Das „O“ der Signalkette
Wenn das Mikrofon das „A“ der Signalkette darstellt, bildet der Abhör-Lautsprecher das „O“. Warum dann nicht gleich konsequent sein und gleich auf Neumann-Produkte setzen?
Von Harald Wittig
er Name Neumann ist sicherlich weltweit – und nicht nur bei Insidern – Synonym für Spitzenmikrofone. Dass Neumann in der Vergangenheit auch mit seinen heute längst legendären Mischpulten und Schneidemaschinen für Schallplatten ebenfalls Maßstäbe setzte ist zwar weniger Gemeingut, passt aber in gewisser Weise zur letztjährigen Ankündigung, dass es demnächst auch Abhör-Lautsprecher geben wird, auf denen die berühmte Neumann-Raute prangt. Szene-Kenner wissen selbstverständlich längst, dass der Mikrofonhersteller nicht quasi über Nacht zum Lautsprecher-Hersteller wurde. Wenngleich es sich bei den Neumann-Monitoren nach Aussage des Berliner-Herstellers um Neuentwicklungen nach den eigenen hohen Qualitäts-Standards handelt, treten diese doch gleichzeitig die direkte Nachfolge des Traditionsherstellers Klein + Hummel (KH) an. Als eigenes Unternehmen innerhalb der Sennheiser-Gruppe, zu der auch Neumann gehört, existiert KH inzwischen nicht mehr. Allerdings kann der Berliner Mikrofonspezialist selbstverständlich auf das Know How und die Erfahrung der KH-Entwickler zurückgreifen, was angesichts der heutigen Vielzahl an durchaus sehr ernst zu nehmenden Mitbewerbern im Monitor-Segment nicht zu unterschätzen ist. So stehen hinter dem ersten Neumann-Monitor, dem KH 120, der heute zu einem ersten Test antritt, gleich zwei große Namen mit einem nach wie vor sehr guten Ruf bei Amateuren und Profis. Bei dem Testlautsprecher handelt es sich noch um ein Vorserienmodell, das allerdings, abgesehen von kleineren kosmetischen Änderungen sich nur unwesentlich von den Serien-Modellen unterscheiden wird.
Es wird den KH 120 nicht nur in der Analog-Ausführung wie unseren Testkandidaten, sondern auch als digitale Variante mit AES- und S/PDIF-Schnittstelle geben. Sicherlich eine kluge unternehmerische Entscheidung, denn auch wenn die analogen Lautsprecher noch immer die Studios dominieren, haben Digital-Monitore in den letzten Jahren deutlich aufgeholt und viele namhafte Traditions-Hersteller, beispielsweise Genelec oder Dynaudio – um nur zwei zu nennen –, haben welche im Programm. Der KH 120 A – das „A“ steht für „Analog“ – ist ein aktiver Zwei-Wege-Lautsprecher mit Bassreflexgehäuse, dessen Äußeres ganz spontan an die Nahfeld-Monitore von Klein + Hummel erinnert. Das Gehäuse des übrigens in Irland gefertigten Lautsprechers besteht aus Aluminium, genauer gesagt aus dem Gehäusekörper und der einteiligen Frontplatte. Diese ist tatsächlich aus einem Guss geformt, hat zur Minimierung von Kantenreflexionen abgerundete Ecken und eine auffällige Mulde in deren Zentrum der neuentwickelte Hochtöner mit Titan-Kalotte sitzt. Diese Mulde dient als sogenannter Wave Guide oder Schallführungselement zur Verbesserung des Abstrahlverhaltens des Hochtöners – ein heutzutage typisches Ausstattungsmerkmal von Mehr-Wege-Systemen mit konventioneller Chassis-Anordnung. Unter dem Hochtöner dominiert der langhubige Tief-Mittel-Töner mit seiner Sandwich-Membran, die das Beste aus beiden Welten – also hohe innere Dämpfung einerseits und große Steifigkeit andererseits – verbinden soll. Schon von vorne betrachtet, noch mehr in der Profil-Ansicht fällt auf, dass die Frontplatte „phasenkorrigiert“ gestaltet ist: Der Hochtöner ist tiefer in die Front eingelassen, um Phasenfehler aufgrund räumlichen Versatzes der Chassis-Antriebe zu minimieren. Um eine gutes Zeitverhalten zu garantieren, widmete sich der Hersteller gleichzeitig auch der Frequenzweiche, denn eine phasenkorrigierte Frontplatte ist alleine noch keine Garantie für ein gutes Zeitverhalten (siehe hierzu den Theorie-Beitrag in dieser Ausgabe. Des Weiteren ist die Frontplatte ganz leicht gewinkelt, was eventuell störende Reflexionen von der Mischpult- beziehungsweise Arbeitstisch-Oberfläche zum Beispiel bei Meter Bridge-Aufstellung ausschließen soll. Grundsätzlich raten wir davon allerdings ab – besser und damit nachhaltig empfehlenswert ist die Aufstellung auf soliden Stativen hinter dem Arbeitstisch. Die beiden Endstufen arbeiten in Class A/B-Schaltung, sowohl für den Tief-Mittel-Ton- als auch den Hochton-Kanal schützen Limiter vor Überlastung. Hinzu kommt ein Schutz vor thermischer Überlastung: Im Fall der Fälle färbt sich das weiß hinterleuchtete Neumann-Logo rot. Der Ernstfall dürfte allerdings, zumindest wenn der Monitor nicht von vorneherein mit unsinnig hohem Pegel betrieben wird, kaum eintreten, dank der guten Wärmeleitfähigkeit des Gehäuses und des großen Kühlkörpers kaum eintreten. Auf der Rückseite finden sich neben XLR-Eingang und dem stufenlosen Drehregler zur Einstellung der Eingangsempfindlichkeit auch noch ein vierstufiger Schalter für die Ausgangslautstärke sowie drei schaltbare Filter für Höhen-, Mitten- und Bassbereich zur Feinanpassung des KH 120 A an die individuelle Abhörumgebung. Diese berücksichtigen vor allem die immer unzulängliche Ausstellung des kompakten Aluminium-Quaders in den Ecken des Raumes oder auf der Tischfläche beziehungsweise der Meter Bridge des Mischpults. Einmal mehr empfehlen wir jedoch eine freie Aufstellung auf einem grundsoliden Stativ. Dann sollten die Filter allerdings deaktiviert sein und die entsprechenden Schalter auf „0“ stehen. Der KH 120 A ist als Nahfeld-Monitor konzipiert und sollte deswegen bestenfalls 1,5 Meter vom Hörplatz aufgestellt sein. Als Desktop-Monitor sollte er nicht zum Einsatz kommen, da nach unserer Erfahrung das Bündelungsmaß nicht auf den extremen Nahbereich abgestimmt ist.
Bei sachgerechter Aufstellung gefällt beim ersten Kennenlernen des KH 120 A die starke Phantommitte und die präzise Stereobasis. Auch die Tiefenstaffelung ist auf Oberklasse-Niveau, wenngleich die Raumabbildung nicht an die holografische Qualität des in dieser Ausgabe getesteten Earpleasure 1.1 heranreicht – heranreichen kann, denn jener Lautsprecher weist grundlegend andere konstruktive Merkmale auf. Ebenfalls sehr positiv: Der KH 120 A weist nur ein sehr geringes, kaum hörbares Ruherauschen auf, was für die Qualität seiner Endstufen spricht. Der Neumann ist ein impulsfreudiger Monitor, der vor allem bei der Basswiedergabe mit runden, gleichzeitig gut fokussierten Bässen aufwartet. Dabei trägt der Lautsprecher weder zu dick auf, noch lässt er es an Exaktheit vermissen – es bedarf unsererseits nur einer sehr kurzen Eingewöhnungszeit, um mit dem KH 120 A Grob- und Feinkorrekturen vorzunehmen: Beispielsweise den Bass-Roll-Off in der zu dominanten Bass-Spur in einem Fusion-Instrumental bei der passenden Einsatzfrequenz zu setzen und den Fingerstyle-gespielten Bass zusätzlich via Kompressor mehr Biss zu geben. Die Abstimmung des Tief-Mittel-Töners an den Hochtöner ist gelungen, denn den Mittenbereich präsentiert der KH 120 A insgesamt noch ausgewogen. Lediglich eine geringe Anhebung der Tiefmitten gibt dem Neumann eine leichte Tendenz zum Schönen, was aber, sofern bekannt, die Werkzeugqualitäten des Monitors in der Praxis nicht beeinträchtigt. Sehr gut gefällt uns der Präsenzbereich, da der Lautsprecher von dem gerne als „analytisch“ schöngeredeten Generve einiger Mitbewerber der unteren Spielklassen gar nichts hält: Sollte also eine Gesangsstimme unangenehm zischeln, liegt es eher an der Aufnahme, der Monitor kann nichts dafür. Auch die Höhenauflösung ist sehr gut, vielleicht nicht ganz so detailliert und farbig wie bei weitaus teureren Spitzen-Lautsprechern, liefert aber allemal genügend Klanginformationen, um beispielsweise einer Stahlsaiten-Gitarre ein wenig mehr Höhen-Glanz mittels Equalizer zu geben.
Fazit
Der Neumann KH 120 A ist ein sehr guter Nahfeld-Monitor der Oberklasse, der dem großen Namen des Mikrofonherstellers unterm Strich gerecht wird. Vor allem in puncto Impulsverhalten, Basswiedergabe und insgesamt guter tonaler Ausgewogenheit ist der das gelungene Debüt Neumanns auf dem Monitor-Parkett und hat sicherlich dass Zeug dazu, das Ende oder „O“ der Signalkette zu bilden.
Erschienen in Ausgabe 04/2011
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 698 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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