Samples adé
Das schwedische Softwareunternehmen Wallander Instruments will mit seiner Kollektion an Bläserinstrumenten die Riege der virtuellen Sampler ordentlich aufmischen und verspricht authentischen Klang und einzigartige Spielbarkeit. Und das ohne ein einziges Sample.
Von Carina Schlage
Gesampelt und aufgenommen wurde im Hause Wallander Instruments durchaus, jedoch nur, um den Klang von Blech- und Holzbläsern analysieren und auf Basis von physikalischen Modellen re-synthetisieren zu können. Wer dabei jetzt an Physical Modeling denkt, der sei eines Besseren belehrt, denn wie Arne Wallander, Namensgeber und kreativer Kopf des Stockholmer Unternehmens, erklärt, verhalte sich WIVI zwar wie ein physikalisch modelliertes Instrument, die Software sei tatsächlich aber ein fein abgestimmter additiver Synthesizer. Die Physical Modeling-Technik hingegen, die in durchaus überzeugender Weise bereits in virtuellen Instrumenten wie zum Beispiel dem Pianoteq von Modartt (Test in Ausgabe 09/2007) zum Einsatz kommt, brächte viele Probleme mit sich wie die hohe Komplexität und den für viele Instrumente immer noch unbefriedigenden Klang. Genau hier will Wallander ansetzen. Durch Addition von Sinuswellen auf Basis des aufgenommenen Materials und der Analysen sollen seine virtuellen Instrumente in Timbre und Klangverhalten perfekte Abbilder der akustischen Originale und wesentlich flexibler und spielbarer als jede Sample-Library sein. Ob und wie dieses ehrgeizige Vorhaben gelungen ist, wollen wir im ausführlichen Hör-, und Praxistest herausfinden.
Bei den WIVI Collections handelt es sich – wie der Name suggeriert – um Sammlungen von akustischen Instrumentengruppen, die einzeln erhältlich und erweiterbar sind. Alle Instrumente werden in den mitgelieferten Visual Player geladen, der seit Februar 2009 in der Version 2.22 vorliegt. Das Plug-in unterstützt die VST-, RTAS-, und AU-Schnittstelle und kann auf Windows-PC und Mac in jedem gängigen Sequenzer verwendet werden. Zum Test treten die bisher erhältlichen Collections Brass 1 sowie Woodwinds 1-3 an. Brass 1 ist mit 529 Euro die teuerste der Kollektionen, Woodwinds 1 schlägt mit 349 Euro zu Buche, Woodwinds 2 und 3 mit jeweils 259 Euro. Beim Öffnen der Software-Verpackung macht sich zunächst großes Erstaunen breit, denn statt der erwarteten CD findet sich darin lediglich ein A4-Blatt mit dem Aktivierungscode und der Webseitenadresse, von der wir uns nach erfolgreicher Eingabe des Codes die Installationsdateien herunterladen müssen. Danach ist erfreulicherweise keine weitere Autorisierung erforderlich.
Der Visual Player als Basis der Software bildet eine grafische Umgebung in Form einer virtuellen Bühne ab, auf der man sich selbst als Hörer („Audience“) und das jeweilige Instrument bewegen kann. Nach dem Öffnen fällt das Augenmerk sofort auf die virtuelle Bühne, die zunächst noch leer ist. Nur die Audience in Form einer menschlichen Figur ist bereits vorhanden und wartet darauf, dass sich die Bühne mit Leben beziehungsweise mit Instrumenten füllt. Dafür genügt ein simpler Klick auf das Plus-Zeichen und schon erscheint das erste Preset, in unserem Fall eine Piccolo-Flöte. Über den Load-Button lässt sich wahlweise auch ein vorgefertigter Patch mit mehreren Bläsern laden. Mit dem Browser steppen wir durch die Bibliothek installierter Presets und wählen eine Trompete. WIVI sortiert die Bläsergruppen dabei praktischerweise entsprechend ihrer Partituranordnung – vom höchsten zum tiefsten Instrument – so dass wir uns in der Bibliothek schnell zurechtfinden. Ein erneuter Klick auf das Plus-Zeichen fügt einen weiteren Bläser hinzu, der die Parameter des jeweils vorhergehenden erbt. Mit dieser einfachen Methode haben wir im Handumdrehen ein kleines Blechbläserensemble zusammengestellt. Zum Entfernen eines ausgewählten Instruments klicken wir einfach auf das Minus-Zeichen am linken unteren Rand der Bühne. Die Anzahl ladbarer Instrumente ist praktisch unbegrenzt. Im Test schaffen wir es nicht, mit über 500 geladenen Hörnern unseren Studiorechner auch nur ansatzweise ins Schwitzen zu bringen. Limitiert ist nur die Polyphonie mit 128 Stimmen sowie die übliche maximale Anzahl von 16 MIDI-Kanälen.
Die hinzugefügten Instrumente können mithilfe ihres Markierungskreises nicht nur frei im Raum bewegt sondern auch in ihrem Spiel-, beziehungsweise Abstrahlwinkel gedreht werden. Dabei ist der Benutzer nicht auf die Bühne beschränkt, sondern kann sich auch außerhalb dieser bewegen und seiner Phantasie freien Lauf lassen. Warum nicht mal die Posaune aus dem Zuschauerraum in Richtung Bühne blasen lassen? Und das ist erst der Anfang. WIVI berechnet die Klangeigenschaften jedes Instruments automatisch in Referenz zur Position der Audience. Auch diese kann frei im Raum bewegt und gedreht werden. Da beide „Ohren“ des virtuellen Hörers als separate Einheiten behandelt werden, ändert sich der Klang sensibel zur jeweiligen Position und Drehung. Selbiges gilt natürlich auch für ¬Reflektionen von den simulierten Wänden und Decken. Wenn Sie also schon immer einmal hören wollten, wie das Blasorchester aus Position des dritten Hornisten klingt, mit WIVI können Sie sich auf virtueller Ebene an seine Stelle begeben. Die Instrumenten-Presets gefallen uns auf Anhieb. Möchte man den Sound dennoch feinabstimmen, bieten die In¬strument-Panels auf der rechten Seite des Plug-ins mit jeweils fünf Panel-Buttons eine Fülle von Parametern für gezielte Klangeingriffe in jedes Instrument. Unter „General settings“ werden wichtige MIDI-Controller-Einstellungen vorgenommen. Auch der Tonumfang lässt sich ins Unrealistische ändern, die Voreinstellung in jedem Preset entspricht dem physikalisch möglichen Spielumfang.
Die Stimmung jedes Bläsers kann weit jenseits der werckmeister’schen Wohltemperierung für jeden Ton einzeln verändert oder als Preset (beispielsweise die pythagoreische Stimmung) im Panel „Instrument Tuning“ geladen werden. Von der einfachen Oktavspreizung bis zum völligen „Out of tune“ ist hier alles möglich. Hinter „Pressure dependence“ verbirgt sich ein sehr interessantes Feature: Bei Bläsern verändert sich mit dem Anblasdruck auch die Intonation nach oben oder unten. Diese Abhängigkeit und ihr Grad wird bei der Klangerzeugung in WIVI berücksichtigt und kann vom Benutzer selbst definiert werden. Außerdem generiert die Software beim Hinzufügen eines Instruments automatisch einen zufälligen Intonationsfehler, welcher der Statik programmierter Bläsersätze entgegen wirken soll. Diese Rechnung scheint aufzugehen, denn im Test erklingen vierstimmige Bläsersätze wunderbar organisch. Beim Unisono-Spiel von zwei Trompeten, haben wir das Gefühl, dass auch tatsächlich zwei Trompeten spielen, da jede – wie in der Realität – ein wenig anders intoniert.
Einer der wichtigsten Parameter für die Erzeugung authentischer Bläserklänge ist ein lebendiges Vibrato. WIVI erzeugt dieses mithilfe zweier LFOs. Der erste bewirkt ein „normales“ Vibrato, der zweite erzeugt „Flattertöne“. Die Software stellt dem Benutzer hierbei ungewöhnliche Features bereit. So kann man im Panel „Vibrato control“ neben den üblichen Größen wie Modulationstiefe und -geschwindigkeit auch die Zeit einstellen, ab der das Vibrato bei einem gespielten Ton einsetzen soll. Ebenso berechnet die Software auch hier eine bestimmte definierbare Abweichung. Allerdings ist diese mit Vorsicht zu genießen. Beim Ausprobieren der Werksklänge müssen wir die voreingestellte „Random Deviation“, wie der Parameter benannt ist, besonders bei den Holzbläsern immer wieder zurückschrauben, da diese sonst unnatürlich „leiern“. Die Steuerung des Vibratos legen wir uns auf den Aftertouch-Controller des Master-Keyboards und erzeugen so ein manuelles, sehr lyrisches Vibrato, das in dieser Dynamik keine uns bekannte Sample-Library bieten kann.
Wer noch tiefer in die Klangformung seiner Instrumente einsteigen will, kann sich im Panel „Tone/Timbre“ nach Herzenslust austoben. Anblas,- und Klappengeräusche können in Lautstärke und ihrer dynamischen Tonhöhenänderung angepasst werden. „Formant shifting“ ist einer der mächtigsten Parameter in WIVI und dient der gezielten (Ver-)Formung des Klangs. Eine Verschiebung des Formanten nach unten ist gleichbedeutend mit einer Vergrößerung der Luftsäule, umgekehrt verkleinert sie sich, verlagert man den Formanten nach oben. Im Test generieren wir mithilfe dieses Parameters aus dem Klarinetten-Preset einen fagottähnlichen Klang. Experimentelle Klangschrauber kommen ebenso auf ihre Kosten, denn es lässt sich auch eine Posaune mit den Dimensionen eines Alphorns gestalten. Für einige Instrumente (wie den Blechbläsern) kann man im Panel „Tone/Timbre“ eine Vielzahl von Dämpfern (wie Plunger, Bucket, Harmon) auswählen. Diese klingen durchweg überzeugend. Für die Flöte aktivieren wir stattdessen den „Overblow mode“ und erzeugen über das Modulationsrad authentisch wirkende Überblas-Effekte.
Mit der benutzerdefinierten Klanggestaltung der Instrumente haben sich die WIVI-Entwickler jedoch nicht zufrieden gegeben. So spendieren sie ihrem virtuellen Instrument zusätzlich einen eigenen kleinen Sequenzer – den so genannten „Sequence Editor“. Dieser lässt sich im Panel „Control parameters“ an- und abschalten. Durch Klick auf das Notensymbol öffnet sich der Editor und erinnert optisch sogleich an typische Piano-Roll-Fenster etwa in Cubase. Mit wenigen Klicks erstellen wir eine kleine Sequenz für jedes Instrument unseres Blechbläserensembles. Sogar die Werte von vier MIDI-Controllern, beispielsweise Breath und Pitchbend, können wir innerhalb dieses Editors ändern, ohne den Host-Sequenzer bemühen zu müssen. Der Sequence Editor dient dabei vornehmlich als eine Art erweiterter Arpeggiator, der sich hervorragend für ostinate Motive einsetzen lässt, wie sie oft in Film,- und Fernsehmusik Verwendung finden. Ein Blick auf die mitgelieferten Sequence-Presets lohnt sich.
Das Panel „Control parameters“ bietet noch einige weitere interessante Möglichkeiten. Unter „Polyphonic mode“ lässt sich jedem Instrument eine Note eines Akkordes zuweisen, um bequem harmonisch richtige, polyphone Sätze mit einem Keyboard spielen zu können. Wahre Begeisterung kommt beim Ausprobieren des „Randomizers“ auf. Mit ihm können Timing,- und Tonhöhenschwankungen für jedes Instrument eingestellt werden, was sehr zum Realismus eines gespielten Satzes beiträgt. So lassen wir als Extrem die Trompete in unserem Ensemble immer eine halbe Sekunde zu spät einsetzen, während die Tuba erst nach zwei Sekunden den korrekten Ton trifft. Solch amüsante Ungenauigkeiten lassen kaum noch auf programmierte Klänge schließen. Viele Parameter in diesem Panel bewirken nur sehr subtile Klangänderungen, wie beispielsweise „Performance Jitter“, womit tieffrequente Störgeräusche, die beim Anblasen entstehen, hinzugefügt werden können. Andere dagegen greifen drastisch in den Sound ein, wie der „Breath Envelope“, eine Art ADSR-Hüllkurve, die den Klangverlauf steuert.
Erfreulicherweise wird der Benutzer im Angesicht der Unmenge an Einstellmöglichkeiten nie allein gelassen. Beim Doppelklick auf einen Parameter, erscheint ein Hilfefenster mit einer sehr verständlichen Erklärung desselbigen.
Nicht nur die Instrumente können im WIVI-Player detailliert gestaltet werden. Auch die individuelle Formung des virtuellen Raumes ist möglich. Hierfür finden sich auf der linken Seite neben der Bühne die Main Panels mit fünf Buttons. Im Panel „Room Settings“ kann der Anwender zwischen fünf Environment-Presets wählen, welche die charakteristischen Eigenschaften eines Konzertsaals, einer Kirche, eines Aufnahme-Studios, eines Theaters und eines reflektionsarmen Raumes nachbilden. In jedem Preset ändert sich auch die grafische Darstellung des Raumes, so als befände man sich tatsächlich an diesen Orten. Die Raumparameter können üppig editiert werden. Soll es ein bisschen mehr nach Liveaufnahme und schlechten Mikrofonen klingen, so kann der geneigte Benutzer durch Zumischen von Mikrofonrauschen und tieffrequenten Störgeräuschen auch das gezielt bewirken. Über Sinn und Unsinn dieser Parameter lässt sich sicherlich streiten. Positiv anzumerken ist auf jeden Fall, dass die Entwickler eben auch an solche Möglichkeiten der Klangformung gedacht haben.
Der virtuelle Raum ist in drei so genannte Layer unterteilt: Direct Sound, Early Reflections und Late Reverb. Diese sind einzeln über die Panel-Buttons erreichbar. Jeder der Layer bietet die gleichen Parameter, wie 4-Band-EQ, Reverb-Time, Pre-Delay, und kann auf einen der sechs separaten Stereo-Ausgänge geroutet werden.
Die einzelnen Layer bieten außerdem Zugriff auf recht außergewöhnliche „Advanced Features“, die die „Audience“, also die Wahrnehmung des Hörers betreffen. Mit „Ear angle“ und „Angle Dependence“ lässt sich das Ohr über das reale Hörempfinden hinaus zum „Kugelmikrofon“ oder im gegensätzlichen Ex-trem zum richtrohrähnlichen Schallem¬pfänger umwandeln. Die Funktionsweise dieser Parameter erschließt sich auch nach Lektüre des sehr guten Handbuchs nur schwer – hier hilft nur Ausprobieren. Die Auswahl über die Samplerate und die verschiedenen Modi Stereo, Mono-kompatibles Stereo – das nicht merklich anders klingt sondern nur in der Phasenlage angepasst ist – und Mono kann im Panel „Global settings“ getroffen werden.
Während des Praxistests wird sehr schnell deutlich, dass die Simulation des Raumes weitaus mehr als nur einen gewöhnlichen Halleffekt erzeugt. Tatsächlich entsteht der finale Klang erst aus der Interaktion des Raumes mit der Spieler-, und Zuhörerposition und ist so gut wie nicht ersetzbar – gerade so wie in der wirklichen akustischen Welt. Einen Eindruck von der Relevanz eines gut klingenden und passenden Raumes bekommen wir, als wir das Room-Preset „Anechoic chamber“ (reflektionsarmer Raum) auswählen. Zwar können wir hier sehr gut die Wirkungsweise der Instrumentenparameter studieren, da quasi kein verwischender Raumanteil vorhanden ist, doch selbst das majestätischste Horn klingt ohne die Reaktion des Raumes pappig und schlapp, da es seinen vollen Klang gar nicht entfalten kann.
Die voreingestellten Environments überzeugen mit einem durchweg sehr guten Klang. Die Einstellmöglichkeiten sind üppig (wohlbemerkt handelt es sich immer noch um ein virtuelles Instrument und kein Hallgerät) und mit den Parametern zur Variation des Hörempfindens sogar recht außergewöhnlich. Die räumliche Darstellung funktioniert hervorragend. Es macht richtig Spaß mit dem Audience-Männchen zwischen Hörnern und Posaunen hin und her zu wandern und die Klangänderungen zwischen Distanz und Nähe zu beobachten. Dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, um ungewöhnliche bis unmögliche Positionen und Klangvorstellungen zu realisieren. Schade nur, dass bei Bewegung der Audience und gleichzeitigem Spielen immer wieder Knackser auftreten. Dies wird auch im Handbuch dokumentiert und ist den Echtzeitberechnungen geschuldet. Herrliche „Zoom“-Effekte, durch Heranfahren der Hörner an die Audience während eines Akkordes, sind daher nur mit Einschränkung möglich.
Die Systembelastung bleibt trotz der Echzeitberechnungen erfreulich gering. Der Umgang mit den Holz,- und Blechbläsern versetzt uns immer wieder in Erstaunen. Nicht nur dass die Handhabung der Software sehr einfach ist – Instrumente können zu Gruppen zusammengefasst, auf grafischen Layern angeordnet und gemeinsam editiert werden – sie ermöglicht auch ein ¬äußerst dynamisches Spiel, ohne sich Gedanken über Keyswitches und Velocity-Layer machen zu müssen. Die Verwendung ¬eines Breath-Controllers ist vorteilhaft, aber nicht zwingend notwendig. Auch mit der Steuerung der Anblasstärke über das Modulationsrad können wir ein lebendiges Klangbild erzeugen. ¬Authentische Triller lassen sich sehr einfach mit dem Wechselspiel zweier Tasten realisieren.
Klanglich überzeugen die WIVI-Collections auf ganzer Linie. Sehr gelungen empfinden wir die Simulation der Blechbläser. Noch nie hat das Spielen virtueller Hörner, Trompeten und Posaunen solch eine Freude bereitet. Schnell erwachen hollywood’sche Filmmusikambitionen oder das Verlangen nach wagner’schen Blechbläsersätzen. Aber auch Jazz-, und Funkliebhaber kommen auf ihre Kosten. Mit den zufälligen Schwankungen in ¬Timing und Tonhöhe lassen sich wunderbar organische Big-Band-Sätze mit „kleinen Fehlern“ umsetzen. Die Holzbläser sind nicht minder gelungen. Hier haben wir jedoch schon eher gezielte Klangeingriffe vorgenommen. Wunderschön erklingt die Konzertflöte, wenn auch das voreingestellte Vibrato für unseren Geschmack ¬etwas zu stark ausfällt. Auch die B-Klarinette überzeugt mit einer Authentizität, die sich besonders in den Übergängen von Tönen mit Klappen-, und Anblasgeräuschen deutlich von der Konkurrenz abhebt. Ihre Schwestern, die kleinere Es-, (aus der Woodwinds 3-Collection) und die A-Klarinette fallen dagegen klanglich etwas ab. In der mittleren Lage erinnert besonders Letztere eher an eine Oboe. Den wunderbar weichen und sonoren Klang der Bassklarinette trifft das virtuelle Pendant vor allem bei leisen Tönen nicht ganz. Die Obertöne treten im pianissimo viel zu stark hervor und es fehlt ein wenig an Wärme. Sehr schön finden wir, dass auch die heute selten anzutreffende Oboe d’Amore in die Bibliothek aufgenommen wurde. Mit den Collections Woodwinds 1 und 2 erhält man schon ein sehr ordentliches Paket an Holzblasinstrumenten, wie sie in jedem Sinfonieorchester Standard sind. Wer die Bläserfamilien komplettieren will oder auf der Suche nach weniger geläufigen Instrumenten wie Bassflöte, Oboe d‘Amore oder Kontrabass-Klarinette ist, dem sei auch die dritte Woodwinds-Kollektion wärmstens empfohlen. Natürlich sind den Spieltechniken und dem Realismus wie bei allen virtuellen Instrumenten Grenzen gesetzt. Horn-Glissandi („Rips“) beispielsweise lassen sich zwar noch recht gut umsetzen; bei filigranen Ausdrucksweisen jedoch wird der geübte Hörer den Klang recht schnell als programmiert „enttarnen“.
Für jeden Bläser stehen zwei bis vier Variationen bereit, die alle auch mehr oder weniger unterschiedlich klingen. So können sehr leicht Mehrfachbesetzungen realisiert werden. Das polyphone Satzspiel auf dem Keyboard fordert ein wenig Einarbeitungszeit, da die Stimmtrennung anfangs nicht immer so funktioniert wie gewünscht. Mit ein wenig Übung gelingen dann aber doch recht schnell gut klingende Sätze – der Einsatz von Modulationsrad und Aftertouch natürlich vorausgesetzt. Spreizt man dann noch die Oktavlage einiger Stimmen, ertönen sehr dicke, wohlige Blech-, und Holzmixturen, die zwar nicht ganz an die Schwere eines real gespielten Orchestersatzes heranreichen, wohl aber in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hierbei um rein synthetisch erzeugte Klänge handelt, zu überzeugen wissen.
Den Vogel schießt WIVI endgültig ab mit der Möglichkeit, selbst in die Rolle des Programmierers zu schlüpfen. Mittels eines einfachen Scripts können Instrumente und Räume selbst programmiert werden – natürlich im Rahmen der Parameter, die durch die Software vorgegeben sind. So lassen sich beispielsweise beim LFO eine Reihe neuer Werte für die Schwingungsfrequenz festlegen, die über einen Zufallsalgorithmus vom Player ausgewählt werden und zu neuen, teils unvorhergesehenen Ergebnissen führen. Das Script wird als so genanntes Template in ein simples Textfile geschrieben und über den „Run“-Button geladen und ausgeführt. Über so genannte „Conditionals“ (Bedingungen) sind auch Programmierer-Laien recht schnell in der Lage, komplexe Strukturen aufzubauen. Eine vollständige Erklärung der sehr mächtigen Scriptfunktion würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dem geneigten Anwender sei das Studium des sehr verständlichen Handbuchs ans Herz gelegt. Zudem stehen nach der Registrierung unter www.wallanderinstuments.com eine Fülle an weiteren Sequences und Templates zum Download zur Verfügung.
Fazit
Galten bis dato besonders die Blechblasinstrumente als sehr schwierig synthetisch nachzubilden, so öffnen die Entwickler von Wallander Instruments mit ihren WIVI-Collections neue Horizonte in punkto Authentizität, Klang und Spielbarkeit. Für den zugebenermaßen recht ¬hohen Preis erhält man ein Rundum-Sorglos-Paket, an dem man in vielen Musikstilen lange Freude haben wird. Selbst eingefleischte Blasinstrumentalisten dürften vom authentischen Klang der Instrumente verblüfft sein. In punkto Spielbarkeit sind sie den High-End-Sample-Libraries sogar einen kleinen Schritt voraus.
Erschienen in Ausgabe 04/2009
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 529 €
Bewertung: überragend
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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