Virtuell analoges Drumgewitter

Der französische Hersteller Xils-Lab serviert uns zum Start des Sommers eine heiße Multi Synthesis Drummaschine. Stix heißt die Gute und kommt mit gleich zehn identisch ausgestatteten Klangerzeugern daher. Hinzu gesellt sich ein pfiffiger und einfach zu bedienenden Step Sequenzer und ein Song/Pattern Mode für den Live Einsatz.

Von Stefan Feuerhake

Wenn es um Sounds in aktuellen Musikproduktionen geht, ist in den letzten Jahren ein ganz starker Trend weg vom fertigen Sample und wieder mehr in Richtung selber schrauben zu bemerken. Man möchte wieder mehr eigene Sounds mit Charakter und persönlicher Note erstellen und sich dadurch ein bisschen vom Einheitsbrei abheben. Das gilt natürlich auch für Drums. Dabei wird auf der einen Seite viel mit Hardware Drum Machines gearbeitet. Die Auswahl an Klassikern aber auch neuen Entwicklungen ist hier schier endlos. Auf der anderen Seite spielen aber auch virtuelle Versionen in Form von Plug-ins eine eben so große Rolle und auch hier gibt der Markt einiges her. Und zur letzten Kategorie zählt unser heutiger Test-Kandidat Stix. Das vom französischen Software-Unternehmen Xils-Lab entwickelte und rund 180 Euro kostende Plug-in ist in Sachen Ausstattung und Sounddesign an die typischen Drummaschines der 80er- und 90er-Jahre angelehnt. Zuvorderst wartet es mit subtraktiver Klangerzeugung, Step-Sequenzer und Effekt-Sektion auf. Allerdings geht Stix noch ein paar Schritte weiter. Besonders die Klangerzeugung der zehn Synthesizer mit ihren Multi-Oszillatoren schaut mit FM- und Waveshaping-Möglichkeiten über den subtraktiven Tellerrand hinaus. Zusätzlich kann einer der je drei Oszillatoren pro Synth auch ein Sample laden. Allerdings geht dies nur aus der von Xils-Lab mitgelieferten Library. Eigene Samples können also leider nicht importiert werden. Zusätzlich gibt es viele Modulations-Möglichkeiten und so lädt Stix schließlich zum munteren sounddesignen und schrauben ein. Aber schön der Reihe nach, wenden wir uns zuerst einmal dem GUI und dem Workflow des Plug-ins zu.

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Look & Feel

Das GUI ist in hellgrau recht schlicht gehalten. Drei verschiedene Größen/Auflösungen stehen zur Auswahl. Wer mag, kann im Menü die Grundfarbe des Plug-ins auch auf schwarz umstellen. Etwas umständlich ist dabei, dass man Stix erst wieder neu laden muss, damit die neue Auflösung und Farbe angewandt wird. Ansonsten ist alles sehr übersichtlich gestaltet und man findet sich schnell zurecht. Allerdings wirkt das GUI für unseren Geschmack doch recht altbacken und nicht ganz zeitgemäß. Hier hätten wir uns schon etwas mehr fürs mitschraubende Auge gewünscht. Es ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, dass dieser 90er-Jahre Look auch einem entsprechenden Konzept unterworfen ist. Dem Spielspaß tut es auf jeden fall keinen Abbruch.
Die Oberfläche von Stix lässt sich grob in drei Bereiche aufteilen. Oben befindet sich neben dem Browser, der leider auch etwas altbacken und unübersichtlich daher kommt, auch die Auswahl für die insgesamt zehn Instrumente. An Bord sind Bass-Drum, Snare-Drum, Hihat geschlossen und offen, ein hohes und tiefes Tom, ein Crash-Becken, zwei Percussion-Instrumente sowie ein universell ausgelegtes, mit „Misc.“ bezeichnetes Instrument. Da alle Instrumente jedoch eine identische Klangerzeugung besitzen, könnten Sie theoretisch auch zehn Bass-Drums in Stix laden, respektive programmieren. Zwei Ansichten, easy und advanced, stehen dafür zur Verfügung. Aber dazu später mehr.

In der Mitte lächelt uns der Step-Sequenzer mit seinen drei Ebenen an und im unteren Bereich finden wir einen rudimentären Mixer und die Effekt-Sektion zum Einstellen verschiedener Send- und Insert-Effekte. So sind alle Parameter leicht vom Hauptfenster aus erreichbar, was uns schon einmal sehr gut gefällt, denn es unterstützt einen schnellen, guten Workflow. Aber an erster Stelle sollte immer der Klang stehen. Schauen wir doch gleich mal, was Stix so unter der Haube hat.

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Soundwelten

Der Grundsound beim Durchhören der Presets von Stix ist meist dreckig und stellenweise richtig dunkel. Er eignet sich bestens zum Produzieren von Techno und House sowie allen experimentellen elektronischen Spielarten. Aber auch Produzenten aus dem Urban-Bereich sollten Stix mal genauer unter die Lupe nehmen. Viele der Soundsets klingen schon sehr nach den 80er- und 90er-Jahren und erinnern dabei ganz klar an Rolands Klassiker TR-808/909 und verwandtes. So ist in Konsequenz die primäre Zielgruppe auch recht klar definiert. Allerdings geht Stix besonders durch die Mischung von Sample und Klang-Synthese um einiges vielseitiger ans Werk als die alten Veteranen.
Die Sounds klingen durchweg gut und besitzen einen eigenen Charakter. Besonders gut gefallen uns dabei die Percussion-Sounds. Eingedenk der Tatsache, dass hier waschechte, wenn auch „nur“ virtuelle Oszillatoren am Werk sind, lassen sich in Stix nicht nur Drumsounds im Handumdrehen erzeugen. Überdies steht auch eine große Palette
von blubbernden 303-artigen Sounds bis hin zu schmatzenden Bässe à la Moog zur Verfügung. Die Werks-Library bietet schon einmal eine breite Palette an unterschiedlichen Sounds und Soundsets an, mit denen sich sofort loslegen lässt. Doch der Schwerpunkt von Stix liegt ganz klar im Erstellen eigener Sounds mit Hilfe von Synthesizer und Sequenzer. Hier spielt Stix letztlich seine volle Stärke aus.
Schauen wir also einmal, wie so ein Synthesizer in Stix aufgebaut ist.

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Easy vs. Advanced

Die zehn Klangerzeuger können in zwei verschiedenen Editierfenstern entsprechend programmiert werden. Grundsätzlich besitzt jeder Synthesizer drei Oszillatoren, wobei die ersten beiden in Form von Multi-Oszillatoren bereit stehen. Will heißen, sie können stufenlos zwischen den Wellenformen Dreieck, Sägezahn, doppelter Sägezahn, Puls- und Rechteckwelle überblenden oder alternativ dazu einfach eine Sinuswelle wiedergeben. Der dritte Oszillator ist für das Laden von Samples zuständig. Stattdessen kann dort auch ein Rauschgenerator mit weißem Rauschen werkeln. Standegemäß gibt es ein Multimode-Filter mit den typischen Hoch-/Tief- und Bandpässen inklusive extra Drive-Funktion und Hüllkurven für das Filter, die Lautstärke und Tonhöhe. Neben den klassische ADSR-Hüllkurven, deren Verhalten einem RSF Kobol vintage Snythesizer nachgebildet wurden und sich durch eine besonders rasche Ansprache auszeichnen, haben die Stix-Entwickler mit der R-Clap-Hüllkurve noch ein besonderes Leckerli hinzugefügt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Hüllkurve, die für Claps und Percusssion-Klänge optimiert ist und die durch ihre Repeat- und Hold-Funktion viele rhythmische Effekte wie etwa Rolls erzeugen kann. Und die klingen wirklich gut.
Im Easy-Modus sind nur die wichtigsten Parameter zum raschen Editieren sichtbar. Ebenso kann man dort schnell Presets wechseln und die beiden Macros belegen. Hier wurden wirklich die wichtigsten Parameter ausgesucht, so dass das Schrauben in diesem Modus tatsächlich völlig easy von der Hand geht.
Im Advanced-Modus zeigt Stix schließlich seine volle Sounddesign-Pracht. Ebenso finden sich hier die beiden LFOs und auch die Modulationsmatrix. Die identisch ausgestatteten LFOs sind polyphon ausgelegt, MIDI-synchronisierbar und bieten sechs verschieden Wellenformen an. Allerdings braucht es schon etwas an Einarbeitungszeit im Advanced-Modus, um bei den vielen Köpfen den Durchblick zu bekommen. Wenden wir uns also flugs dem Sequenzer zu.

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Sequencer

Der Sequenzer ist so zusagen das Herzstück und befindet sich genau in der Mitte der Plug-in-Oberfläche. Im Init-Zustand besitzt er ein klassisches 16-tel-Raster. Zusätzlich ist jede Viertel mit einem waagerechten Strich unterteilt. Insgesamt stehen drei Ansichten mit fest umrissenen Teilaufgaben zur wechselseitigen Wahl. Im Multi-Mode können die Noten aller zehn Klangerzeuger gleichzeitig bearbeitet werden. An der linken Seite gibt es für jede Spur einen Fill Button, der die gesamte Spur mit Noten füllt. Auf der rechten Seite hat jede Spur zusätzlich eine copy/paste-Funktion, mit der sich natürlich spurübergreifend Noten kopieren lassen. Hinzu gesellt sich eine nützliche Random-Funktion, wenn einem mal gerade nichts mehr einfällt oder man nach etwas Inspiration für ein Pattern sucht. Das gefällt schon einmal sehr, erweitert es doch ein typisch analoges Step-Sequenzer-Konzept um nützliche Funktionen. Die Sinnhaftigkeit der eingangs erwähnten Viertel-Einteilung im Sequenzer zeigt sich im zweiten Modus, hier Beat genannt. Darin besteht die Möglichkeit jedes Viertel noch einmal in maximal 16 Steps zu unterteilen. Es sind also insgesamt 64 Steps pro Spur möglich. Und natürlich sind auch alle Zwischenwerte etwa für triolische Rhythmen einstellbar. Gerade diese Lösung über die Viertel macht richtig Spass und erweist sich in der Praxis als geniales, inspirierendes Tool, vor allem wenn es um leicht vertrackte und experimentelle Grooves und Rhythmen geht. Der dritte, Single genannte, Modus
setzt dem Ganzen schließlich noch die Krone auf. Hier lässt sich nun jede Einzelspur intensiv bearbeiten. Und es wurde an fast alles gedacht, was das Programmiererherz erfreut. Neben der obligatorischen Velocity gibt es hier Position, Gate, und zwei Modulations-Parameter für jede einzelne Note. Es läßt sich also die Position der Noten, ihre Länge und zwei frei zuweisbare Parameter per Note ändern. So ist es möglich, kinderleicht und im Handumdrehen extrem lebendige und variationsreiche Pattern zu erzeugen. Im Test erweist sich der Step Sequenzer jedenfalls als rundherum gelungen und lässt nichts vermissen.

Poly Step

Eine zusätzliche kreative Beigabe stellt überdies die Poly Step-Sektion dar, ein kleiner extra Sequenzer in Form einer XY-Matrix für weitere Parameter-Modulation. Auf die Vertikale und Horizontale lassen sich nun je zwei Parameter zum Modulieren zuweisen, wobei ihre Werte über einen Roten Punkt in der Achse definiert werden. Es lassen sich dabei beliebig viele Punkte erstellen und so entstehen schnell etwa sehr lebendige Hihat- und Percussion-Pattern. Der Clou an der Sache ist aber, dass der Poly Step einen Move-Modus besitzt. Ist er aktiv, wandern die erstellten Punkte zufällig durch das Koordinaten-System und erzeugen noch mehr Variationen. Das ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch eine äußerst effektive Funktion, die viele klangliche Aha-Erlebnisse liefert.

Mixer

Der Mixer bietet ausschließlich Basis-Funktionen wie Lautstärke, Panorama, Mute und Solo pro Kanal. Mehr ist aber auch nicht nötig, spielen Klangerzeugung und Sequenzer eindeutig die Hauptrolle. Eine nützliche Gang Funktion verbindet alle Kanäle miteinander, falls man mal schnell alle Spuren gleichzeitig leiser machen möchte. Sehr schön ist zudem, dass es hier auch einen Knopf gibt, mit dem sich alle Effekte gleichzeitig global ausschalten lassen.

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Effekte

Für jede Spur stehen je ein Delay, Reverb und ein Phaser zur Verfügung, die alle über einen Send pro Spur zumischbar sind. Alle drei Effekte klingen amtlich und sind absolut brauchbar. Besonders gut gefällt uns der Reverb mit seinen drei verschiedenen Hall-Typen, die einen schönen 80er-Jahre Retrosound besitzen und die Klangerzeugung hervorragend ergänzen. Aber auch Delay und Phaser sind eine nützliche Beigabe. Etwas enttäuscht sind wir hingegen von den beiden Insert-Effekten. Pro Spur lässt sich wahlweise ein Distortion- oder Bitcrusher-Effekt nutzen, wobei erstgenannter nur mit einem Dry/Wet-Poti kommt und sich sehr minimal, ja fast schon homöopathisch auf den Sound auswirkt. Ebenso schwach auf der Brust ist auch der Bitcruscher, der aber zumindest mit zwei Parametern aufwartet. Da findet sich in eigentlich jeder DAW spielend leicht etwas ungleich knackigeres. Zum Glück liegt das Plug-in dafür auch in einer Multi- Version vor, so dass sich jeder einzelne Klangerzeuger auf eine eigene Spur in Ihrer DAW routen lässt, um sie so prima mit den Lieblings-Plug-ins zu veredeln.

Pattern / Live Mode

Damit ist aber noch nicht ganz Schluss in Sachen Programmieren und Spielen. Außer einer einfachen MIDI-Zuweisung der Parameter mit der Möglichkeit, sie per Automation in der DAW aufzuzeichnen, bietet Stix einen kleinen aber feinen Song Mode zum Jammen oder für den Live-Einsatz an. Insgesamt kann man zwölf Pattern darin belegen. Neben Copy/Paste steht auch hier wieder eine Random-Funktion für ein zufälliges Wechseln der Pattern zur Verfügung. Sehr gut gefällt uns hier die einstellbare Startquantisierung, die Ihr Pattern bei Wechsel immer tight auf dem gewünschten Takt starten lässt. So lassen sich auch wunderbar Breaks und Fills erstellen. Bei Bedarf lassen sich die Pattern sogar über die DAW per MIDI wechseln. Das ist nicht nur pfiffig gelöst, sondern wirkt auch sehr inspirierend.

Fazit

Mit Stix ist Xils-Lab eine wirklich inspirierende Drum-Machine nach analogem Vorbild gelungen. Die Kombination aus zehn Synthesizern mit einem reichhaltig ausgestatteten und intuitiv zu bedienenden Sequenzer hat sich im Test als dynamisch, starkes Duo gezeigt. Das Erstellen eigener Sounds und Pattern macht sehr viel Spass und die einfache Bedienung des Plug-ins tut ihr Übriges.
Der Sound besitzt einen eigenen Charakter, wobei die Entwickler viel im Detail geschraubt und emuliert und erfolgreich Altes mit Neuem verschmolzen haben. Allerdings sollten man sich im Klaren sein, dass der Klang ganz klar in Richtung 80er- und 90er-Jahre zielt. Eine Brot-und-Butter-Drum-Machine, die mal eben jegliches Genre bedient, ist Stix nicht. Dafür aber ein Instrument mit viel Charakter.