Der feine Unterschied

Diamanten sind eines Mädchens beste Freunde – aber nicht jeder Solitär passt automatisch zum individuellen Teint der Dame. Das gilt im übertragenen Sinne auch für die Edel-Schallwandler dieses Tests, die sich deutlicher unterscheiden, als Datenblätter und Messwerte vermuten lassen. Wir haben im aufwändigen Aufnahme- und Praxistest herausgefunden, welches Klangjuwel das Zeug zum besten Freund von Tonmeister und Musiker hat. 

Von Harald Wittig 

Mikrofontests, sei es ein Einzeltest oder ein groß angelegter Vergleichstest, gehören zu den Standards von Professional audio seit der ersten Ausgabe 5/2006. Wenig überraschend, immerhin verkörpert das Mikrofon die Aufnahmetechnik an sich, steht es doch ganz am Anfang der Signalkette, gewissermaßen auf Tuchfühlung mit dem Schallereignis, dass es wandeln soll. Das weiß jeder, der Aufnahmen macht und die ganz überwiegende Mehrheit der Tonschaffenden – vom engagierten Amateur bis zum erfahrenen Profi – ist gerne bereit, in einen oder gleich mehrere Edel-Schallwandler zu investieren. Deswegen haben wir uns für diesen Vergleichstest ganz bewusst auf vergleichsweise hochpreisige, sorgfältig gefertigte Edel-Mikrofone konzentriert, die grundsätzlich das Zeug haben, ein Tonmeisterleben zuverlässig ihre treuen Dienste zu verrichten. Allerdings haben unsere Gespräche mit professionellen Anwendern seit dem Bestehen von Professional audio und zuletzt bei der Planung dieses Vergleichstests gezeigt, dass die klanglichen Beurteilungen interessanterweise gerade auch bei seit Jahrzehnten bewährten Klassikern oft sehr stark differieren. Dass die entscheidende Frage, wie ein bestimmtes Mikrofon vor einem bestimmten Instrument klingt, nicht rein messtechnisch zu beantworten ist, weiß jeder, der sich ein wenig mit Mikrofonen in Theorie und Praxis auseinander gesetzt hat. Selbstverständlich haben wir die Testkandidaten auch gemessen – die Ergebnisse finden sie in der finalen Tabelle – der Schwerpunkt dieses Vergleichs liegt aber im Aufnahmetest. Die 12 Testkandidaten traten im Studio von Wolfgang Feder an und mussten bei der Aufnahme von Kontrabass und Konzertgitarre Klangfarbe bekennen. Dabei sorgten die beiden Berufsmusiker Norbert Jorzik (Bass) und Christian Winter (Klassische Gitarre) für den guten und professionellen Ton. Nähere Angaben zu den Künstlern – gewissermaßen der „Co-Starring“ dieses Mikrofon-Vergleichs – finden Sie im unteren Teil des Artikels. Sämtliche Aufnahmen finden Sie für ihren persönlichen Hörtest zum freien Download auf unserer Website, www.professional-audio-magazin.de.

 

Wir werden später selbstverständlich noch einige wichtige Anmerkungen zum Praxistest machen, zuvor seien aber die Hauptdarsteller, unsere „Glorreichen Zwölf“, vorgestellt. Alle Mikrofone sind Kleinmembranmikrofone in Echtkondensatorbauweise, wobei wir sowohl Druckempfänger mit Kugel-Charakteristik als auch Druckgradienten mit Nieren-Charakteristik ins Testfeld aufgenommen haben. Zu den Druckempfängern gehören der Sennheiser-Klassiker MKH 20, das Earthworks QTC50 und das Josephson C617SET. Auch das AKG C 480 B/CK 62 ULS und das Schoeps MK2H/CMC6 U – ein weiterer seit Jahrzehnten bewährter Klassiker – haben ebenfalls Druckempfänger-Kapseln, sind aber Teil eines modularen Systems. Das heißt, dass Kapseln und Verstärkereinheiten austauschbar oder frei kombinierbar sind. Der Vorteil dabei: Wer bereits einen oder mehrere Verstärker hat, kann rund die Hälfte des Mikrofonpreises sparen, indem er sich nur die Wechselkapsel zulegt. Gerade das Colette-System von Schoeps ist das umfangreichste seiner Art und bietet Kapseln, Verstärkereinheiten und weiteres Spezialzubehör, das praktisch allen Aufnahmesituationen gerecht werden dürfte. Das Modular-System von AKG, verheißungsvoll „U(ltra) L(linear) S(eries) genannt, kann da nicht mithalten: Es gibt nur drei Kapseln, neben der Kugel CK 62 noch die Acht CK 63 und die ebenfalls mitgetestete Nierenkapsel CK 61. Dafür sind die AKGs nach dem Josephson C42 die günstigsten Mikrofone im Testfeld und deutlich unter 1.000 Euro zu haben. Das ist schon bemerkenswert, immerhin sind diese Mikrofone von der Kapsel bis zum XLR-Anschluss „Made in Austria“ und der Ruf des österreichischen Mikrofon- und Kopfhörerherstellers hat einen vergleichbar guten Klang wie Sennheiser, Neumann, Schoeps – um nur drei der Etabliertesten zu nennen. Bei den Druckgradientenempfängern mit Nierenkapseln begegnen wir mit dem Schoeps MK4/CMC 6U und dem Sennheiser MKH 40 zwei alten Bekannten, denn beide Mikrofone beziehungsweise Kapsel/Verstärker-Kombinationen hatten wir bereits beim allerersten Vergleichstest in Ausgabe 5/2006 auf dem Prüfstand. Spannend ist es daher, wie sich die beiden Mikrofone vor Kontrabass und Konzertgitarre machen werden. Das DPA 4011A verwendet zwar die bewährte Nierenkapsel der dänischen Mikrofon-Manufaktur, ist aber – das gilt auch für den Druckempfänger 4006A – mit einem grundlegend überarbeiteten Impedanzwandler/Verstärker ausgestattet. Dieser nennt sich MMP-A und soll noch die Qualitäten der Kapseln noch besser ausreizen. Nach Auskunft von Markus Holler vom deutschen Vertrieb Mega Audio handle es sich um „neue Mikrofone“, die leistungsmäßig die Vorgänger noch übertreffen sollen. 

 

Aus den USA kommen zwei Stereopaare: Von Josephson Engineering stammt das C42-Set, die mit einer Länge von rund 100 Millimetern und einem Gewicht von gerade mal 80 Gramm die kleinsten und damit unauffälligsten Mikrofone im Testfeld sind. Im Unterschied zum C617SET, das wir in der Vergangenheit schon zweimal gewürdigt hatten (siehe die Ausgaben 3/2009 und 3/2011), das mit der Messkapsel MK221 von Microtech Gefell „hört“, haben die beiden ultrakompakten Nieren Kapseln eigener Entwicklung. Echte Debütanten sind das C5-Pärchen des jungen Herstellers Miktek aus der Country-Hochburg Nashville. Mit drei Modellen und einem Vorverstärker ist die Produktpalette sehr gut überschaubar, alle Produkte sind „designed and handmade in USA“. Das ist ein wenig irreführend, denn Miktek verwendet zugekaufte Bauteile, unter anderem aus Fernost, was die Amerikaner allerdings nicht verschweigen. Dennoch sind wir bei näherer Begutachtung beider Mikrofone etwas enttäuscht: Zumindest in puncto Verarbeitungsgüte und äußerem Erscheinungsbild erinnern uns die beiden C5s an typische China-Mikrofone. Wir tippen spontan auf einen Set-Preis von circa 600 Euro und sind nicht wenig überrascht, dass das C5-Paar mit fast 1.600 Euro vergleichsweise teuer ist. An der Verarbeitung der übrigen Testkandidaten gibt es hingegen nichts auszusetzen: Die Hersteller bieten durchweg Top-Verarbeitung und feinmechanische Präzision, die dem hohen Anspruch der Hersteller einerseits und den gehobenen Preisen andererseits gerecht wird. In puncto Ausstattung und Lieferumfang unterscheiden sich die Mikrofone jedoch: Die AKG-Mikrofone werden im stabilen Alu-Koffer geliefert, der neben der obligatorischen Klemme auch einen Windschutz enthält. Der Verstärker C 480 B ist mit einem –10DB-Vordämpfungsschalter und – das ist selten – einem weiteren Schalter ausgestattet, der die Verstärkung um sechs Dezibel anhebt. Hinzu kommt ein zweistufiges Hochpassfilter das bei 70 beziehungsweise 150 Hertz den Tieftonbereich mit einer Flankensteilheit von 12dB/Oktave bedämpft. Die beiden Sennheisers verfügen gleichfalls über einen Vordämpfungsschalter, wobei nur der Druckgradientenempfänger MKH 40 mit einem Hochpassfilter, das sehr tief, bei 30 Hertz ansetzt ausgestattet ist. Der Druckempfänger MKH 20 hat an der gleichen Stelle des Verstärkers zwar ebenfalls einen Schalter wie sein Geschwister, es handelt sich hier jedoch um ein zuschaltbares Filter zur Diffusfeldkorrektur. Der Kenner nickt verstehend: Bekanntlich weisen Druckempfänger im reflektierten Schallfeld einen Höhenverlust auf, dieser Höhenabfall wird umso stärker, je weiter das Mikrofon von der Schallquelle entfernt ist. Der Schalter am MKH 20-Gehäuse kompensiert diesen konstruktionsbedingten Höhenverlust über ein Filter und tatsächlich weist der ansonsten ausweislich unserer Messungen völlig lineare Frequenzgang des MKH 20 bei aktiviertem Diffusfeld-Korrekturschalter eine deutliche Höhenanhebung an. 

Einen anderen Weg zur Anpassung an unterschiedliche Aufnahmebedingungen geht DPA bei seinem 4006A. Das Mikrofon wird mit zwei zusätzlichen Kapselaufsätzen, den sogenannten Diffusoren geliefert. So bewirkt der DD-0297 einen steten Höhenanstieg oberhalb sechs Kilohertz, der im Gipfel bei zehn Kilohertz etwa vier Dezibel beträgt (siehe das Messdiagramm auf Seite 57). Der DD-0297 dient also auch der – allerdings rein mechanischen – Diffusfeldkorrektur.  Echte Puristen sind die beiden Schoeps-Mikrofone, denn der Hersteller verzichtet ganz bewusst auf Dämpfungsschalter oder Filter. Auch wenn es sich trefflich darüber streiten lässt, ob es aus klanglichen Gründen nicht ohnehin immer besser ist, Vordämpfung und Hochpassfilterung dem nachgeschalteten Mikrofon-Preamp zu überlassen, gibt es viele überzeugte Verfechter dieses Konzepts. Angeblich sei damit jede Klangbeeinflussung von vorne herein ausgeschlossen. Wir enthalten uns insoweit einer Stellungnahme, denn entscheidend ist, was letztlich auf der Aufnahme zu hören ist. Jedenfalls bietet Schoeps – hier spielt das Modul-System seine Trümpfe aus – diverse Druckempfänger-Kapseln an. Für den Einsatz im Diffusschallfeld empfiehlt sich beispielsweise die Spezial-Kapsel MK3g, die umgekehrt für den Nahbereich wegen ihrer starken Höhenanhebung tunlichst keine Verwendung finden sollte. Die Kapsel MK2H weist übrigens auch einen dezente Höhenanhebung auf (siehe das Messdiagramm auf Seite) und ursprünglich wollten wir die ultralineare MK2-Kapsel für diesen Test. Schoeps teilte uns aber mit, dass die MK2 eher für die Messtechnik gedacht sei, die MK2H hingegen empfehle sich eher für Musik-Aufnahmen. Ein, wie wir finden sehr interessanter Hinweis, ist er doch Indiz dafür, dass ganz allgemein gesprochen, ein Mikrofonhersteller seine Kapseln gezielt auf bestimmte Einsatzzwecke abstimmt und extreme Linearität nicht immer musikalisch sein muss. „Musikalisch“ ist ein gutes Stichwort, wenn wir uns das Josephson C617SET näher betrachten. Wie bereits erwähnt und die Stammlesern wissen es längst: Dieses Mikrofon ist mit der MK221-Kapsel von Microtech Gefell ausgestattet, die zu den reinrassigen und, nebenbei erwähnt, besten Messkapseln überhaupt gehört. Diese Kapsel ist also herstellerseitig schon „ultraflat“, allerdings sorge der von Josephson selbst entwickelte Impedanzwandler für das gewisse Etwas, das dieses Mikrofon für anspruchsvollste Musikaufnahmen prädestiniere. Insider wissen, dass Gefell inzwischen mit dem M 221 ein Studio-Mikrofon mit der MK221 und einem eigenen Verstärker anbietet. Wir wollten das M 221 selbstverständlich ins Testfeld aufnehmen, denn es wäre sehr spannend gewesen, die klanglichen Unterschiede zum Josephson fachpraktisch zu ermitteln. Bedauerlicherweise konnten uns die Thüringer kurzfristig kein Demo-Exemplar zur Verfügung stellen. Daher werden wir das M 221 in der nächsten Ausgabe besprechen.

Das Earthworks QTC50 gehört ebenfalls zu den Puristenmikrofonen, denn der Druckempfänger mit seinem ultrarobusten Edelstahlgehäuse gibt sich in puncto Ausstattung ebenfalls spartanisch. Mit einem Kapseldurchmesser von gerade mal sieben Millimetern sieht es nicht nur wie ein typisches Messmikrofon aus. Rein theoretisch hat es damit die besten Voraussetzungen für eine annähernd ideale Kugelcharakteristik, denn der Kapseldurchmesser eines Ideal-Mikrofons dürfte maximal etwa fünf Millimeter betragen. Damit ist aber ein für Aufnahmezwecke nicht tolerabler schlechter Störabstand verbunden, weswegen Studio-Mikrofone insoweit immer einen Kompromiss darstellen. Das Earthworks ist, trotz seines bereits etwas vergrößerten Kapseldurchmessers, mit 65,8 Dezibel das Schlusslicht beim Geräuschpegelabstand. Der Hersteller kompensiert diesen konstruktionsbedingten Nachteil mit einer sehr hohen Empfindlichkeit von 36,3 mV/Pa, die nur vom Josephson C617SET mit gemessenen 36,7 mV/Pa übertroffen wird. Für die Praxis heißt das: Einen rauscharmen Preamp vorausgesetzt, ist störendes Rauschen auch bei leisen Signalquellen auf der Aufnahme kaum auszumachen. Verweilen wir doch direkt bei der Messtechnik: Nach dem C617SET und dem QTC50 gehören auch das DPA 4006A und das Sennheiser MKH 40 mit 25,3 mv/Pa beziehungsweise 26.6 mV/Pa zu den lautesten Mikrofonen, wobei das Sennheiser auch noch den mit Abstand besten Geräuschpegelabstand hat: Herausragende 82,0 Dezibel ermittelt das Messlabor. Alle übrigen Mikrofone glänzen ebenfalls mit sehr guten Messwerten, die, geringfügige Toleranzen, die unserem Messverfahren geschuldet sind, eingerechnet letztlich die Hersteller-Angaben bestätigen. Im Falle des C42-Pärchens von Josephson sind sowohl die vergleichsweise geringe Empfindlichkeit von 7,3 und 7,0 mV/Pa als auch die von einer starken Höhenanhebung geprägten Frequenzgänge (siehe die auf Seite 58 abgedruckten Diagramme) keineswegs Ausreißer: Die Messwerte entsprechen ziemlich genau der Angaben im Datenblatt. Insoweit erfüllen die Testmikrofone unsere hohen Erwartungen.  Bis auf eine Ausnahme: Das Miktek-Paar kann auch bei weniger strengen Maßstäben nicht mehr als „gematcht“ durchgehen, denn eine Differenz von 3mV/Pa ist nicht mehr tolerabel – nicht zuletzt auch angesichts des nicht eben niedrigen Preis des Stereo-Sets aus Nashville/Tennesee. Ob es sich beim Test-Paar um einen Ausreißer handelt oder  – was sehr viel gewichtiger wäre – können wir nicht sagen. Wir werden in jedem Fall ein zweites Set messtechnisch überprüfen und die Ergebnisse in einer der nächsten Professional audio-Ausgaben veröffentlichen. Kommen wir jetzt zum Wesentlichen, zum Praxistest. Wie einleitend schon erwähnt, fand der eigentliche Praxistest nicht im Professional audio-Projektstudio statt, sondern im Studio von Toningenieur Wolfgang Feder. Er schlug auch den Bassisten Norbert Jorzik vor: Zum Einen wegen seiner langjährigen Live- und Studio-Erfahrung sowie seiner Kompetenz, den Kontrabass sowohl klassisch „con arco“, also mit dem Bogen, als auch „pizzicato“/gezupft zu spielen. Zum Anderen, weil der Kontrabass echten Tiefbass liefert und damit das optimale Instrument ist, um die Übertragungsleistung der Mikrofone bei tiefen Frequenzen zu ermitteln. Auch wenn insoweit die Druckempfänger konstruktionsbedingt den Druckgradienten überlegen sind, gibt es – soviel sei schon verraten – einige Überraschungen.  

 

Der Konzertgitarrist Christian Winter sprang kurzfristig für die Aufnahme-Session ein, nachdem der von uns zunächst gewählte Musiker absagen musste. Unsere Wahl fiel auf die Konzertgitarre, weil Meistergitarren wegen ihres vielfältigen Farbenspektrums, das ein klassischer Gitarrist wie Christian Winter zu nutzen versteht, in puncto Auflösung sehr hohe Anforderungen an die Mikrofone stellen. Es geht vor allem um einen naturnahen Aufnahmeklang, der möglichst das beinhaltet, was der Musiker selbst hört. Sämtliche Testmikrofone sind nach den Herstellerangaben für solch subtil-diffizile Aufgaben geeignet, so dass der Aufnahmetest die beste Möglichkeit ist, dies in der Praxis zu verifizieren. Der Aufnahmeraum von Wolfgang Feder ist mit 18 Quadratmetern vergleichsweise klein und trocken. Trotz der Bedenken, die der Tontechniker im Vorfeld äußerte, sind die Klangunterschiede zwischen den verschiedenen Mikrofonen sehr deutlich. Um den Klang so unverfälscht und rein wie möglich einzufangen, vertraute Feder auf die allgemein als extrem neutral geschätzten Vorverstärker GML 2020 und 8304, verkabelt wurde mit Vovox Protect-Kabeln. Bei den Aufnahmen mit Pro Tools 192 I/O in 24Bit/96kHz-Auflösung kamen weder Kompressoren/Limiter noch Equalizer oder sonstige Prozessoren zum Einsatz. Alle Aufnahmen sind live in einem Take eingespielt, beide Musiker haben – wie Sie selbst hören können – hervorragende Arbeit geleistet. Alle Aufnahmen können Sie auf unserer Website www.professional-audio-magazin.de herunterladen. Die Klangbeispiele liegen sowohl in der originalen HD-Auflösung, in 16Bit/44,1kHz-Auflösung mit Weiss Saracon POWr3-Dithering und als MP3s mit 320 kbps konstanter Bitrate und Switch vor. Bedenken Sie beim Anhören, dass das Peak-Level wegen des bewussten Verzichts auf Dynamik-Prozessoren bei etwa –6dBFS liegt Unsere – im Rahmen dieses Tests sind das die Eindrücke von Wolfgang Feder, Norbert Jorzik, Christian Winter und der Redakteure – wollen wir Ihnen selbstverständlich nicht vorenthalten. Daher jetzt, in alphabetischer Reihenfolge, unsere Klangeindrücke: AKG C 480 B/CK 62 ULS und C 480 B/CK 61 ULS: Die Kugelkapsel CK 62 klingt zwar nicht völlig ausgewogen, kann aber mit einer sehr guten Tiefbasswiedergabe, die nur von den – erheblich teureren – von Schoeps und DPA übertroffen wird. In den Höhen vermissen wir ein wenig Feinzeichnung. Norbert Jorzik gefällt die CK 62 gut, Christian Winter klingt da Mikrofon tendenziell etwas zu brav und leicht künstlich, während Wolfgang Feder „gute, wenn auch nicht überragende Klangeigenschaften und durchaus Allrounder-Qualitäten“ attestiert.    Die Nierenkapsel liefert dagegen ein schlankes Klangbild, ohne dabei allzu präsent zu sein. Der Beiname „Ultra Linear“ trifft es sicher nicht – zumindest im direkten Vergleich mit den Nieren von DPA und Schoeps. Dennoch ein  guter Druckgradient, der vielseitig einsetzbar ist. 

 

DPA 4006A und 4011A: Der Druckempfänger 4006A kann mühelos einen Spitzenplatz belegen. Wolfgang Feder: „Das ist schon ein beeindruckendes Mikrofon. Alles ist da, Direktsignal und Raumanteil sind schön ausgewogen.“ Norbert Jorzik: „Der Bass klingt grandios, alle anderen Frequenzen sind da – wirklich klasse.“ Christian Winter: „Tolles Mikrofon, ich vermisse nichts, das klingt sehr natürlich.“ Demgegenüber klingt der Druckgradient 4011A etwas weicher, außerdem vermissen wir die Detailverliebtheit des Geschwisters: „Das tiefe G am Ende des gestrichenen Balladen-Parts ziehe von der Intonation her ein wenig rein – das höre ich hier nicht. Da fehlen Frequenzen.“, beschreibt Norbert Jorzik das Gehörte.  Klar, als Druckgradient kann das 4011A die hervorragende Basswiedergabe des 4006 nicht erreichen. Dennoch klingt es vergleichsweise bassig und fett, was der Gitarre besser steht, obwohl Christian Winter ebenfalls das 4006A vorzieht.        Earthworks QTC50: Dieses Mikrofon ist das schnellste im Testfeld – sein Impulsverhalten übertrifft die Mitbewerber. Das ist sehr schön nachhörbar bei den Backbeat-Slaps im rhythmischen Pizzicato-Part der Bass-Aufnahme. Insoweit spielt die sehr kleine Membran ihre Trümpfe aus. Klanglich folgt das Mikrofon anscheinend einer ganz eigenen Klangphilosophie: „Ich höre da mehr Kolophonium und die oberen Frequenzen, unten rum fehlt mir viel zu viel.“, meint Norbert Jorzik. Wolfgang Feder: „Für Bass und die Konzertgitarre würde ich es nicht nehmen. Als Overhead, gerade für Becken kann es aber sicher glänzen.“  Josephson C617SET und C42: Das C617SET ist extrem ausgewogen – kein Wunder bei MK221-Messkapsel. Norbert Jorzik lobt den sehr guten Tiefbassbereich und die präzise Raumabbildung, vermisst aber die Spitzigkeit in den Höhen, die beispielsweise das DPA 4006A liefert. „Verträumt“ nennt der Bassist das C617SET vor der Gitarre und Christian Winter bestätigt: „Für romantisches Repertoire gefällt es mir sehr gut, für polyphone Werke oder auch Moderneres fehlt mir aber auch die Spritzigkeit.“ Insgesamt bleibt das C617SET ein Spitzenmikrofon, das gerade wegen seiner Ausgewogenheit und Offenheit ein Allrounder ist. Ganz anders klingt das C42-Paar, denn was die Frequenzgänge andeuten, ist hörbar: „Die Aufnahme klingt, als hätte ich den Bass mit meinem Tonabnehmer abgenommen – das ist mir viel zu eng und spitz. “, so Norbert Jorzik. Christian Winter findet, dass seine volltönende Gitarre klanglich zum brillanten Flamenco-Instrument mutiert zu sein scheint und Wolfgang Feder vermutet beim C42 eine typisch amerikanische Abstimmung: „Die mögen es gerne präsent und höhenreich.“ Wir meinen, dass das C42 sehr gut als Overhead einsetzbar ist, auch matt klingende Saiteninstrumente kann es zu mehr Glanz verhelfen. 

Miktek C5P: Wegen der mäßigen Paargleichheit ist der Pegel des X-Mikrofons bei der Gitarrenaufnahme um fünf Dezibel anzuheben, beim Kontrabass kommt Wolfgang Feder mit  drei Dezibel aus. Der Toningenieur: „Das ist für ein Matched Pair nicht akzeptabel. Hier muss der Hersteller nachbessern.“ Davon abgesehen können die Mikteks klanglich durchaus gefallen: Der Klang ist beim Bass sehr druckvoll und fett, allerdings liefert ein Schoeps MK4/CMC 6 mehr Details, da die Karlsruher Kapsel einiges feiner auflöst. Norbert Jorzik attestiert dem Paar mehr als passable Klangeigenschaften auf „gehobenem Niveau“, Christian Winter ist der Klang jedoch zu künstlich. Insgesamt ein gutes Oberklasse-Nierenpaar, zur Spitzenklasse fehlt es aber an Feingliedrigkeit. Sennheiser MKH 20 P 48 und MKH 40 P 48: Das MKH 20 gehört messtechnisch zu den linearsten Kugeln, klingt dennoch ganz anders als ein C617SET. Norbert Jorzik: „Es ist zwar alles da, aber ich finde, dass beispielsweise bei Doppelgriffpassagen das Verhältnis der einzelnen Schwingungen etwas unausgewogen ist.“ Dafür lobt der Bassist die Höhenwiedergabe, die ihm weitaus besser gefällt als die des Josephson. Christian Winter findet den Klang etwas zu brav, setzt es aber auf Platz 3 –  hinter DPA und Schoeps. Einen schweren Stand hat das MKH 40, denn seine ihm eigene Basspower sorgt bei Kontrabass und Konzertgitarre für ein zu dunkles, etwas dumpfes Klangbild. Das MKH 40 ist und bleibt ein Spezialist, dass bei beispielsweise bei bassschwachen Gitarren einen angenehm crèmigen Klang liefern kann. Schoeps MK2H/CMC 6 und MK4/CMC 6: Unterm Strich gefällt allen die MK2H-Kapsel am Besten, denn neben der hohen Neutralität liefert das Mikrofon das ausgewogenste Verhältnis von Direktschall und Raum. Die  passgenaue Höhen-Dosis sorgt für beide Instrumente für ein sehr naturnahes Klangbild. Christian Winter: „Toll, alles ist da. Damit würde ich eine CD aufnehmen.“ Wolfgang Feder: „Ich bin seit Jahrzehnten Schoeps-Fan. Die haben es einfach drauf, direkte und indirekte Schallanteile fast perfekt auszubalancieren. Ich werde mir die Kapsel vielleicht zulegen.“ Die MK4 schlägt sich ebenfalls sehr gut, muss aber als Druckgradient speziell beim Bass gegen das DPA 4006 und die MKH2H einen großen Schritt zurücktreten. Gegenüber dem DPA 4011 klingt die MK4 allerdings neutraler und ausgewogener, wenngleich ein wenig distanziert. Summa summarum Platz 1 bei den Nieren.

Fazit 

Wer hätte das geahnt? Dass Druckempfänger und Druckgradienten nicht direkt vergleichbar sind liegt auf der Hand. Das allerdings auch messtechnisch völlig einwandfreie, soll heißen extrem  lineare, Mikrofone in der Praxis völlig anders klingen können, beweist unser Praxistest. Bei den Kugel-Mikrofonen teilen sich das DPA 4006A und das Schoeps MKH2/CMC 6 das imaginäre Siegertreppchen, wobei das Schoeps gleichzeitig noch vergleichsweise günstig ist. Überzeugen können auch das Josephson C617SET und das Sennheiser MKH 20 P 48 – beide Mikrofone erweisen sich trotz durchaus eigener Klangcharakteristika als universell einsetzbar. Das Earthworks QTC50 ist zwar Spitzenreiter beim Impulsverhalten, klanglich enttäuscht es uns allerdings etwas. Es klingt erstaunlich bassarm, seine Tiefenwiedergabe entspricht nicht dem sehr guten Höhenbereich. Ein guter Kauf ist das günstige AKG C 480 B/CK 62 ULS. Wenngleich es nicht die hohe Ausgewogenheit der Spitzenreiter erreicht, ist es doch ein gutes Kugelmikrofon, das zudem sehr günstig zu haben ist. Bei den Druckgradienten ist das Schoeps MK4/CMC 6 in der Summe seiner Eigenschaften am Überzeugendsten. Das immerhin fast 400 Euro teurere DPA 4011A ist zwar auch ein Top-Mikrofon, klingt aber weicher und tendenziell zu bassbetont. Das gilt auch für den Sennheiser-Klassiker MKH 40 P 48, wobei sein alles andere als neutraler, dafür sehr kräftig- fetter Klang sicher weiterhin seine Liebhaber finden wird. Noch spezieller als das Sennheiser klingt das Josephson C42: Der Klang ist sehr präsent-brillant und für akustische Saiten-Instrumente nur eingeschränkt empfehlenswert. Als Overhead macht das ansonsten tadellos verarbeitete und gut abgestimmte Stereopaar sicherlich eine gute Figur. Grundsätzlich gute Klangeigenschaften haben auch die beiden C5-Nieren von Miktek. Außerdem liefern sie einen überzeugend druckvollen Sound. Allerdings erwarten wir eine bessere Paargleichheit – nicht nur angesichts des nicht eben niedrigen Preises. Dagegen ist das günstige AKG C 480 B/CK 61 ULS mit seinem schlanken, etwas bassschwachen  Grundklang ein ordentliches Mikrofon, das sich, wenngleich es sicherlich nicht „ultra linear“ ist, als Aufsteigermikrofon anbietet. Wer allerdings höchste Präzision und Musikalität verlangt, wird, das ist zumindest das Ergebnis dieses Praxis-Vergleichstests, die 1.000 Euro Schallmauer durchbrechen müssen. Dafür erhält er aber auch ein echtes Spitzenmikrofon, das ein Tonmeisterleben treue Dienste leisten wird. 

Wolfgang Feder 

Wolfgang Feder absolvierte eine Ausbildung in Mess- und Regeltechnik und studierte Nachrichtentechnik. Seit 1981 ist er selbstständig im Bereich Ton und Technik und verfügt über eine in langjähriger Praxis gewachsene Erfahrung in der professionellen Veranstaltungstechnik und ein vertieftes Wissen um den tontechnisch-künstlerischen Prozess der Zusammenführung von Technik und Musik. Er betreibt im Kölner Norden sein 1991 eröffnetes Ton- und Mastering-Studio (www.studio-feder.de), wo auch die Aufnahmen für diesen Praxis-Vergleichstest entstanden sind.

Norbert Jorzik 

Der Kontrabassist Norbert Jorzik wurde 1961 in Köln geboren. Er ist als Komponist und Musiker sowohl in der Klassik als auch im Jazz zu Hause. Er studierte an der Folkwang-Hochschule für Musik in Essen, wirkte bereits auf unzähligen Produktionen mit, schuf viele Auftragswerke und konzertiert im In- und Ausland. Neben Orchester- und Ensemblearbeit spielt er Programme für Kontrabass alleine. Norbert Jorzig lebt heute im Oberbergischen, wo auch der Sitz seines Studios ist und unterrichtet neben seiner Komponisten, und Konzert- und Studioarbeit an der Musikschule Waldbröl.

Christian Winter 

Christian Winter ist Jahrgang 1982 und studierte Klassische Gitarre an der Musikhochschule Köln, Außenstelle Aachen bei Hans-Werner Huppertz. Meisterkurse bei Prof. Roberto Aussel, Prof. Thomas Offermann, Peter Katona und Prof. Hubert Käppel rundeten seine Studien ab. Neben seiner Konzertätigkeit als Solist und Kammermusiker ist er Dozent für klassische Gitarre an verschiedenen Musikschulen. 2008 gründete er zusammen mit der Flötistin Nina Holschbach das Duo AIX’acte(www.duoaixacte.de), derzeit bereitet er ein Soloalbum mit Gitarrenmusik aus drei Jahrhunderten vor.

Erschienen in Ausgabe 09/2011

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 688 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: sehr gut