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Reason, die überaus beliebte Synthesizer-Workstation des Herstellers Propellerhead, hat endlich ein neues Major-Update erfahren. Im gleichen Zug profitiert auch der jüngst veröffentlichte Sequenzer Record von den Neuheiten, der nunmehr in Version 1.5 vorliegt. Beide Produkte wollen, ähnlich wie Batman und Robin, als dynamisches Duo den Platzhirschen in Sachen Musikproduktion gehörig Paroli bieten. Professional audio hat sich beide Updates einmal genauer angeschaut.

Von Georg Berger

ast drei Jahre sind verstrichen, seitdem der schwedische Software-Hersteller Propellerhead seinem Bestseller Reason das letzte Major-Update verpasst hat (siehe Test Reason 4 in Heft 11/2007 und Kasten auf Seite 59). Doch die Propellerhead-Entwickler waren in dieser Zeit nicht untätig und sorgten Ende des letzten Jahres für mächtig Wirbel mit der Ankündigung, einen eigenen Sequenzer auf Basis von Reason auf den Markt zu bringen. Der erschien wenig später und wurde auf den bezeichnenden Namen „Record“ getauft (siehe Test in Heft 02/2010 und Kasten auf Seite 59).

Die DAW hat dabei viele Gene von Reason geerbt und das Erfolgskonzept in Sachen Bedienkomfort erfolgreich in diesen Software-Bereich übertragen. Das Beste: Reason klinkt sich sozusagen Huckepack in Record ein und macht aus dem Ganzen mehr als die Summe seiner Einzelteile. So ist Reason in Kombination mit Record erstmals in der Lage, auch Audiosignale aufzuzeichnen und wiederzugeben, was man durchaus als Reason-Update werten kann. Im Umkehrschluss erfährt Record eine mächtige Aufstockung an Instrumenten und Effekten, was aus der überschaubaren Einsteiger-Anwendung ein mächtiges Musikproduktions-Werkzeug macht. Nach erfolgreicher Markteinführung von Record liegt kaum ein Jahr später endlich das nächste Major-Update von Reason vor. Wie es sich gehört, hat die neue Version eine ganze Reihe zusätzlicher Features und Verbesserungen erhalten, mit der sich sowohl die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten, als auch das Handling noch einmal verbessern sollen. Im gleichen Zug profitiert auch Record vom Reason-Update, das nunmehr in Version 1.5 vorliegt, eine Reihe von Verbesserungen der Fünfer-Version übernimmt und darüber hinaus mit eigenen Neuheiten aufwartet. Sehr schön: Die Preise sind im Vergleich zu den Vorversionen teils sogar niedriger ausgefallen. Wer sich nur für Reason 5 entscheidet, zahlt bei Erstkauf mit knapp 300 Euro etwas weniger als für die Vorversion. Record kostet bei Neukauf unverändert um die 280 Euro. Wer jedoch beide Programme auf einen Schlag erwerben will, zahlt für das Bundle attraktive 400 Euro. Up- und Sidegrades sind entsprechend günstiger zu haben (siehe Steckbriefe auf den Seiten 60 und 62). 

Am spektakulärsten fallen natürlich die Neuheiten von Reason 5 auf, denen wir uns als erstes widmen wollen. Zwei neue Instrumente finden sich jetzt im Lieferumfang: Kong, ein opulent ausgestattetes Drum-Instrument mit allen Schikanen (siehe Kasten auf Seite 56) sowie eine überarbeitete und erweiterte Version des alten Dr. Rex-Players, der seine Wiederauferstehung in Form des Dr. Octo Rex Instruments erfährt. Anstelle eines Rex-Files lassen sich ab sofort bis zu acht Loops laden und aus einer Instanz heraus ansteuern und abspielen. Wer bei der Produktion von Musik verstärkt mit Loops arbeitet, kann sich ab sofort den Aufruf mehrerer Dr. Rex-Instanzen im Rack sparen. Das sorgt nicht nur für Übersichtlichkeit beim virtuellen Verkabeln der Module, sondern wirkt sich ausweislich unseres Tests auch positiv auf die Computer-Performance aus. Ein neu integrierter Slice-Edit-Modus bietet zudem einen bisher einzigartigen Eingriff in die Teilsamples eines Rex-Files (siehe Kasten auf Seite 56). Unabhängig vom Einsatz des Dr. Octo Rex ist die Performance von Reason und Record sowohl einzeln als auch in Kombination verbessert worden. Grund: Beide Programme sind auf den Betrieb mit Mehrkern-Prozessoren optimiert worden. Der Systemleistungs-Bildschirm des Windows-Taskmanagers zeigt im Vergleich zu den Vorversionen eine deutlich gleichmäßigere Auslastung der einzelnen Kerne. Auch im integrierten Sequenzer hat sich einiges getan, was zwar bei reinrassigen DAWs wie etwa Cubase, Sonar oder Pro Tools schon lange zur Selbstverständlichkeit gehört, aber immerhin. Reason/Record holt allmählich zu den DAW-Platzhirschen auf und fischt immer mehr in deren Gewässern. So haben die Entwickler sowohl in Reason als auch in Record einen neuen Block-Modus implementiert, der das Produzieren von Musik auf eine patternbasierte Grundlage stellt und vom Prinzip an den Arranger-Track in Cubase erinnert (siehe Kasten auf Seite 58). Viele Anwender dürften sich auch über das neu hinzugefügte Mute-Werkzeug freuen, dessen Fehlen wir im Test von Record bereits monierten und mit dem beide Sequenzer ihr Arsenal an Basis-Werkzeugen zum Bearbeiten von Spuren endlich komplettieren. Gleiches gilt auch für den Noten-Extraktions-Modus, mit dem sich in einem MIDI-Clip Noten unterschiedlicher Tonhöhen separat auf einzelne Lanes (Unterspuren) verteilen lassen. In Cubase ist das ein völlig alter Hut, aber in Reason/Record ein weiterer sinnvoller Beitrag zum Optimieren des Workflow. Reason 5 hat darüber hinaus eine Menge mehr an weiteren Verbesserungen erfahren, die unmöglich alle en detail beschrieben werden können, wie etwa neue Ansichts-Optionen auf der Rack-Rückseite zur übersichtlichen Anzeige der Verkabelungen, Audio-Eingänge im Reason-Audio-Interface, mit denen sich die Workstation als live einsetzbares Effekt-Gerät verwandelt oder der Vocoder mit Audiomaterial quas von außen füttern lässt. Dazu zählt auch der aus Record entlehnte Song-Navigator, der eine scrollbare Miniatur-Ansicht des Projekts zeigt und gleichzeitig zum Zoomen im Arrangement dient, hierarchisch aufgebaute Unter-Menüs im Combinator-Modul zum übersichtlichen Sortieren der darin enthaltenen Effekte/Instrumente, das Steuern des Transport-Felds über die Zifferntasten des Haupt-Keyboards – ein Segen für den Betrieb der Propellerhead-Produkte mit einem Laptop – oder den Tap-Button im Transport-Feld, mit dem sich das Tempo des Projekts bequem ändern lässt. Das in unseren Augen kreativste Highlight an Reason 5 ist jedoch die Möglichkeit zum Anfertigen eigener Samples im Live-Betrieb. Propellerhead besinnt sich damit auf alte Tugenden aus den Anfängen der Sampler-Ära und gibt dem Anwender ein fast schon vergessenes Feature wieder in die Hand, das uns zuletzt beim Test des virtuellen Samplers Morgana begeistern konnte (Test in Heft 7/2008). Schluss mit Samples von der Stange, hin zu Eigenschöpfungen lautet die Devise. Propellerhead fordert den Anwender damit auf, selbst kreativ tätig zu werden, ein nicht zu unterschätzendes Plus im Vergleich zum Großteil der virtuellen Sampler, die sich zumeist auf das Abspielen vorgefertigter (Multi-)Samples beschränken. Das Erstellen eigener Samples, mono wie stereo, ist dabei denkbar einfach. Jedes Sample-basierte Instrument, also die beiden NN-Sampler, Kong und auch Redrum besitzen jetzt unscheinbar Wellenform-Buttons. Dr. Octo-Rex ist übrigens als reiner Rex-File-Player davon ausgenommen. Ein Druck auf den Button lässt einen Recording-Dialog erscheinen, der sogleich mit der Aufnahme beginnt. Wichtig: Damit Audio-Signale erfolgreich gesamplet werden können, müssen die neu hinzugefügten Audio-Eingänge auf der Rack-Rückseite jedes Sample-Instruments mit dem für das Samplen gewünschten Audio-Kanal des Rack-Audio-Interfaces verbunden werden, was blitzschnell geschehen ist. Nach Abschluss der Aufnahme drücken wir im Recording-Dialog den Stop-Button und das Sample ist in dem Sound-Slot ohne weiteres spielbereit, dessen Wellenform-Button wir zuvor gedrückt haben. Allerdings sieht die Realität zumeist anders aus, denn wir sind in den meisten Fällen nicht direkt spielbereit beim Drücken des Sample-Buttons, was immer ein Beschneiden des Sample-Anfangs erfordert. Schön wären daher verschiedene Optionen für das Starten des Sampling-Vorgangs wählen zu können. Die notwendigen Arbeiten an den eigenen Elaboraten lassen sich im extra dafür entwickelten Wellenform-Editor bequem vornehmen. Er enthält die wichtigsten Bearbeitungs-Funktionen wie das Trimmen und Normalisieren der Samples. Wer mag kann mit der Maus bestimmte Bereiche der Wellenform markieren und gezielt bearbeiten. Dazu lässt sich bei Bedarf in und aus der Wellenform zoomen. So muss es sein. Das Umkehren der Wellenform, Fade-ins und
-outs sind möglich und natürlich auch das Erstellen eines Loops sowie eines einfachen Crossfades. Insgesamt offeriert der Editor damit die wichtigsten Bearbeitungsmöglichkeiten, mit denen wir die meiste Zeit im Test bestens klar kommen. Wer beim Sample-Editor auf die Option spekuliert, Samples in Slices aufzuteilen, um sie tempounabhängig abspielen zu können, wird jedoch enttäuscht. Dies ist nach wie vor kostenpflichtig und ausschließlich über die Recycle-Anwendung aus gleichem Hause möglich, was jedoch verständlich ist. Wir sind jedenfalls mit den gebotenen Möglichkeiten vollauf zufrieden.

Im Vergleich zu Reason 5 sind die Neuheiten in Record 1.5 nicht ganz so zahlreich ausgefallen, aber es handelt sich ja auch nicht um ein Major-Update. Die Neuheiten in Record konzentrieren sich logischerweise auf sämtliche neuen Sequenzer-Features aus Reason 5, wie das bereits erwähnte Mute-Werkzeug, den Noten-Extraktions-Modus sowie den Block-Modus. Komplett neu und nur in Record anzutreffen, ist das Neptune-Tonhöhen-Korrektur-Modul (siehe Kasten auf Seite 57), das im Test durch seine Ausstattung, einfache Bedienbarkeit und seine Echtzeitfähigkeit punktet. Klanglich braucht sich das spektakulärste Novum der Version 1.5 wahrlich nicht zu verstecken. Moderat eingesetzt, sorgt es für ein behutsames und subtiles Angleichen von Gesangsmelodien. Absichtlich extrem eingesetzt, lässt sich Audiomaterial nachhaltig verfremden, leicht angezerrte Roboterstimmen und der Cher-Effekt lassen grüßen. In Sachen Klangqualität spielt es in derselben Liga wie das in Cubase 5 eingeführte PitchCorrect-Plug-in (Test in Heft 4/2009). Mit der zusätzlich implementierten Pitch-Shifting-Option und dem ebenfalls sehr gut klingenden Voice-Synthesizer ist Neptune seinem Cubase-Konkurrenten jedoch haushoch überlegen und empfiehlt sich als Universal-Werkzeug rund um das Bearbeiten von Tonhöhen. Extreme Transponierungen von Audiomaterial enthalten erstaunlich wenig klangliche Artefakte, der Einsatz des Voice-Synthesizers erinnert immer wieder an den charakteristischen Sound von Vocodern. Zusammen mit dem von Anfang an implementierten und sehr gut klingenden Time-Stretch-Algorithmus verfügt Record 1.5 jetzt über mächtige Werkzeuge zum Angleichen von Tonhöhe und Tempo und schließt in diesen Disziplinen zu den Platzhirschen auf. Weniger spektakulär fallen dagegen weitere Record-exklusive Features aus, wie das Skalieren von Clips, die ab sofort beliebig verlängert oder verkürzt werden können sowie das Normalisieren und sogar Umkehren von Audio-Clips. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben, was auch die damals im Test der Einser-Version angemerkten Kritikpunkte samt und sonders betrifft. Record ist nach wie vor ein in sich geschlossenes System und kann nur als Rewire-Slave fungieren. Drittanbieter-Plug-ins müssen nach wie vor draußen bleiben, was schade ist. An der Ausstattung der Soundpalette im ID-8 Instrument hat sich ebenfalls nichts getan, wiewohl es ein Leichtes wäre zumindest die Zahl an verfügbaren Sounds aufzustocken. Die Mitbewerber zeigen sich in dieser Hinsicht deutlich spendabler. Aber wer weiß, vielleicht hebt sich Propellerhead das Ausmerzen dieser Kritikpunkte für Record 2 auf. Zu empfehlen wäre es in jedem Fall und würde wie ein mächtiger Paukenschlag daherkommen.

Kong Drum-Designer:

Klopfgeist mit allen Schikanen!
Optisch eifert der Kong Drum-Designer, nicht zuletzt wegen der 16 Trigger-Pads, den MPC-Groove-Boxen von Akai nach. Durch Ausklappen der Programmer-Sektion zeigen sich jedoch rasch individuelle Unterschiede. Pro Pad lassen sich in der Modul-Sektion vier verschiedene Klangerzeuger auswählen: der NN-Nano Sampler, der Nurse Rex Loop-Player zum Laden und Abspielen von (Multi-)Samples und Rex-Loops sowie ein Analog- und Physical Modeling-Synthesizer. Für fast jedes Schlaginstrument ist dabei ein eigenes Synthesizer-Modul wählbar, das eine Reihe von individuellen Parametern zum detaillierten Ausformen des Drumsounds offeriert. Zur Auswahl stehen Module für Bass- und Snaredrum sowie Toms und Hihat (nur Analog). Pro Sound-Modul stehen zwei Effekt-Slots – per Routing-Dialog als Insert- oder Send-Effekte nutzbar – zum weiteren Ausformen des Sounds zur Verfügung. Ein Master- und Bus FX-Slot bieten zudem die Möglichkeit, Effekte auf alle Pads anzuwenden. Die Palette an üblichen Studio-Effekten ist zielgerichtet auf Drumsounds ausgelegt und enthält zusätzlich Exoten wie einen Rausch- und Tongenerator und den sogenannten Rattler, der das Geräusch eines Snareteppichs simuliert. Über den Pad-Settings-Dialog ist es schließlich möglich, Sounds und Pads nach allen Regeln der Kunst zu organisieren, sei es das Gruppieren mehrerer Pads zum Ansteuern desselben Moduls oder zum Abspielen mehrerer Pads zur gleichen Zeit oder das Programmieren und Abspielen verschiedener Soundvarianten auf ein oder mehrere Pads. Mit den gebotenen Möglichkeiten zur Klangformung katapultiert sich Kong vom Fleck weg an die Spitze der in  Reason enthaltenen Drum-Instrumente. Highlights sind die Analog-Sound-Module, die gerade im Zusammenspiel mit den Effekten eine gewaltige Vielfalt an Sounds bereitstellen und die mit klassischen Sounds alter Drumcomputer beginnt und bis hin zu völlig abgedrehten Effektsounds und böse verzerrten Spektren reicht. Die berühmte TR 808 Humming-Drum ist damit ein Kinderspiel, die herrlich-scheußlichen Simmons-Drum-Toms sind ebenfalls ein Klacks. Sound-Bastler werden gerade mit diesen Modulen ihre wahre Freude haben. Gleiches gilt auch für die Physical Modeling-Module, wenngleich sie im Test hinsichtlich authentisch klingender Akustik-Sounds nicht ganz überzeugen können und mehr als Lieferant für intensives Sounddesign und weniger als Festplatten-schonende Alternative zu Samples fungieren.

Dr. Octo Rex:

Dr. Rex war gestern, Dr. Octo Rex ist heute. Der bisherige Rex-File-Player wurde einem Redesign unterzogen und bietet jetzt die Möglichkeit, in einer Instanz acht Files zu laden und abzuspielen. Die bisherige Bedienoberfläche mit Wellenformdarstellung und Parametern zum Eingriff in den Sound des Loops wurde zugunsten der acht Sound-Slots in eine Programmer-Sektion verbannt. Dort findet sich das vom Dr. Rex gewohnte Arsenal an Bedienelementen zum Einstellen unter anderem der zwei Hüllkurven, des LFOs und des Filters. Neu ist hingegen der per Button aktivierbare Slice Edit Modus. Anders als die Drehregler im Display, die Einfluss auf den gesamten Loop nehmen, lassen sich in diesem Modus – Nomen est Omen – separat für jeden Slice/Teilsample Einstellungen vornehmen. Die Bedienung ist denkbar simpel. Einfach den gewünschten Parameter im Display anklicken und anschließend per Maus den Parameterwert im gewünschten Slice graphisch ändern. Slices sind unter anderem in der Tonhöhe, im Pegel und Panorama änderbar. Wer mag kann zudem einen Filter anwenden und Slices sogar rückwärts abspielen. Im Test erweist sich gerade der Slice Edit Modus als willkommenes und nicht mehr wegzudenkendes Feature mit dem wir Loops bis zur Unkenntlichkeit verwursten. Behutsam eingesetzt, erhalten die Sounds eine gehörige Portion an Lebendigkeit und Dynamik. Für diese sinnvolle wie geniale Weiterentwicklung gibt’s in jedem Fall ein Sonderlob.

Neptune:

Nie wieder schiefe Töne!
Unumstrittenes Highlight in der neuen Record-Version ist das Neptune-Modul, das auf vielfachen Kundenwunsch hin entwickelt wurde. Im Zentrum des Moduls steht die Echtzeit-Tonhöhen-Korrektur einstimmigen Audio-Materials à la Antares Autotune oder zplane Elastique. Tatsächlich offeriert Neptune sogar drei Funktionen, die sich additiv aufschalten lassen. Außer der Tonhöhen-Korrektur steht ein Pitch-Shifting-Algorithmus nebst Formant-Korrektur zum Transponieren von Material zur Verfügung sowie ein speziell auf Vokal-Sounds ausgerichteter Synthesizer mit dem sich blitzschnell Vokal-Aufnahmen andicken lassen, so als ob der Aufnahme-Take gedoppelt wurde oder ein mehrstimmiger Chor singt. Hierbei akzeptiert Neptune selbstverständlich polyphon gespielte Passagen via Keyboard. Die Tonhöhen-Korrektur ist wahlweise automatisch oder manuell per Eingabe von MIDI-Noten oder durch Betätigen des integrierten Pitchbend- oder Modulationsrads durchführbar. Beim Spielen auf dem Keyboard akzeptiert Neptune für die Tonhöhen-Korrektur ausschließlich einstimmige Melodien. Darüber hinaus ist die automatische Korrektur solange deaktiviert, wie MIDI-Noten empfangen werden. Im zentralen Display von Netpune werden die nötigen Einstellungen für die automatische Tonhöhen-Korrektur vorgenommen. Dort lässt sich die Tonleiter auswählen, auf die das eingegebene Audio-Material angepasst werden soll. Außer Dur und chromatisch, stehen die Modi Moll harmonisch und rein sowie dorisch und mixolydisch zur Auswahl. Die Tonart wird über das virtuelle Keyboard angewählt. Zusätzlich lassen sich gezielt Töne auswählen, die unabhängig von der eingestellten Tonart in die Korrektur einfließen sollen. Über den sogenannten Catch Zone Size Fader definieren wir, ähnlich wie ein Quantisierungsraster für MIDI-Daten, den Tonhöhen-Bereich, der zur Analyse herangezogen wird. Je größer dieser Bereich ist, desto größere Tonhöhen-Schwankungen und sogar Intervalle werden vom Algorithmus erkannt und korrigiert. Bereiche, die nicht von der Catch Zone erfasst sind, bleiben unberücksichtigt. Die Parameter zum Einstellen der Korrektur-Geschwindigkeit und zum Beibehalten des stimmlichen Ausdrucks üben dabei den stärksten Einfluss auf das Ergebnis aus. Je nach Einstellung klingen die korrigierten Signale subtil, fast unhörbar korrigiert. In Extremstellung der Regler stellt sich der berühmt-berüchtigte Cher-Effekt ein, bei dem Intervallsprünge blitzartig und künstlich klingen.

Wie das Spielen mit Bauklötzen:Der Block_Modus:

Mit dem Block-Modus findet sich sowohl im Reason-, als auch im Record-Sequenzer eine neue Option zum Erstellen von Arrangements, die sich per Button wahlweise mit dem Song-Modus abwechselt. Sinn und Zweck: Der Block-Modus erlaubt das Programmieren von Pattern, die sich im Song-Modus über die neu hinzugefügte Block-Spur schnell und komfortabel einfügen lassen und so ein unkompliziertes Erstellen von Arrangements ermöglichen. Bis zu 32 verschiedene Blocks/Pattern lassen sich in einem Projekt programmieren. Die Spurliste in beiden Modi ist hierbei identisch. Doch der Reihe nach. Wir rufen den Block-Mode auf, wählen einen Block per Ausklapp-Liste aus, geben ihm einen sprechenden Namen, etwa „Strophe“, erzeugen die gewünschte Zahl an Spuren und Instrumenten und erstellen das dafür vorgesehene Arrangement. Die Taktlänge des Blocks ist dabei frei wählbar. Wieder zurück im Song-Modus, zeichnen wir in die Block-Spur die gewünschte Abfolge der einzelnen Pattern ein. Block-Clips, die länger oder kürzer als das eigentliche Arrangment des Blocks sind, werden bis zum Ende des Clips dabei einfach solange wie nötig wiederholt beziehungsweise unterbrochen. Song-Blöcke legen sich im Song-Modus halbtransparent auf das Arrangment-Fenster, die sozusagen eine Ebene unterhalb der aufzunehmenden Spuren des Song-Modus agieren. Daten, die im Song-Modus aufgenommen werden, legen sich hierbei auf die oberste Ebene und über die Spuren des Blocks und schalten deren Wiedergabe automatisch stumm. Sinn und Zweck: Durch simples Einzeichnen leerer Clips oder durch Einspielen musikalischer Variationen lassen sich dadurch unkompliziert Teile des Blocks stumm schalten und auf diese Weise mannigfaltige Variationen von Blocks erstellen. Per Mute-Werkzeug sind zudem ganze Spuren eines Blocks deaktivierbar. Produzenten aus dem Bereich Dancefloor oder Anwender von Groove-Boxen à la Akai MPC 5000 werden den Block-Modus ohne Wenn und Aber als die vielleicht wichtigste Neuheit im Reason-/Record-Paket begrüßen.

Reason im Überblick:

Reason ist eine in sich geschlossene komplette Arbeits-Umgebung zum Produzieren von Musik. Kern des Konzepts markiert die virtuelle Nachbildung eines 19-Zoll-Racks, das mit Mixern, Instrumenten und Effekten belegt wird. Die Nachahmung geht dabei sogar so weit, dass sich per Tastendruck die Rückseite des Racks aufrufen lässt und die Verkabelung der einzelnen Module zeigt, die selbstverständlich auch manuell verändert werden können. Besonderheit: Außer Audio-Verbindungen lassen sich auch CV-Ein- und -Ausgänge von Modulen miteinander verknüpfen. Auf diese Weise lassen sich Komponenten eines Moduls, etwa die Oszillator-Tonhöhe von Modulatoren anderer Module, etwa einem LFO, automatisch steuern, was Reason die hohen Weihen großer modularer Synthesizer-Systeme verleiht. Ein integrierter Sequenzer erlaubt ausschließlich die Aufnahme von MIDI-Daten und das Erstellen ganzer Arrangements mit denen die einzelnen Module angesteuert werden. Der Sequenzer verfügt dazu über die übliche Ausstattung um MIDI-Daten nach allen Regeln der Kunst zu bearbeiten, Piano-Rollen-Editor und Automationsspuren inklusive. Um Reason ans Laufen zu bringen, muss zunächst ein Mixer eingesetzt werden, an den sich, wie im richtigen Leben, Klangerzeuger und Effekte anschließen lassen, was automatisch erfolgt. Im Sequenzer wird gleichzeitig für jedes Instrument eine dazu korrespondierende Spur erzeugt. Effekte lassen sich wahlweise über die Aux-Wege des Mischpults in den Signalfluss einbinden oder durch Andocken an den Klangerzeuger direkt als Insert-Effekt nutzen. Umfangreiche Effekt-/Instrumenten-Patches werden am Besten mit dem Combinator-Modul erzeugt, das als leerer Container eine beliebige Anzahl an Klangerzeugern und/oder Effekten aufnehmen kann und wie ein einzelnes Modul angesteuert/gespielt wird. Mächtige Stack-Sounds oder komplexe Effekt-Ketten sind damit komfortabel erstellt. Ein Pattern-Sequenzer und ein Arpeggiator bieten zusätzliche Optionen zur Ansteuerung von Instrumenten. Zur besseren Übersicht lassen sich Rack und Sequenzer voneinander trennen und in separaten Fenstern aufrufen. Die Einbindung von Reason in Sequenzer wie etwa Cubase oder Pro Tools erfolgt dabei ausschließlich über die Rewire-Schnittstelle, die von Propellerhead zusammen mit Steinberg entwickelt wurde. Arrangements können nach Abschluss der Arbeiten als Wav- oder Aiff-File in einer Qualität bis zu 24 Bit und 96 Kilohertz aus Reason exportiert werden.

Record im Überlick

Record ist Propellerheads eigene Version eines waschechten Sequenzers, der das 19-Zoll-Rack-Konzept auf diese Software-Gattung erfolgreich überträgt und gewohnte Arbeitsprozesse mit Hardware-Geräten virtuell reproduziert. Record enthält drei Fenster, die sich wahlweise gemeinsam in einem Fenster oder als separate Dialoge aufrufen lassen. Aus Reason bekannt ist der Sequenzer, der jetzt auch Audio-Material aufnehmen kann und das 19-Zoll-Rack, das die Effekte und Instrumente enthält inklusive aufrufbarer Rückseite und der Möglichkeit Routings manuell vorzunehmen. Einen Mixer sucht man dort jedoch vergeblich. Dafür ist jede Sequenzer-Spur in Form einer Blende dort repräsentiert, die eine Reihe von einstellbaren Parametern wie Mute und Solo sowie vier Macro-Regler zum Editieren der Insert-Effekte offeriert. Unterhalb der Spurblende lassen sich die Insert-Effekte einsetzen. Das aus Reason bekannte Combinator-Modul ist selbstverständlich auch in Record enthalten und sorgt für Übersichtlichkeit. Der vermisste Mixer feiert hingegen fröhliche Urständ als eigener Dialog und ahmt optisch sowie ausstattungsseitig eine moderne SSL-Konsole nach, inklusive Kompressor/Gate/Expander in den Channelstrips und dem Summen-Kompressor. Anders als im Original erlaubt eine zusätzliche Insert-Sektion den Eingriff in Parameter der Kanal-Insert-Effekte. Klanglich reicht der Mixer zwar nicht an die Vorlage heran, was auch niemand ernsthaft erwartet. Doch durch die liebevolle Reproduktion des Hardware-Originals sind die Arbeitsabläufe identisch zur Arbeit mit der Hardware. Einziges Manko: Record verfügt nur über eine Rewire-Schnittstelle und bietet keine Möglichkeit zum Einbinden von Drittanbieter-Plug-ins. Dafür lässt sich Reason nahtlos in Record integrieren, was zu einem Aufstocken an Instrumenten und Effekten führt und aus der Kombination beider Produkte ein mächtiges Produktions-Werkzeug macht. 

Fazit

Propellerhead hat sowohl Reason als auch Record mit einer Reihe neuer Features ausgestattet, mit der das Arbeiten künftig noch komfortabler über die Bühne geht. Dabei übernimmt Reason 5 eindeutig die Hauptrolle. Die Zahl an augenscheinlichen Neuheiten wie das Kong-Instrument, der Dr. Octo-Rex-Player und der Block-Modus ist zwar nicht so umfangreich. Dafür finden sich viele kleine Detailverbesserungen, die den Workflow deutlich beschleunigen, ihn komfortabler gestalten und automatisch die Frage aufkommen lässt, wie man zuvor noch ohne diese Verbesserungen leben und arbeiten konnte. Record profitiert in der Version 1.5 insoweit vom Reason-Update, als das die Entwickler sämtliche neuen Sequenzer-Features aus Reason auch in Record verfügbar machen, nicht zuletzt aus dem Grund, um beide Programme in Kombination miteinander auf gleiche Höhe zu bringen. Die Kritikpunkte in Record sind jedoch nach wie vor existent und harren ihrer Beseitigung. Festzuhalten bleibt dennoch, dass Reason und auch Record ein Stück weit reifer und erwachsener geworden sind. In Kombination miteinander holen sie im Vergleich zu klassischen DAWs langsam aber sicher auf.

Erschienen in Ausgabe 10/2010

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 279 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: sehr gut