Wie ein Ei dem anderen
Schon seit langem zählt der Kompressor Tube-Tech CL 1B von Lydkraft zu den modernen Klassikern, der in jedem Tonstudio zu finden ist, das etwas auf sich hält. Emulationen gabs bislang nur für TDM und Powercore. Doch seit kurzem offeriert der Hersteller Softube den Kompressor auch in nativer Form. Professional audio hat sich Soft- und Hardware zum Test kommen lassen und akribisch miteinander verglichen.
Von Georg Berger
Damit ein Stück Studio-Hardware Kult-Status erlangt, muss es älter als 30 Jahre, in unzähligen Top-Ten-Produktionen zum Einsatz gekommen sein, am besten über Röhren verfügen, die Herstellung eingestellt und folglich nur noch zu horrenden Preisen am Gebrauchtmarkt erhältlich sein. In den meisten Fällen mögen diese Kriterien zutreffen. Nicht jedoch beim einkanaligen Opto-Röhren-Kompressor Tube-Tech CL 1B des dänischen Pro-Audio-Herstellers Lydkraft, der einige der oben aufgestellten Regeln Lügen straft. Denn der Dynamik-Prozessor hat vor gerade mal 23 Jahren das Licht der Welt erblickt, er wird nach wie vor gebaut und ist als Neugerät am Markt für knapp 2.600 Euro erhältlich. Renommierte Tontechniker wie Al Schmitt (Toto, Quincy Jones), Joe Chiccarelli (Beck, Elton John, U2) oder Tony Sheppard (Madonna, Whitney Houston, Barbra Streisand) zählen den CL 1B zu ihrem Leib-und-Magen-Kompressor, der vornehmlich bei Vocal-Recordings für ein homogenes und organisches Verdichten sorgt, aber auch Qualitäten als Allzweck-Waffe besitzt. Dass dieser moderne Klassiker auch in virtueller Form am Markt erhältlich sein würde, war also nur eine Frage der Zeit. Die Emulation des Plug-ins wurde schließlich 2006 von der schwedischen Software-Schmiede Softube in Angriff genommen. Die Produktion erfolgte dabei in enger Zusammenarbeit mit Lydkraft. Ein Jahr später präsentierte Softube das fertige Plug-in, das allerdings zunächst nur für Pro Tools TDM und die T.C. Electronics Powercore-Plattform erhältlich war. Seit Oktober 2009 offeriert der Hersteller endlich auch eine rein native Version, die für knapp 360 Euro über den Ladentisch geht. Nach Aussagen des Herstellers enthält das native Plug-in dieselben Algorithmen, die bereits für die TDM/Powercore-Version entwickelt wurden. Einziger Unterschied: Die Eingangsempfindlichkeit wurde virtuell um 16 Dezibel angehoben, externe Signale lassen sich per Sidechain einspeisen und die Clip-LED sowie der Input-Button sind weggefallen.
Doch bevor wir uns der nativen Version des CL 1B widmen, betrachten wir zunächst das Hardware-Original. Ohne Röhre geht’s nicht, lautet das Motto des dänischen Pro-Audio-Herstellers Lydkraft, was durch die Namensbezeichnung „Tube-Tech“ deutlich unterstrichen wird. Im Handbuch zum einkanaligen CL 1B wird sogar besonders darauf hingewiesen, dass sich im Signalweg keinerlei Halbleiter-Elemente finden, die den Sound auf unangenehme Weise verzerren könnten. Doch anders als vielleicht vermutet, werden im CL 1B Röhren nicht zur Dynamikreduktion eingesetzt. Vielmehr sorgen sie im Signalweg für charakteristischen Klang in Form des Aufholverstärkers. Eine ECC 83 Röhre ist dabei für die Vorverstärkung verantwortlich, wohingegen ein ECC 82-Modell als Endstufenröhre fungiert. Im Kern des CL 1B arbeitet ein optisches Regelglied, das bereits direkt hinter dem Eingang seinen Dienst verrichtet und, typisch für dieses Prinzip der Dynamikreduktion, mit einer Soft-Knee-Charakteristik aufwartet. Dennoch kommt auch der CL 1B nicht ganz ohne Halbleiter aus, die hierbei für die Zeitschaltkreise (Attack, Release) verwendet werden und den Vorteil bieten, sehr schnelle Ansprechzeiten bereitstellen zu können. Besonderheit: Im Gerät finden sich zwei separat aufgebaute Zeit-Schaltkreise, die über den Fix./man.-Schalter einzeln und kombiniert nutzbar sind und zu den Eigenheiten des CL 1B zählen. Im Schaltkreis des fixed-Modus besitzen Attack und Release fest eingestellte Werte, die sich nicht ändern lassen (siehe Steckbrief). Der Schaltkreis des manual-Modus erlaubt wie gehabt die Justage beider Parameter mit den entsprechenden Reglern. Der kombinierte fix./man.-Modus hingegen besitzt die fest eingestellte Attack-Zeit des fixed-Modus. Das Signal durchläuft jedoch die Release-Phasen beider Schaltkreise, wobei vornehmlich Transienten mit dem Release des fixed-Modus reguliert werden. Der Clou: Über den Attack-Regler lässt sich eine Dauer definieren, innerhalb dessen Transienten mit der fest eingestellten Release-Phase reguliert werden. Signale mit unterschiedlich lang klingenden Transienten lassen sich mit Hilfe des Attack-Reglers sozusagen einfangen und mit dem Release des fixed-Schaltkreises verarbeiten. Transienten und Signalanteile, die länger andauern als über den Attack-Regler vorgegeben, werden folglich weitergereicht und mit dem Release des Manual-Schaltkreises auf die Originallautstärke angehoben. Halbleiter finden sich auch in den Sidechains, die ebenfalls von der Präzision dieser Bauteile profitieren, da dort lediglich Steuersignale gesendet und empfangen werden, die somit den Audio-Signalweg nicht verfärben können. Auch der Sidechain wartet mit bemerkenswerten Eigenheiten auf: Beide Buchsen sind in der Lage, Steuersignale sowohl zu senden, als auch zu empfangen. Überdies führen sie sogar zwei separate Sidechain-Signale, die sich über eine Stereoklinke separat an der Spitze und dem Ring des Steckers abgreifen lassen und per Schalter auf der Frontseite aktivierbar sind. Mit diesem genialen Konzept ist es möglich, maximal zehn CL 1B über den Sidechain zu vernetzen und mit verschiedenen Routings anzusteuern. Wichtig: Der CL 1B mit der am stärksten eingestellten Kompression fungiert dabei als Master, so dass sich die Karten, je nach Einstellung an den Geräten, immer wieder neu mischen. Am besten ist jedoch, den Threshold-Regler an den Slave-Geräten auf off zu stellen. So lässt sich etwa bei der Anwahl des ersten Busses ein weiterer CL 1B für den Stereobetrieb als Slave-Gerät ansteuern. Voraussetzung: Gain und Ratio müssen identisch sein, damit keine Kanalungleichheiten entstehen. Über den zweiten Bus lässt sich das Kompressionsverhalten des Master-CL 1B beispielsweise an Slave-Geräte mit unterschiedlichen Einstellungen schicken. Bei der Kompression von Einzelinstrumenten eines Schlagzeugs gibt der Master-Kompressor auf diese Weise ein globales Regelverhalten vor, das bei gleichzeitig individueller Dynamikreduktion in den Slave-Geräten dennoch für ein homogenes Ergebnis sorgt. Allerdings nehmen die Sidechains ausschließlich die Steuersignale anderer Tube-Tech-Kompressoren entgegen. Das Einspeisen von Audio-Signalen nach alter Väter Sitte ist nicht möglich, was jedoch schade ist und den dynamischen Dänen um eine kreativ einsetzbare Option ärmer macht.
Messtechnisch gibt sich der Tube-Tech-Kompressor als Röhrengerät mit typischen Messdaten zu erkennen. Die ermittelten Werte für Geräusch- und Fremdspannungen sind mit 88 und 91,3 dBu erstklassig. Das Ergebnis nach Messung der Gleichtaktunterdrückung zeigt einen Kurvenverlauf, der im unteren Frequenzbereich bei exzellenten -104 Dezibel beginnt und bis 20 Kilohertz auf akzeptable -40 Dezibel ansteigt. Bei nicht aktivierter Kompression – der Threshold ist ausgeschaltet und das Signal geht unverstärkt durchs Gerät – zeigen sich im FFT-Spektrum die typischen harmonischen Oberwellen k2 und k3, die bis etwa -80 Dezibel reichen. Die Messung des Klirrfaktors ohne Eingriff des Kompressions-Schalkreises ergibt einen welligen Kurvenverlauf, der im Bassbereich bei vorbildlichen 0,08 Prozent beginnt und zu den hohen Frequenzen auf exzellente 0,003 Prozent sinkt. Anders verhält es sich, wenn der CL 1B das tut, was er soll, nämlich komprimieren. Auffällig dabei ist, dass die per Schalter wählbaren Zeitschaltkreise einen Einfluss auf das FFT-Spektrum nehmen. In Stellung fixed zeigen sich deutliche Ausschläge bei k2 und k3, die bis etwa -40 Dezibel reichen. Zusätzliche Signalspitzen ab k4 liegen unterhalb -70 Dezibel und sinken ab k8 unterhalb -90 Dezibel. Bei gleicher Einstellung von Gain, Ratio und Threshold sinken im Manual-Modus k2 und k3 auf etwa -70 Dezibel, wobei die Oberwellen ab k4 bis etwa -90 Dezibel reichen. Das FFT-Spektrum des kombinierten fix./man.-Modus zeigt in etwa das gleiche Ergebnis wie im Manual-Modus jedoch mit leicht höheren Ausschlägen bei den Oberwellen. Die Messung der Klirrdämpfung ergibt ebenfalls ein zweigeteiltes Ergebnis zwischen dem fixed-Modus und den beiden anderen Modi. Gleichwohl beginnen beide Verlaufskurven im Bass bei etwa drei Prozent, ein Wert der für eine Röhrenschaltung in Ordnung geht. Zu den hohen Frequenzen hin sinkt der Klirrgrad bis 20 Kilohertz auf 0,03 Prozent. Im Hör- und Praxistest zeigt sich sehr rasch, warum der CL 1B zu den modernen Klassikern zählt. Ganz seiner Bauart verpflichtet, wartet der Tube-Tech-Bolide mit dem typischen Röhrensound auf, der Aufnahmen im unteren Mittenbereich ein wenig auf die Sprünge hilft, Signale insgesamt runder macht, ihnen einen seidigen Glanz in den Höhen verleiht und sie angenehmer erklingen lässt, was jedoch auf ganz subtile, fast schon unhörbare Art geschieht. Tendenziell ist er daher der Transparenz verpflichtet und reicht eingespeiste Signale fein aufgelöst nach oben durch. Erst ein Schalten auf Bypass nach längerer Hörzeit lässt den feinen Unterschied deutlich zu Tage treten. Das Regelverhalten des CL 1B schlägt in dieselbe Kerbe. Ganz gleich, was wir am Gerät einstellen, es kommt immer ein verwertbares Ergebnis heraus. Selbst absichtliche Fehlstellungen nimmt der CL 1B klaglos hin und quittiert dies mit immer noch ästhetisch ansprechenden Ergebnissen. In Windeseile stellt sich im Test mit einer Bass-Aufnahme zwar das berühmt-berüchtigte Pumpen ein. Doch mit wenigen Handgriffen am Attack und Release haben wir das Pumpen auf das Tempo der Aufnahme angeglichen, was der Basslinie deutlich mehr Punch verleiht und wunderbar musikalisch einsetzbar ist.
Moderat und praxisorientiert eingesetzt, versteht es der CL 1B, auf organische und fast schon unmerkliche Art, Signale in der Gesamtdynamik zu begrenzen und zu verdichten, was sie deutlich in den Vordergrund hievt. Auffällig ist, dass die Binnendynamik von Aufnahmen, selbst bei sehr stark eingestellter Kompression, erhalten bleibt. Die Lebendigkeit von Aufnahmen wird also nicht angetastet. Der CL 1B ist ein Leisetreter mit musikalischen Qualitäten und tolerantem Gemüt. Das brutale platt bügeln von Signalen müssen andere erledigen. Sehr beeindruckend ist dies bei Sprach- und Gesangsaufnahmen zu hören. Die Expressivität des Vortrags bleibt unangetastet. Die Stimmen rücken insgesamt deutlich in den Vordergrund und zusätzlich erhalten sie mehr Körper und Volumen. Gleichzeitig fügt der Kompressor den Stimmen einen leichten Hauch von Seidigkeit in den Höhen hinzu und schafft es, sie edler und runder klingen zu lassen. Mit diesen Charakteristika erinnert der CL 1B entfernt an den Drawmer S3 (Test in Heft 8/2007), wenngleich der Tube-Tech Kompressor deutlich mehr Reserven hat, kräftiger zupacken kann und es auch versteht, Signale nachhaltiger zu modellieren. Denn bei weidlicher Nutzung der Attack- und Release-Regler im Manual-Modus wandelt sich der CL 1B rasch in eine reine Sound-Maschine, mit hohem Gestaltungs-Potenzial. Gerade bei Schlaginstrumenten zeigt sich die Wirkmächtigkeit des CL 1B. Transienten lassen sich detailliert herausarbeiten, das Nachresonieren der Instrumente, etwa des Snareteppichs oder Raumanteile einer Mikrofon-Aufnahme sind mit Leichtigkeit wahlweise in den Vordergrund geholt oder komplett ausgeblendet. Damit nicht genug, bietet der Tube-Tech noch zwei weitere Arbeits-Modi mit jeweils eigenen Regelverhalten und auch klanglichen Ausprägungen. Auffällig: Beim Schalten auf den fixed-Modus klingen Signale deutlich schärfer, präsenter, druckvoller und auch lauter, was uns dazu veranlasst, das Gain niedriger einzustellen. Auffällig: Bei extremen Einstellungen des Threshold sind überdies rasch Verzerrungen hörbar, die zwar durchaus angenehm klingen, aber meistens wohl nicht erwünscht sind. Die beiden anderen Modi zeigen sich bei gleicher Einstellung deutlich toleranter und verfärbungsfrei. Eine einzigartige Eingriffsoption bietet der kombinierte fixed/manual-Modus, mit dem wir durch die Release-Phasen beider Zeit-Schaltkreise eine programmabhängige Kompression realisieren und Transienten deutlich flexibler bearbeiten können als mit den jeweils separat einsetzbaren Zeit-Schaltkreisen. Im Test ertappen wir uns immer wieder, wie wir Experimente mit dem Kombi-Modus anstellen und auf eine Forschungsreise in Sachen Klang gehen. Das Arbeiten mit dem CL 1B macht halt einen Riesen-Spaß. Sämtliche Einstellungen müssen wir zwar mit den Ohren vornehmen, die Regler besitzen lediglich eine spartanische Skalierung. Doch dank direkter akustischer Rückmeldung des Gerätes sind – geschulte Ohren und ein routiniertes Händchen vorausgesetzt – die gewünschten Ergebnisse rasch erzielt. Einzig der Lauf der Potentiometer ist für unseren Geschmack deutlich zu leicht. Ein versehentliches Berühren mit der Hand macht Einstellungen sofort zunichte. Summa summarum ist der Tube-Tech CL 1B ein behutsam arbeitender Dynamik-Prozessor mit eigenem Charakter, der sich nicht nur durch sein behutsames und organisches Regelverhalten auszeichnet, sondern auch als Klangveredler einen sehr guten Job erledigt. Ein Platz in der Spitzenklasse ist ihm damit sicher.
Doch wie schaut es auf der virtuellen Ebene aus? Was kann die Emulation des CL 1B leisten und wo liegen die Vor- und Nachteile im Vergleich zur Hardware? Diesen Fragen wollen wir uns jetzt widmen. Der schwedische Software-Hersteller Softube sorgt mit seinen Produkten wie etwa den verschiedenen Gitarrenverstärker-Emulationen oder dem FET-Compressor (Tests in den Heften 1 und 4/2009) schon seit längerem für Aufsehen, die im Test immer wieder mit sehr guten Bewertungen abschneiden, so auch in Professional audio. Bei der Entwicklung der Software setzt das Unternehmen auf das Verfahren des Physical Modeling, bei dem über rein mathematische Funktionen die Verhaltensweisen der Geräte und klanglichen Abläufe der Schaltungen in Echtzeit berechnet werden. Dies ist für Softube der Königsweg, um die komplexen interaktiven Prozesse einer Schaltung detailliert abbilden zu können, wie uns Mitinhaber Niklas Oldelholm erklärt (siehe Kasten). Das Plug-in überrascht beim Aufruf durch eine atemberaubend realistisch nachempfundene Bedienoberfläche. Beim Drehen der Potis verharren die Glanzlichter auf den Ecken der Knöpfe und wandern nicht mit. Solch eine Detailverliebtheit findet man selten an einer GUI. Die Oberfläche ist dem Original täuschend echt nachempfunden, mit Ausnahme des Bypass- und Netzschalters, die entfernt wurden und über den Sequenzer realisierbar beziehungsweise überflüssig sind. Ein genauer Blick auf das GUI zeigt einen weiteren Unterschied: Der Sidechain-Schalter offeriert lediglich die Schaltzustände on und off. Eine Auswahl aus zwei Bussen ist nicht möglich. Wer mit Sequenzern wie Logic oder Pro Tools arbeitet, kann das Plug-in kinderleicht im Unterschied zur Hardware mit Audio-Signalen ansteuern. Steinberg-Anwender haben zurzeit das Nachsehen und müssen auf diese Option verzichten, denn das Plug-in wartet mit einer VST2-Schnittstelle auf. Eine Portierung auf VST3, mit der dies ebenfalls möglich ist, wird nach Aussagen von Softube erst dann erfolgen, wenn sämtliche DAW-Hersteller, die auf diese Schnittstelle setzen, auf die Dreier-Version aufgerüstet haben. Diese Entscheidung ist zwar auf Seiten des Herstellers nachvollziehbar, der Großteil der Anwender in Deutschland bleibt jedoch auf der Strecke und minimiert die Einsatzmöglichkeiten des Plug-ins auf VST-Ebene. Sehr schön hingegen: Unabhängig von den zu verwendenden Computer-Schnittstellen ist das Plug-in sogar in der Lage Stereosignale zu verarbeiten. Wer auf Hardware setzt muss sich dafür einen zweiten CL 1B zulegen. Im Test macht auch das Arbeiten mit dem Softube CL 1B, dank des gleichen übersichtlichen Layouts der Bedienelemente wieder einen Riesen-Spaß. Allerdings bietet auch der virtuelle CL 1B keine Werte-Skalierung an den Drehreglern, was wir jedoch aus Gründen der Nachvollziehbarkeit durchaus begrüßt hätten und für unseren Geschmack ein wenig zu authentisch nachempfunden ist. So bleibt nichts anderes übrig, als die Einstellungen in Form von Presets zu speichern und das Plug-in, ebenso wie die Hardware, mit den Ohren feinzujustieren. Doch wie klingt er nun der virtuelle CL 1B und das gerade auch im Vergleich zum Original? Für den Hörvergleich binden wir die Hardware als externen Effekt in Nuendo 4 ein, stellen die Parameter in beiden Versionen gleich ein und schalten Plug-in und Hardware wechselweise auf Bypass. Das Ergebnis beeindruckt: Der Softube-Kompressor bildet das Regelverhalten der Hardware exakt nach. Ganz gleich welche Einstellungen wir vornehmen, die komprimierten Signale besitzen denselben Klang. Selbst das oben erwähnte Zerren im fixed-Modus bei allzu stark eingestelltem Threshold ist hörbar. Insgesamt wartet das Softube-Plug-in mit den gleichen audiophilen Eigenschaften auf, wie die Hardware – zumindest wenn es um das Regelverhalten und die daraus resultierenden Klänge geht. Denn im intensiven Hörvergleich sind trotzdem Unterschiede auszumachen. So müssen wir trotz gleicher Einstellung der Parameter das Gain am Softube-Kompressor immer wieder ein klein wenig höher einstellen, um die gleiche Lautstärke wie die Hardware zu erreichen, was aber verschmerzbar ist und keinen klanglichen Nachteil bietet. Auffällig ist allerdings, dass die Signalverarbeitung des virtuellen CL 1B im Vergleich zum Original schon auf überbemühte Art präzise arbeitet. Störgeräusche wie (Aliasing-)Rauschen fängt das Plug-in ohne mit der Wimper zu zucken ein, was je nach Einstellung und Signalqualität mit einem hörbaren Anstieg der Störgeräusche einhergeht. Die Hardware ist in dem Fall genügsamer und lässt die Störanteile im Inneren der Röhrenschaltung quasi unter den Tisch fallen, was deutlich angenehmer zu hörende Ergebnisse zur Folge hat. Dennoch befinden sich Soft- und Hardware bei der nachträglichen Signalverarbeitung als Insert- oder Sendeffekt auf gleicher Augenhöhe. Ein deutlich hörbarer Klangunterschied ist im Test mit mehrspurigen Arrangements, bei denen jeweils eine Spur komprimiert wird, nicht auszumachen. Doch wir wollen es genau wissen und fertigen eine Reihe von Sprachaufnahmen an, bei denen Soft- und Hardware im Aufnahmeweg zum Einsatz kommen. An dieser Stelle eilt die Hardware schließlich der Software doch um ein paar kleine Schritte davon. Zwar bestechen beide Versionen wiederum durch ihr tolerantes und homogenes Regelverhalten und sind gleichauf. Doch in Sachen Grundsound klingt das Original immer ein Quäntchen druckvoller, präsenter, vordergründiger und plastischer. Auch die Räumlichkeit der Aufnahme ist etwas eindeutiger definiert als über das Plug-in. Zudem ist auch eine leichte Betonung im unteren Mittenbereich hörbar, die in den Aufnahmen mit dem Plug-in nicht vorhanden ist und die Softube-Aufnahmen im Umkehrschluss etwas präsenter und schärfer klingen lässt. Abseits dieser wirklich feinen klanglichen Unterschiede ist den Entwicklern von Softube jedoch allerhöchstes Lob für eine wirklich gelungene virtuelle Reproduktion einer Hardware auszusprechen, die ihren Platz in der Spitzenklasse ebenso verdient hat, wie das Original.
Von der Hardware zur Software
Die von Softube realisierte Emulation des CL 1B erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Lydkraft, dem Hersteller des Originals. Am Anfang stand zunächst das Studium der Schaltpläne, die in einem weiteren Schritt mit Hilfe einer von Softube eigens entwickelten Software – Schematic Analyzer genannt – in den Computer übertragen wurde. Der Schematic Analyzer fungiert lediglich als Hilfsmittel, um die Schaltungen sozusagen in Maschinensprache zu übersetzen. Zusätzlich nahm Softube akribische Messungen an der Hardware vor. Grund: Zwar lässt sich die Schaltung und ihr Verhalten zwar virtuell nachempfinden. Jedoch bildet die 1:1 Übertragung einer elektrischen Schaltung nicht sämtliche Auswirkungen im Zusammenspiel aller Schaltungskomponenten nach. Im nächsten Schritt wurden die Ergebnisse des Schematic Analyzers und der Messungen in eine weitere von Softube entwickelte Applikation gefüttert, den sogenannten „Simulator“. Dieser wiederum übersetzte die eingegebenen Informationen in mathematische Gleichungen, die das Regelverhalten und den Klang des CL 1B nachbildeten. Die Arbeit am Simulator, so verrät uns Niklas Odelholm von Softube, markiert dabei den zentralen Arbeitsschritt innerhalb der Produktion eines Plug-ins, der folglich die meiste Zeit in Anspruch nahm. Permanente Messungen an der Hardware sowie akribische Hörvergleiche und Analysen wurden gleichzeitig durchgeführt und auch Entscheidungen mussten getroffen werden, welche klanglichen Auswirkungen das Plug-in bei bestimmten Reglerstellungen, die Spielraum für Interpretationen boten, annehmen sollte. Diese Ergebnisse flossen fortwährend in den Simulator ein und nach und nach entstand ein detailliertes, physikalisch modelliertes Abbild des Tube-Tech CL 1B. Parallel dazu arbeiteten die Entwickler bereits an der graphischen Oberfläche und passten die Reglerbewegungen der virtuellen Bedienelemente an das physikalische Modell an.
Fazit
Mit dem Tube-Tech CL 1B offeriert der Hersteller Lydkraft einen edel klingenden Highend-Kompressor mit tolerantem Regelverhalten, der zu Recht einen weltweit hohen Ruf genießt. Das seit kurzem von Softube erhältliche native Plug-in hat diese Qualitäten geerbt und reproduziert sie, wenngleich nicht zu 100 Prozent, auf beeindruckend realistische Art und Weise. Doch welche Version ist jetzt besser? Über den Verkaufspreis ist dies nicht zu lösen. Vielmehr gilt es abzuwägen, wofür der CL 1B eingesetzt werden soll. Für die Post Production und den Misch-Prozess ist das Plug-in dank Stereofähigkeit und Nutzung mehrerer Instanzen die erste Wahl. Wenn es jedoch um Aufnahmen und auch ans Mastering angeht, bei denen es auf jedes kleinste Signaldetail ankommt, geht nichts über die Hardware. Profis, die bereits den Lydkraft-Kompressor besitzen, werden es gelassen hinnehmen, sich das Plug-in ebenfalls zulegen, künftig noch flexibler arbeiten können und das Ganze mit den Worten, „Jetzt kann ich beides haben.“, quittieren.
Erschienen in Ausgabe 02/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2618 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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