wie gehabt der subtraktiven Synthese. Als Klangerzeuger stehen zwei Oszillatoren zur Verfügung, die anschließend in ein Filter und von dort aus in einen Verstärker geleitet werden. Mit Hilfe des Wave- und Sub-Reglers lässt sich gezielt und separat für jeden Oszillator ein Ausschnitt der gerade geladenen Wavetable anfahren. An Modulationsmöglichkeiten stehen ein LFO und drei Hüllkurven zur Verfügung. Die ersten beiden Hüllkurven offerieren die übliche ADSR-Architektur und dienen zum Steuern von Filter und Verstärker. Die Intensität wird über separate Regler eingestellt. Besonderheit: Ein dritter Intensitäts-Regler erlaubt ein anteiliges Modulieren des Wave-Parameters mit Hilfe der ersten Hüllkurve, was zu einem dynamischen Durchfahren der Wavetable führt und einen lebendigen Klangverlauf nach sich zieht. Bemerkenswert: Tatsächlich arbeitet dahinter sogar eine vierte Hüllkurve, die im Vergleich zum Filter-Pendant schneller reagiert, jedoch mit dem Regler-Satz der Filterhüllkurve eingestellt wird. Die dritte Hüllkurve besitzt lediglich eine Attack- und Decay-Phase, die jedoch in der Polarität einstellbar ist. Sie lässt sich verschiedenen Modulationszielen zuordnen, wobei ihr primär die Aufgabe der Modulation der Oszillator-Tonhöhe zufällt. Soweit so gut. Neu im PPG Wave 3.V sind zwei Funktionen, die durch Druck auf die LED-Buttons aktivierbar sind. Zum Einen lässt sich das Filter – eine Emulation des eher selten verbauten Curtis SSM 2044 Chips – in der Flankensteilheit verändern. Außer der originalen 24-Dezibel-Flanke steht erstmals auch eine etwas weicher ausgeprägte Variante mit zwölf Dezibel zur Auswahl, was es so bislang nicht gegeben hat. Damit nicht genug, lässt sich das Signal direkt hinter dem Filter per Drive-Regler verzerren. Von einem leichten Anrauen bis hin zu derber Distortion ist alles möglich. Per LED-Schalter lässt sich die Charakteristik zwischen Transistor und Röhre umschalten, wobei die Röhrenemulation erwartungsgemäß einen weicheren Sound macht und die Transistor-Variante harsche, bissige Ergebnisse liefert. Mit Hilfe des dritten LED-Schalters lässt sich der aus der Vorversion schon bekannte „True PPG“-Modus aktivieren, was zu Aliasing in den Oszillatoren, leichten Stimmschwankungen im Filter, unregelmäßigen Schwingungsvorgängen im LFO und einem grober aufgelösten Verhalten der Hüllkurven führt. Für die Überarbeitung der Emulation dieser in Echtzeit berechneten charakteristischen Verhaltensweisen ist übrigens eine Menge Zeit aufgewendet worden, wie uns Chefentwickler Wolfram Franke verrät. Doch das Editieren von Sounds mit Hilfe der Drehregler ist erst der Anfang. Über die acht aufrufbaren Dialoge des digitalen Control Panels lässt sich noch weitaus mehr anstellen. Die Dreier-Version wartet hierbei mit einer Vielzahl an neu hinzugefügten Einstellmöglichkeiten auf, die sich sowohl in den schon aus der Vorversion bekannten Pendants finden, als auch in erstmals neu hinzugefügte Dialoge eingefasst sind. Sämtliche digitalen Editierfelder en detail vorstellen zu wollen, würde jedoch den Rahmen des Artikels sprengen, weshalb wir uns auf eine grobe Beschreibung und die wichtigsten Neuheiten konzentrieren wollen. Premiere feiern das Effects-Fenster und der Transienten-Dialog. Gleich sechs Effekte (siehe Abbildung auf Seite 50) stehen zur Auswahl, die separat aktivierbar sind, sich durch eine teils opulente Parameterausstattung auszeichnen und weitaus mehr als eine nette Dreingabe sind. Auffällig: Die Verzögerungszeit im Delay ist sogar per LFO modulierbar, was nicht alltäglich ist. Für jeden Sound-Slot lassen sich dort eigene Einstellungen vornehmen. Ist jedoch der Share-Button aktiviert, wirken die Einstellungen gemeinsam auf alle acht Slots. Der Transient-Dialog gewährt Zugriff auf einige wenige Parameter zum Editieren von Samples. Der Root-Key ist einstellbar, der Sample-Start sowie die Samplingrate, die beim Ändern Einfluss auf die Tonhöhe des geladenen Samples nimmt. Eine aktivierbare Loop-Funktion erlaubt zusätzlich die Definition von Loop-Start und -Ende. Im Vergleich zur Ausstattung moderner Sampler ist der Transient-Dialog zwar hoffnungslos unterlegen. Aber damit will er auch gar nicht konkurrieren. Der Hersteller beschwört mit dieser Ausstattung vielmehr den Beginn des Sampling-Zeitalters. Sehr schön: Wer sich seine Samples zuvor in einem Wave-Editor à la Steinberg Wavelab oder Sony Soundforge optimiert, kann auf die Einstellmöglichkeiten verzichten, denn der PPG Wave 3.V erkennt den Root Key und auch die einprogrammierten Loop-Punkte, was bei Eigenkreationen sehr gut funktioniert. Beim Laden von Sounds aus Drittanbieter-Librarys wie etwa Zero-Gs Dark Skies (Test in Heft 5/2010) zeigt sich der virtuelle PPG jedoch äußerst zickig in Bezug auf die Root-Key-Erkennung. Wir sind ständig gezwungen, den Parameter gehörig anzugleichen, was auf Dauer nervig ist.
Die weiteren Digital-Panels finden sich bereits in der Vorversion. Unverändert geblieben ist dabei das Program-Fenster, das eine erweiterte Darstellung des Program-Managers zeigt und mit zusätzlichen Einstelloptionen pro Slot aufwartet wie etwa die Lautstärke, das Panorama, den Tastaturbereich oder das Routing von MIDI- und Audio-Ausgang. Im Digital-Dialog lässt sich der Arpeggiator einstellen. Zusätzlich finden sich Möglichkeiten zum Auswählen von Programs, Transients und Wavetables. Über den Bank-Parameter sind dort direkt die neu hinzugefügten Wavetables erreichbar, die in sechs Kategorien unterteilt sind. Darüber hinaus lässt sich der zweite (Sub-)Oszillator aktivieren und gleichzeitig definieren, wie er angesteuert werden soll. So kann der Sub-Oszillator unabhängig vom Haupt-Oszillator statisch auf einen Wavetable-Ausschnitt gesetzt werden, der bei Bedarf via dritter Hüllkurve von dieser Position aus die Wavetable durchfährt. Damit sind etwa gegenläufige Wavetable-Scannings von Haupt- und Sub-Oszillator möglich, die das Klangspektrum merkbar bereichern. Ebenfalls nicht neu ist der einstellbare Keyboard-Modus, der eine Unisono-Funktion ausführt und beim Drücken einer Taste wahlweise einen, zwei, vier oder gleich acht Stimmen spielt. Neu hinzugekommen ist die Wahlmöglichkeit, das Plug-in in die Modi Wave 2.2, 2.3 und PPG 2.V zu versetzen, womit sich bei aktiviertem True-PPG-Modus das charakteristische Verhalten der Synthesizer-Bausteine aktivieren lässt. Darüber hinaus hat die Wahl des Wave-Modells auch maßgeblich Einfluss auf die Abspielqualität der Samples, wobei der 2.2-Modus die Samples in acht, der 2.3-Modus in 12 und der 2.V-Modus mit bis zu 32 Bit wiedergibt. Das Tune-Fenster enthält diverse Möglichkeiten zum Transponieren und Verstimmen des momentan angewählten Programs. Dort ist auch die dritte Hüllkurve auf die beiden Oszillatoren zuweisbar. Neu ist der aktivierbare Fine-Modus, der eine detaillierte Werteeingabe zum Verstimmen des Sub-Oszillators erlaubt. Ist er deaktiviert stehen wie im Original lediglich acht Fest-Einstellungen im Bereich zwischen drei Cent bis zwei Oktaven zur Auswahl. Die Semitone-Parameter eröffnen weitere kreative Eingriffsmöglichkeiten in das Abspielen von Sounds, die in Abhängigkeit zum gewählten Unisono-Modus (Poly, Dual, Quad und Mono) realisierbar sind. So lassen sich je nach aktivem Modus durch entsprechende Vergabe von Halbtonwerten Intervalle, vier- oder sogar achtstimmige Akkorde dort einstellen und bequem mit einer Taste abspielen. Der Clou verbirgt sich hinter dem Semitone-Key-Parameter: Ist er im Poly-Modus aktiviert, werden beim wiederholten Spielen auf derselben Taste sämtliche in den Semitone-Feldern eingestellten Halbton-Transponierungen nacheinander abgespielt. Somit lassen sich bequem kleine Melodiesequenzen wie von Geisterhand spielen. Fast nichts Neues bietet auch der Modulation-Dialog, der eine überschaubare Zahl von sieben Quellen und fünf Zielen bereitstellt. Das Arsenal setzt sich aus den üblichen Verdächtigen zusammen wie etwa Oszillator-Tonhöhe, Lautstärke, Filter-Cutoff, aber auch ein Wavetable-Scanning, die mit Hilfe etwa von LFO, Velocity, Modulations- und Pitchbendrad steuerbar sind. Allerdings lässt sich, ebenso wie im Original, nicht jede mögliche Modulationsverknüpfung erstellen. Über den neu hinzugefügten Fine-Button ist es jedoch erstmals möglich zusätzliche Modulationen zu realisieren. War im Original das Modulationsrad grundsätzlich mit dem LFO verbunden, lassen sich beide Modulatoren jetzt unabhängig voneinander auf die Ziele routen. Eine willkommene Alternative zum Editieren bietet schließlich der Graphik-Editor. Im Vergleich zur Vorversion, die ein graphisches Editieren der Hüllkurven und des Filters erlaubt, finden sich jetzt zusätzliche Felder zum Einstellen des LFO und zur Auswahl von Wellenformen in beiden Oszillatoren. Der Global-Dialog gewährt Zugriff auf die grundlegende Verhaltensweise des Plug-ins, wie etwa das Einstellen der maximal 256-stimmigen Polyphonie oder die Wahlmöglichkeit zwischen einem oder acht Stereo-Ausgängen. Im Hör- und Praxistest spielt das PPG Wave 3.V-Plug-in ganz groß auf. Das Repertoire an enthaltenen Programs ist sehr breitgefächert und wartet mit Sounds auf, die sowohl reinrassigen Analog-Synthesizern, als auch modernen Digital-Synthesizern entstammen können. Wuchtige, fette Flächensounds tummeln sich zusammen mit knallig und spitz klingenden Slap-Bass-Sounds. Röchelnde Soundspektren, die teils bedrohliche Atmosphären erzeugen geben sich die Klinke in die Hand zusammen mit höhenreichen, zart und zerbrechlich klingenden Glöckchen-Sounds und harsch klingenden metallischen Programs. Auffällig sind nach wie vor die Klangverläufe, die in vielen Programs hörbar sind und sich teils per Modulationsrad nach Gusto steuern lassen. Im Test nutzen wir weidlich die Möglichkeiten des Wavescannings in Verbindung mit aktiviertem Arpeggiator und entlocken dem Plug-in beeindruckend klingende Effektsounds.
In Sachen Grundsound positioniert sich der PPG 3.V zwischen die digitale und analoge Welt. Selbst rein digitale Klangspektren, die eigentlich eher dünn, scharf und rasch unangenehm klingen können, besitzen eine hörbare Fülle, um nicht zu sagen Wärme, die ihnen etwas angenehm Hörbares verleihen. Vergleichbare Sounds wie etwa ein knallig-spitzer Slap-Bass klingen im PPG Wave 3.V deutlich weicher und runder als ein reinrassiger FM-Sound à la Yamaha DX 7 oder Native Instruments FM8. Unschlagbar ist dabei auch das Tiefpassfilter, das Dank der neu hinzugefügten Features deutlich gewinnt. Per einstellbarer Flankensteilheit und Drive-Funktion erweitern sich die Formungsmöglichkeiten dieses eher zurückhaltend arbeitenden Bausteins merkbar, was den Sounds sehr gut tut. Klangliches Highlight ist jedoch der True-PPG-Modus mit seinen verfügbaren Varianten. In Stellung PPG 2.V empfiehlt sich die Dreier-Version als modern klingender virtueller Synthesizer. Doch sobald die Modi 2.2 oder 2.3 ausgewählt sind, stellen sich beim Spielen der Sounds auf subtile Art die bereits erwähnten Ungenauigkeiten ein. Besonders deutlich wird dies im Test beim Spielen eines per Arpeggiator aufgebrochenen Akkords. Die Einzeltöne des dafür benutzten synthetischen Lead-Sounds klingen im 2.V-Modus deutlich voneinander abgesetzt und klar definiert. Beim Aktivieren des 2.3-Modus klingt derselbe Sound jedoch auf einmal viel breiter und die Einzeltöne verwischen untereinander, so als ob ein Weichzeichnungsfilter vor das Objektiv einer Kamera geschraubt wurde. Der 2.2-Modus verstärkt diesen Effekt noch einmal. Die Sounds gewinnen dadurch deutlich an Charakter und Lebendigkeit, was den Sounds ihren unverwechselbaren Retro-Charme verleiht. Das eigentliche Highlight markiert für uns jedoch die mitgelieferte Waveterm-Sample-Library, die mit einem ebenfalls breit gefächerten Arsenal an Sounds daherkommt und das Plug-in, nicht zuletzt auch durch die integrierte Effektsektion, sozusagen in einen Urahn der Synthesizer-Workstation verwandelt. Das Durchhören der eigentümlich im Frequenzgang beschnittenen Samples lässt uns unweigerlich eine Nostalgie-Reise in die 80er Jahre antreten. Außer Orchesterinstrumenten, einem Konzertflügel, Gitarren, den heutzutage völlig aus der Mode gekommenen Simmons-Drums und einigen Effekt- und O-Ton-Samples findet sich im Repertoire auch der T400-Chor, der in vielen Top-10-Produktionen damals zu hören war. Herrlich retro wird’s dabei wiederum mit aktiviertem True-PPG-Modus: In Stellung Wave 2.2 besitzen die Samples deutlich hörbares Aliasing und Rauschen. Der 2.3-Modus gibt diese „Effekte“ deutlich reduziert wieder. Nostalgiker werden jedenfalls ihre wahre Freude an den Samples und den Sampling-Funktionen haben. Wer mag, kann wie damals diese eigentlich unerwünschten Artefakte mit Hilfe der neu integrierten, sehr gut klingenden Effekt-Sektion kaschieren. Einzige Ausnahme bildet hierbei der Overdrive-Effekt, der sich mehr wie ein zahnloser Tiger verhält, weshalb wir lieber auf den Filter-Drive ausweichen. Dafür trumpfen die übrigen Effekte mächtig auf, die sich mit einem angenehm klingenden Grundsound organisch auf die Sounds aufprägen und für ein eindrucksvolles Veredeln der Sounds sorgen.
Fazit
Mit dem PPG Wave 3.V-Plug-in präsentiert der Hersteller Waldorf ein in allen Punkten überzeugendes Major-Update. Die Dreier-Version emuliert auf beeindruckende Weise erstmals gleich mehrere Modellvarianten dieser zeitlosen Synthesizer-Klassiker. Gleichzeitig sorgen die neu hinzugefügten Features dafür, dass dem Anwender sinnvolle und moderne Werkzeuge an die Hand gegeben werden, mit denen sich die Attraktivität des virtuellen Instruments deutlich steigert. Dabei ist der Hersteller beim Implementieren der neuen Funktionen derart behutsam vorgegangen, so dass Nostalgiker und Modernisten auf der Suche nach einem virtuellen Instrument mit Charakter zu gleichen Teilen voll auf ihre Kosten kommen. Wir hätten nur einen Wunsch an den Hersteller zu richten: Bitte nicht noch einmal zehn Jahre bis zum nächsten Update warten.
Erschienen in Ausgabe 02/2011
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 169 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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