Großkopfrennen
Im zweiten Teil unseres großen Vergleichstests „Kostengünstige Kondensatormikrofone„ treten diesmal 15 Großmembran-Mikrofone zum ultimativen Mess- und Hörtest in einem spannenden Großkopfrennen an.
Von Harald Wittig
In der Ausgabe 9/2009 haben wir 22 Kleinmembran-Mikrofone bis 200 Euro auf Kapsel und Niere überprüft und waren selbst überrascht, wie viel Mikrofon es heute schon für wenig Geld gibt. Wie angekündigt, widmen wir uns diesmal den Großmembranen und haben 15 Modelle unterschiedlicher Hersteller für Sie ausgesucht. Das Großmembran-Kondensatormikrofon gilt nach wie vor als das Studio-Mikrofon schlechthin: Die Großkopferten wirken imposanter als ihre Stäbchen-Kollegen und es umgibt sie die Aura des Profi-Mikrofons. In diese Kerbe schlagen gerade die Hersteller von kostengünstigen Schallwandlern nur allzu gerne und versprechen „professionelle Klangqualität zum Budgetpreis“. Davon abgesehen, dass sich auch mit „Billig“-Mikrofonen achtbare Aufnahmen erstellen lassen, wollten wir doch ganz genau wissen, ob solche Aussagen allein Produkt der dichterischen Freiheit von Marketing-Experten sind oder die Kluft zwischen den vermeintlichen „Billigheimern“ und den Spitzenmikrofonen der namhaften Manufakturen tatsächlich schmaler geworden ist.
Dafür haben wir, wie schon im Falle der Kleinmembranen einen Teil der Messungen im Labor des renommierten Mikrofon-Herstellers Schoeps anfertigen lassen. Denn die Angaben in den beiliegenden Datenblättern, namentlich die abgedruckten Polardiagramme und Frequenzgänge sind häufig reine Kataloggrafiken, die mit dem individuellen Mikrofon allenfalls weitläufig in Beziehung stehen. Ausnahmen, das hat schon der vorherige Test gezeigt, bestätigen die Regel. Sie finden sämtliche Kurven und Polardiagramme im Downloadbereich.
Messtechnik ist eine Seite der Testmedallie, der Klangtest die andere, für viele Praktiker ganz klar die entscheidende. Selbstverständlich haben wir mit allen 15 Testkandidaten jede Menge Aufnahmen angefertigt – insgesamt 60 Aufnahmen sind es geworden. Wir haben, um verlässliche Informationen zu erhalten, mit verschiedenen Mikrofonpositionen experimentiert. Dabei wollten wir auch herausfinden, inwieweit die Testkandidaten in der Lage sind, unterschiedliche Klangfarben einzufangen. Einen Teil der vielen Aufnahmen, es handelt sich um Sprachaufnahmen und solche mit einer hochwertigen Kohno 30 J Professional Konzertgitarre, finden Sie ebenfalls auf unserer Website. Auch diesmal haben Sie unbeschränktem Zugang auf die wie immer live eingesprochenen und eingespielten Klangbeispiele, denn auch wenn ein solcher Testmarathon in Arbeit ausartet, richtig Spaß macht es doch. Diesen Spaß möchten wir mit Ihnen teilen.
Audio-Technica AT2020 und AT2035
Erwachsen
Audio-Technica erweitert seine Produktpalette ständig – da fällt es nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Zu den Neuzugängen im Bereich Recording-Mikrofone gehören die Modelle AT2020 und AT2035. Beide werben um die Gunst des kostenbewussten Ein- oder Aufsteigers, denn mit 142 (AT2020) und 213 (AT2035) Euro gehören sie zu den günstigsten Kondensatormikrofonen des japanischen Traditionsherstellers. Wenig überraschend, dass beide Testkandidaten nicht in Japan, sondern in China (AT2020) beziehungsweise in Taiwan (AT2035) gefertigt sind. Die tiefschwarzen Gehäuse sind jedenfalls typisch für Audio-Technica – von „Schmuckfarbe“ möchten wir jetzt nicht reden – und sehen aufs erste Hinsehen den professionellen Mikrofonen der 4000er-Serie, die exklusiv in Japan gefertigt werden, verblüffend ähnlich. Es handelt sich allerdings beides Mal nicht um sogenannte Echtkondensatormikrofone sondern um Back-Elektret-Mikrofone. Bei dieser Konstruktion muss die für den Betrieb notwendige Polarisationsspannung für den Kapselkondensator nicht extern zugeführt werden, sondern wird intern mittels einer speziellen, mit einer Ladung versehenen Kunststofffolie – der Elektret-Folie – bereitgestellt. Selbstverständlich handelt es sich bei AT2020 und AT2035 um zeitgemäße Elektret-Mikrofone, bei denen die Gegenelektrode mit dem Elektret-Material beschichtet ist. Grundsätzlich sind Elektret-Mikrofone robuster als die Echt-Kondensator-Kollegen, klangliche Abstriche sind heutzutage nur noch in Ausnahmefällen zu machen.
Beide Testkandidaten hinterlassen einen wertigen Eindruck, denn verarbeitungsmäßig ist sowohl beim AT2020 als auch beim AT2035 alles im grünen Bereich. Das teurere AT2035 ist indes besser ausgestattet, denn es verfügt über Dämpfungsschalter und Hochpassfilter, außerdem befindet sich im Lieferumfang eine gute Spinne. Das AT2020 muss mit einer starren Halterung auskommen, die aber ihren Zweck, das feinfühlige Ausrichten und sichere Halten um Stativ klaglos erfüllt. Dennoch empfehlen wir die Anschaffung der elastischen Halterung des AT2035: Die passt auch zum AT2020, federt Vibrationen sicher ab, ist allerdings im Fachhandel kaum unter 75 Euro zu bekommen.
Anders als viele andere Elektret-Mikrofone – siehe hierzu auch den großen Kleinmembran-Test in Ausgabe 9/2009 – sind das AT2020 und das AT2035 alles andere als flüsterleise: Für das AT2020 ermittelt das Messlabor 13,7 mV/Pa, ein Empfindlichkeitswert auf dem Niveau vieler Echtkondensatormikrofone. Das AT2035 bringt es sogar auf 23,9 mV/Pa. Bei beiden Testkandidaten muss der nachgeschaltete Mikrofon-Vorverstärker für einen praxisgerechten Arbeitspegel also nicht all zu hoch ausgesteuert werden. Unkritisch erweisen sich in diesem Zusammenhang auch die guten beziehungsweise sehr guten Geräuschpegelabstände: Mit einem Wert von 80,2 Dezibel erweist sich das AT2020 als praktisch rauschfrei, auch bei sehr leisen Signalquellen. Das AT2035 toppt diesen schon guten Wert allerdings noch: Mit den gemessenen 85,7 Dezibel kann störendes Rauschen auf der Aufnahme viele Ursachen haben, von diesem Mikrofon kommt es nicht.
In klanglicher Hinsicht ist den Testkandidaten ihre nahe Verwandtschaft anzuhören: Sowohl das AT2020 als auch das AT2035 haben eine gute Auflösung und ein – zumindest für Großmembranen – recht gutes Impulsverhalten. Der Grundklang ist beides Mal eher schlank. Allerdings hat das AT2020 zusätzlich einen gewissen Präsenzanteil im Klang, worauf auch der abgebildete Frequenzgang einen Hinweis gibt. Diese klangliche Tendenz gefällt uns gut für Sprachaufnahmen, denn die Sprachverständlichkeit ist, unabhängig
von der Stimmlage, sehr gut. Auch für Gesang eignet sich das günstige Mikrofon, die etwas überbetonten Zischlaute verlangen aber nach dem Einsatz eines guten De-Essers. Für Instrumente, es sei denn als Overhead fürs Schlagzeug, ist das AT2020 nur mit der Einschränkung zu empfehlen, als dass es beispielsweise indifferent und tiefmittig-mulmig klingenden Konzertgitarren eine auffrischende Brillanz gibt. Das AT2035 ist eine Klasse besser, denn hier machen wir keine übertriebene Hochmitten- oder Höhenpräsenz aus. Auch wenn es in der klanglichen Grundtendenz die Audio-Technica-typische Schlankheit aufweist, klingt es doch deutlich erwachsener und satter als sein Geschwister. Damit ist dieses Mikrofon ohne Weiteres als vielseitiges Solistenmikrofon mit semiprofessionellem Anspruch einsetzbar und ist guten Gewissens auch Aufsteigern zu empfehlen.
AT2020: Gut verarbeitetes, technisch ausgereiftes Back-Elektret-Mikrofon mit schlankem, etwas präsentem Klang. Geeignet als Sprecher-, Gesangs- und Overhead-Mikrofon.
AT2035: Messtechnisch und klanglich sehr überzeugendes Mikrofon, klingt schlank ohne übertriebene Präsenzanteile und ist universell einsetzbar.
Behringer B1 und B2 Pro
Unspektakulär
Behringer, die heimliche Kultmarke vieler Recording-Einsteiger, deckt mit seinem umfangreichen Produktsortiment fast alle Gerätegattungen ab, die fürs Aufnehmen relevant sind und selbstverständlich gehören auch Großmembran-Kondensatormikrofone zum Angebot. Dass sich der deutsche Hersteller mit eigenen Produktionsstätten in China seinen guten Ruf vor allem wegen des im Allgemeinen sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses seiner Produkte verdient hat, dürfte sich herumgesprochen haben: Auch die in Ausgabe 9/2009 getesteten Kleinmembran-Mikrofone B5 und C-2 haben sich wacker geschlagen und wir sind gespannt, was die beiden Großmembranen, das B1 und das B2 Pro, die wir für diesen Test ausgesucht haben, zu bieten haben. Beide Mikrofone sind Echtkondensatormikrofone, werden im passablen Kunststoffköfferchen geliefert und beide sind schon mal praxisgerecht ausgestattet. Das mit gerade mal 109 Euro sehr günstig zu habende B1 verfügt über einen Dämpfungsschalter und einen Hochpassfilter, die mitgelieferte Spinne sowie ein großer Windschutz aus Schaumstoff komplettieren das Paket und erweisen sich als schlichtes, aber brauchbares Zubehör. Das rund 80 Euro teurere B2 Pro unterscheidet sich äußerlich kaum vom B1, hier zählen die inneren Werte. Dieses Mikrofon ist nämlich umschaltbar, so dass dem Anwender neben der Niere noch die Richtcharakteristiken Kugel und Acht zur Verfügung stehen. Selbstverständlich geschieht die Umschaltung nicht auf mechanischem, sondern, wie üblich bei Großmembran-Mikrofonen, auf elektrischem Wege. Durch Aufschaltung unterschiedlicher Polarisationsspannungen auf die beiden Nierenkapseln werden durch Summierung der Ausgangssignale unterschiedliche Richtcharakteristiken erzeugt. Wichtig und wissenswert: Solche Mikrofone – das gilt logischerweise auch für die teuren Edel-Kollegen namhafter Hersteller – bleiben Druckgradienten. Deswegen können diese Mikrofone beispielsweise in Kugel-Charakteristik nie die exzellente Tiefenwiedergabe eines Druckempfängers erreichen.
Beide Mikrofone sind mehr als ordentlich verarbeitet und erweisen sich bei der praktischen Handhabung als unproblematisch. Die Kipp- Schalterchen unter den fächerförmigen Schutzkörben, zuständig für die Aktivierung von Vordämpfung, Hochpassfiltern oder Wahl der Richtcharakteristik, sind einfach zu verstellen und rasten sicher ein. Diese Lösung gefällt uns besser als die Schiebeschalter einiger Mitbewerber, die unhandlicher sind.
Im Messlabor behauptet sich das B1 mit fester Nierencharakteristik als achtbarer Testkandidat: Mit seiner gemessenen Empfindlichkeit von 17,3 mV/Pa ist es ein durchschnittlich lautes Mikrofon, dass auch mit Mikrofon-Vorverstärkern ohne große Verstärkungsreserven gut zusammenarbeitet. Hinzu kommt ein sehr guter
Wert für den Geräuschpegelabstand von 82,1 Dezibel, der auch deutlich teureren Mikrofonen gut zu Gesicht stände. Damit ist das B1 praktisch rauschfrei und auch im Praxistest machen wir keinerlei störendes Eigenrauschen des Mikrofons aus. Das B2 Pro erreicht diese sehr guten Werte nicht ganz. So beträgt beispielsweise die Empfindlichkeit in Nieren-Charakteristik 14,9 mV/Pa bei einem Geräuschpegelabstand von 79,6 Dezibel (für die Kugel und die Acht siehe die Tabelle auf Seite 42). Dennoch handelt es sich immer noch um gute Werte und auch das B2 Pro darf sich mit dem Prädikat „praktisch rauschfrei“ schmücken.
Die Frequenzgänge für die Nieren-Charakteristik (die übrigen Messdiagramme finden Sie im Download-Bereich) sind bis drei kHz sehr ähnlich und fast deckungsgleich. Danach fällt beim B2 Pro eine kleine Anhebung zwischen drei und fünf Kilohertz auf, die im Gipfel bei vier Kilohertz etwa zwei Dezibel beträgt, auf. Die Großmembran-typische Höhenanhebung fällt mit maximal sechs Dezibel bei neun Kilohertz noch gering aus, allerdings weist das B1 nur eine vernachlässigbar geringe Höhenanhebung von knapp drei Dezibel auf. Insgesamt ist der Kurvenverlauf beider Behringers überzeugend. Rein messtechnisch müssen sich diese Mikrofone jedenfalls nicht verstecken.
Beide Mikrofone bieten bei der Auflösung solide und damit unspektakuläre Hausmannskost. Feinste Details verschlucken B1 und B2 Pro großzügig, was allerdings den Vorteil hat, dass der aufgenommene Musiker nicht superpenibel spielen muss. Klanglich, soll heißen in Bezug auf das Timbre der Testmikrofone, zeigen sich hingegen Unterschiede: Das B1 besitzt einen farbig Klang mit
einem guten Mittenband und leichten Präsenzanteilen. Das Mikrofon reagiert gutmütig auf verschiedene Anschlagarten bei den Gitarrenaufnahmen und gefällt auch bei den Sprachaufnahmen. Unterm Strich erweist es sich als solides, unauffälliges, gleichwohl vielseitig einsetzbares Mikrofon. Das B2 Pro klingt demgegenüber in den Mitten geringfügig fülliger, allerdings ab den Hochmitten zunehmend schärfer. Hier ist ein wenig Vorsicht geboten, denn je nach Anschlagsintensität und Klangfarbe können die höheren Frequenzbereiche schnell zu vordergründig geraten. Insoweit lohnt es sich wirklich, wenn bei der Aufnahme von Zupfinstrumenten der Musiker sich auf dieses Mikrofon einstellt. Bei angemessenem Spiel lassen sich gut klingende Aufnahmen erstellen, die klangliche Eigentümlichkeit des B2 Pro macht es zum Kandidaten als Schlagzeug-Overhead, wer sich Zeit zum Experimentieren lässt, kann es gewinnbringend für unterschiedliche Aufgaben einsetzen.
B1: Technisch überzeugendes, klanglich unspektakuläres, aber solides Einsteigermikrofon, das sich vielseitig einsetzen lässt.
B2 Pro: Klanglich etwas unausgewogen, dennoch vielseitig einsetzbar, vorzugsweise aber für Sprache und Gesang oder als Overhead.
M-Audio Nova
Angenehm
Das Nova von M-Audio, ein Echtkondensatormikrofon mit fester Nierencharakteristik, haben schon zahlreiche Anfänger im Paket mit einem Audio-Interface desselben Hauses erworben. Vorsorglich hat der Hersteller noch ein XLR-Anschlusskabel beigepackt, damit der Realisierung der ersten Projekte nichts mehr im Wege steht und die Inspiration fließen kann. Das Nova erinnert äußerlich an zahlreiche Mitbewerber oder Verwandte aus dem Reich der Mitte, bietet aber zumindest in puncto Verarbeitung einen guten Gegenwert für den günstigen Preis von 114 Euro. Ausstattung und Zubehör beschränken sich aufs Notwendigste, wobei selbstverständlich in erste Linie die konstruktive und klangliche Basis zu stimmen hat. Insoweit hat das Mikrofon durchaus was zu bieten: Mit 12,5 mV/Pa ist es zwar nur durchschnittlich laut, angesichts des guten Geräuschpegelabstand von 78,4 Dezibel verhält es sich in der Praxis tolerabel im Hinblick auf sein Eigenrauschen. Tatsächlich hören wir – anhängig vom Aufnahme- und Wiedergabepegel – ein sehr dezentes Hintergrundrauschen, das aber tonal nicht stört und keinesfalls ohrenfällig ist.
Der Frequenzgang weist neben der Großmembran-typischen, aber noch geringen Höhenanhebung einen steten Abfall zu den tiefen Frequenzen hin auf. Das ließe auf einen eher schlanken Klang schließen, tatsächlich klingt das Nova in der Grundtendenz aber eher warm. Hinzu mischen sich leichte Höhenpräsenzen, die für mehr Farbigkeit sorgen und das Mikrofon vor klanglicher Mattigkeit bewahren. Der eigene Klang des Nova ist angenehm und passt zu Stimmen, Saiteninstrumenten und Holzbläsern, zumal die Auflösung recht gut und vergleichsweise detailliert ist.
Nova: Ordentliches Mikrofon mit eigenem, tendenziell warmem Klang, der angenehm ins Ohr geht und gut zu Stimmen, Saiteninstrumenten und Holzbläsern passt.
MXL 9000
Warm
Das MXL 9000 ist ein Röhren-Großmembran-Kondensatormikrofon mit fester Nierencharakteristik, das den heutzutage wieder sehr begehrten „warmen Röhrensound“ für günstige 205 Euro ins Heimstudio bringen will. In schlichtes Grau gewandet setzt MXL auf optisches Understatement, denn das 9000 soll vor allem klanglich überzeugen. An der Verarbeitung ist nichts auszusetzen: Das Mikrofon selbst hinterlässt einen soliden Eindruck, ebenso das Netzteil. Die mitgelieferte Spinne ist sogar von recht guter Qualität, außerdem gehört ein Reduziergewinde, das nur allzu oft fehlt, zum Lieferumfang. Das Anschlusskabel ist ebenfalls von guter Qualität, denn es stammt vom renommierten Kabelspezialisten Mogami und ist keine fragwürdige No-Name-Strippe.
Im Messlabor beweist das 9000, dass ein günstiges Röhrenmikrofon zumindest messtechnisch auf Augenhöhe mit manchem Edel-Schallwandler sein kann: So beträgt der Geräuschpegelabstand bei einer mittleren Empfindlichkeit des Mikrofons von 15,4 mV/Pa 78,7 Dezibel. Ein sehr guter Wert für ein Röhrenmikrofon, den beispielsweise auch ein AKG C12 VR nicht übertreffen kann und der übrigens besser ist, als die im Datenblatt angegebenen 72 Dezibel. Das 9000 ist somit sehr rauscharm, das sehr geringe Restrauschen gefällt tonal – vielleicht ein Tribut an die Röhrenschaltung. Der Frequenzgang weist keine Auffälligkeiten auf, abgesehen von einem leichten Abfall unterhalb 400 Hertz und einer kleinen Senke zwischen sechs und acht Kilohertz.
Klanglich wird das Graue den immer noch verbreiteten Erwartungen an ein Röhrenmikrofon insoweit gerecht, als dass es tatsächlich sehr warm klingt. Wobei dafür in erster Linie ein dominierender Mittenbauch verantwortlich ist. Die Bässe sind eher schlank und zurückhaltend, was auch für die Höhen gilt. Diese sind etwas bedeckt, was sicherlich auch an der insgesamt nur durchschnittlichen Auflösung liegt. Der mittig-warme Klang des 9000 hat gleichwohl seinen Reiz und kann sehr höhenreich-brillant bis blechern klingenden Instrumenten ein angenehmeres Timbre verleihen. Auch Stimmen profitieren von dem Mikrofon, zumal wegen der zurückhaltenden Höhen Zischlaute zurücktreten.
9000: Ein Röhren-Mikrofon für Einsteiger mit betont mittig-warmem Klang, das sehr brillanten Instrumenten oder leicht schrillen Stimmen ein angenehmes Timbre verleiht.
Oktava MK-101
Klar
Das MK-101 ist mit 195 Euro das günstigste Großmembran-Echtkondensatormikrofon der im russischen Tula beheimateten Mikrofon-Manufaktur. Mit seiner ungewöhnlichen Pilzform zieht es schon mal die Blicke auf sich. Oktava bekennt sich eben zu einem ganz eigenen Stil, was angesichts der äußerlich sehr ähnlichen Fernost-Mikrofone im unteren Preissegment erfrischend ist. Hinzu kommt der ganz spezielle, etwas hausbacken-rustikale Charme der Oktavas, angefangen beim Gehäusefinish bis hin zum Holzetui. Oktava-typisch liegt auch dem MK-101 das aktive Dämpfungsglied bei, das zwischen Kapsel und Verstärkereinheit geschraubt, eine Dämpfung um zehn Dezibel bewirkt. Die Verarbeitung ist gut, angefangen beim sehr robusten, massiven Drahtschutzkorb, der die empfindliche Kapsel behütet, bis zu den feingeschnittenen Anschlussgewinden von Dämpfungsglied und Verstärkereinheit.
Oktavas haben einen professionellen Anspruch, dementsprechend gut sind die Messwerte: Bei einer Empfindlichkeit von 15,6 mV/Pa ist das Mikrofon dank seines sehr guten Geräuschpegelabstand von 81,7 Dezibel praktisch rauschfrei. Der Frequenzgang ist bis vier Kilohertz sehr ausgewogen, danach fällt eine Senke auf, die bei fünf Kilohertz vier Dezibel beträgt. Die Großmembran-typische Höhenanhebung ist hingegen nur sehr gering ausgeprägt.
Das MK101 löst gut auf und setzt sich damit von den meisten gleichteuren Mitbewerbern ab. Hinzu kommt ein insgesamt ausgewogener, erfreulich klarer Grundklang, womit sich das Mikrofon auch für die naturnahe Aufnahme sensibler Instrumente empfiehlt. Vollkommen neutral ist das MK-101 dennoch nicht, denn es besitzt unterschwellig eine gewisse Kernigkeit – quasi die Oktava-Signatur. Nicht zu verwechseln mit Schärfe sorgt dieser charakteristische klangliche Fingerabdruck für ein Quäntchen mehr Kontur und Kantenschärfe, die allen Stimmen und vor allem Saiten- und Holzblasinstrumenten gut steht.
MK-101: Gutes Mikrofon, das dank seiner guten Auflösung und seines klaren, insgesamt ausgewogen Klangs vielseitig für Sprache, Stimme und Instrumente einsetzbar ist.
Samson CL 7
Präsent
Laut Hersteller ist das Samson CL 7 der ultimative Preisbrecher, der für schlappe 153 Euro professionelle Qualität auf dem Niveau zehnmal so teurer Mikrofone bietet. Fakt ist jedenfalls, dass das CL 7 ein mit Dämpfungsschalter und Hochpassfilter ausgestattetes Echtkondensatormikrofon ist, das in puncto Verarbeitung keinen Anlass für Nörgeleien gibt. Auch die starre Halterung kann bei der Handhabung überzeugen – das Mikrofon findet mittels Überwurfmutter sicheren Halt und lässt sich problemlos zur Schallquelle hin ausrichten. Wer allerdings die im Datenblatt genannte Spinne SP01 hinzukaufen möchte, wird enttäuscht, denn Samson hat sie aus dem Programm genommen. In Vorbereitung soll aber ein Nachfolgemodell sein, das wie die SP01 für rund 40 Euro über die Ladentheke gehen soll.
Mit gerade mal 8,8 mV/Pa ist das CL 7 leise – seine Empfindlichkeit lässt eher ein Elektret-Mikrofon vermuten. Bei dieser geringen Empfindlichkeit ist der gemessene Geräuschpegelabstand von 73,9 Dezibel nicht unproblematisch. Zumindest bei sehr hoher Aussteuerung des Mikrofon-Vorverstärkers fällt uns ein dezentes Eigenrauschen des CL 7 auf, bei mittleren, gleichwohl praxisgerechten Arbeitspegeln erweist sich das Mikrofon unterm Strich als rauscharm. Der Frequenzgang zeigt bereits unterhalb zwei Kilohertz eine zwar sanfte, aber stete Anhebung auf, die bei fünf Kilohertz knapp über vier Dezibel liegt. Dagegen fällt die Kurve unterhalb 400 Hertz gleichmäßig, aber stetig ab.
Der Frequenzgang gibt schon eine Anmutung des CL 7-Klanges: Dieses Mikrofon klingt bei durchschnittlicher bis guter Auflösung tendenziell etwas hell und präsent. Während die schlanken Bässe gut gefallen, schwächelt das CL 7 vor allem in den Tiefmitten. Für tiefe bis mittlere Sprecher- und Gesangsstimmen eignet sich das Mikrofon gut, auch für sehr bassstarke Gitarren mit gut genährtem Mittenbauch wirkt es im positiven Sinne verschlankend. Als Overhead-Mikrofon macht es schließlich eine richtig gute Figur, denn Becken bekommen eine gewisse Strahlkraft.
CL 7: Ordentliches Mikrofon mit fast guter Auflösung und einem eher hell-präsenten Klang. Für mittlere Stimmen, als Overhead und für matt klingende Saiteninstrumente geeignet.
Sirus KXM-100
Eigensinnig
Das Sirus KXM-100 gehört zu den günstigsten Echtkondensatormikrofonen in Großmembranbauweise überhaupt. Mit gerade mal 80 Euro schlägt es zu Buche – billiger geht ´s nimmer. Das KXM-100 ist ausgestattet mit Dämpfungsschalter und Hochpassfilter, die jeweils über zwei Schiebeschalter unter dem Schutzkorb zu aktivieren sind. Besser gefällt uns da die Kippschalter-Lösung wie sie beispielsweise Behringer und Sontronics bieten, andererseits ist an der Funktion nichts auszusetzen: Die Schalter rasten sicher ein und verstellen sich beispielsweise beim Montieren des Mikrofons nicht ungewollt. Die Spinne ist sogar – anders als bei einigen anderen Billiganbietern – von mehr als passabler Qualität, lediglich ein Reduziergewinde ist anscheinend dem Rotschrift zum Opfer gefallen.
Das KXM-100 gehört mit gemessenen 8,8 mV/Pa zu den eher gering empfindlichen Mikrofonen, was angesichts des nur mittelmäßigen Geräuschpegelabstands von 73,9 Dezibel problematisch – Stichwort Eigenrauschen – sein könnte. Wir können aber Entwarnung geben: Das KXM-100 ist tatsächlich ein rauscharmes Mikrofon, dessen Eigenrauschen erst bei sehr hoher Aussteuerung auffällt. Der Frequenzgang weist bereits unterhalb 800 Hertz einen konstanten Abfall zu den tiefen Frequenzen hin auf, ein Charakteristikum, dass bei einigen der günstigen Großmembran-Mikrofonen dieses Testfelds auffällt.
Die Auflösung des KXM-100 tendiert zu einem „fast gut“, womit das Mikrofon Anschluss an einige doppelt so teure Mitbewerber hält. Diesen Pluspunkt kann es aber nicht recht ausspielen, denn sein Grundklang ist eher eigenwillig: Grundsätzlich sehr schlank, klingt das KXM-100 etwas nasal. Diese spezielle Färbung behält es immer. Wir haben bei den Gitarren-Aufnahmen mit verschiedenen Positionen experimentiert, das KXM-100 zeigt sich davon unbeeindruckt, sein klanglicher Eigensinn dominiert stets über den Klang des Instruments. Auch Stimmen bekommen unabhängig von der Stimmlage ein leicht verschnupftes Timbre, wobei das KXM-100 mit tiefen Stimmen besser zusammenarbeitet als mit mittleren und hohen.
KXM-100: Eigenwilliges Einsteigermikrofon bei dem der sehr eigene, etwas nasale Klang dominiert. Für dumpf klingende Saiteninstrumente und etwas breiige Stimmen eingeschränkt empfehlenswert.
SM Pro Audio MC01
Füllig
SM Pro Audio gehört ebenfalls zu den bekannteren Anbietern von günstigem Recording-Equipment, wobei der Hersteller bewusst auf ein überschaubares Sortiment mit meistens gutem bis sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis setzt. Das MC01 gehört zur nur drei verschiedene Modelle umfassenden Mikrofonpalette. Im Angebot sind neben diesem Echtkondensatormikrofon aus chinesischer Fertigung noch ein Bändchen-Mikrofon (Test in Ausgabe 2/2007) sowie ein Röhren Großmembranmikrofon. Das MC01 ist mit 149 Euro das mit Abstand günstigste Mikrofon im Terzett. Äußerlich gleicht das MC01 sehr dem T-Bone SC-450, wie dieses ist es mit Dämpfungsschalter und Trittschallfilter ausgestattet. Ob beide Mikrofone aus demselben Werk kommen, können wir indes nur mutmaßen. Ein markantes Detail ist allerdings dem MC01 vorbehalten: Hinter dem Drahtschutzkorb erstrahlt bei anliegender Phantomspannung eine blaue LED, die damit über Betriebszustand und Einsprechrichtung informiert – das sieht gut aus und ist praktisch. Ansonsten beschränkt sich die weitere Ausstattung aufs Wesentliche: Eine brauchbare Spinne und ein Pencil-Case zur Verwahrung des Mikrofons.
Wie einige Mitbewerber auch, ist das MC01 kein übermäßig empfindliches Mikrofon: Mit 9,3 mV/Pa ist es eher leise, allerdings erweist es sich dank eines guten Geräuschpegelabstands von 76,4 Dezibel als rauscharm. Auf den Testaufnahmen machen wir kein störendes Rauschen aus. Der Frequenzgang weist eine weitere Ähnlichkeit zum T-Bone SC 450 auf, allerdings ist der Abfall zu den tiefen Frequenzen beim MC01 ausgeprägter.
Das MC01 beweist in der Praxis, dass Frequenzgänge allenfalls einen Hinweis auf den Klang geben können, denn dieses Mikrofon klingt erstaunlich füllig und rund. Insgesamt ist der Klang erfreulich ausgewogen bei guter Auflösung. Dadurch stellt es bei der Aufnahme verschiedene Anschlagspositionen und Klangfarben bei den Gitarrenaufnahmen gut dar. Es lohnt sich, mit diesem Mikrofon den sogenannten Sweet-Spot ausfindig zu machen. Auch für Sprache und Gesang kann das MC01 gefallen, wobei es zu jeder Stimmlage passt.
MC01: Gutes, vielseitig einsetzbares Mikrofon mit ausgewogen-fülligem Klang der gut zu allen Stimmen und Saiten- und Holzblasinstrumenten passt.
Sontronics STC-2
Sanft
Das Sontronics STC-2 gehört zu den günstigen Mikrofonen, die sich optisch von der Masse abheben. Mit seinem seidenmatten Schwarz-Finish und dem goldfarbenen Zierring geht von dem Mikrofon eine nostalgische Eleganz aus, die in der heutigen Zeit wohltuend anachronistisch wirkt. Das STC-2 ist mit Dämpfungsschalter und Trittschalfilter ausgestattet, wobei beide Funktionen über sicher rastende Kippschalter zu aktivieren sind, die ein versehentliches Verstellen praktisch ausschließen. Die mitgelieferte Spinne ist von ordentlicher Qualität, das Mikrofon findet dank einer Überwurfmutter sicheren Halt, die nicht zu weichen Gummibänder federn Erschütterungen gut ab. Insgesamt ist in puncto Verarbeitung alles im grünen Bereich.
Messtechnisch kann zumindest das Testmodell nicht vollständig überzeugen: Das Labor ermittelt einen Geräuschpegelabstand von lediglich 64,5 Dezibel, was isoliert betrachtet nur mäßig ist. Da das Mikrofon mit 8,3 mV/Pa zudem recht leise ist, ergeben sich ernste Probleme: Schon bei moderater Aussteuerung rauscht das STC-2 hörbar. Nach Rücksprache mit Trevor Coley von Sontronics handelt es sich beim Testmodell wohl um einen Ausreißer, denn in der Regel hätten alle STC-2 einen Geräuschpegelabstand von 80 Dezibel und besser. Wir werden das überprüfen und die entsprechenden Messergebnisse in einer der kommenden Ausgaben veröffentlichen. Der Frequenzgang weist – wie bei der überwiegenden Zahl der Testkandidaten – ebenfalls eine Ansenkung zu den tiefen Frequenzen auf, im Hochmitten- und Höhenbereich sind trotz einer leichten Unruhe keine besonderen Auffälligkeiten erkennbar.
Blenden wir das Rauschen des Testmikrofons aus, so bedauern wir diesen Schnitzer umso mehr, denn das STC-2 besitzt einen durchaus angenehmen Eigenklang: Bei etwas unausgewogenem Mittenband gefallen besonders die guten Bässe und die angenehm weichen Höhen. Das Mikrofon klingt ein wenig wie es aussieht: Eher vintagemäßig warm mit sanftem Timbre als modern-analytisch kalt. Für Sprache und Gesang, aber auch für sensible Saiteninstrumente oder Holzbläser ist es daher eine Empfehlung wert.
STC-2: Trotz zumindest beim Testexemplar hörbaren Eigenrauschens ein ordentliches Mikrofon mit einem eigenen, vintagemäßig sanften Klang, das sich für Sprache, Gesang, Saiteninstrumente und Holzbläser eignet.
Studio Projects B1 MKII und B3 MKII
Gereift
Die Mikrofone des amerikanischen Herstellers Studio Projects werden schon immer in China gefertigt, wobei die Entwickler betonen, dass die Fertigung bei einem erfahrenen chinesischen Mikrofonhersteller unter strengen Auflagen aus den USA erfolgt. In der weltumspannenden Homerecording-Szene genießen die amerikanisch-chinesischen Schallwandler einen beachtlich guten Ruf. Studio Projects selbst ist so selbstsicher, seinen Mikrofonen eine Klangqualität zuzuschreiben, die auf dem Niveau von Spitzenmikrofonen aus deutschen Landen sein soll. Hört, hört, solch eine selbstsichere Aussage macht neugierig, weswegen wir zwei der günstigsten Studio Projects Mikrofone für diesen Test ausgewählt haben. Das B1 und sein Geschwister B3 gibt es schon seit einigen Jahren, allerdings wurden beide Mikrofone überarbeitet, weswegen sie den Namenszusatz MKII tragen. Es handelt sich beides mal um Echtkondensatormikrofone, das mit 99 Euro sehr günstige B1MKII hat eine feste Nierencharakteristik, das 158 Euro teure – oder billige – B3MKII ist sogar umschaltbar und bietet zusätzlich die Charakteristiken Kugel und Acht. Die Umschaltung erfolgt, wie üblich bei Großmembranmikrofonen, auf elektrischem Wege. Äußerlich unterscheiden sich die einmal mehr gut verarbeiteten Mikrofone kaum und auch die Kapseln sind gleich. Das B1MKII ist mit seinen zweistufigen Dämpfungsschaltern und Trittschallfiltern etwas besser als das B3MKII ausgestattet. Außerdem gehört neben der typischen Spinne, die nur auf den Studio Projects-Schaft passt, noch ein gutes, mahagonifarbenes Holzetui zum Lieferumfang. Für das B3MKII dient ein Pencil-Case als Ruhestätte in den Aufnahmepausen.
Im Messlabor bestätigt sich bereits der hohe Eigenanspruch des Herstellers, denn mit einer Empfindlichkeit von jeweils 14,4 mV/Pa für die Nierencharakteristik (zu den übrigen Werten im Falle des B3MKII siehe die Tabelle auf Seite 42) und einem Geräuschpegelabstand von 80,3 beziehungsweise 81,8 sind beide Testkandidaten praktisch rauschfrei. Auch die Frequenzgänge – für die Nierencharakteristik versteht sich –, gleichen sich sehr, was für eine hohe Serienkonstanz spricht. Letztlich verläuft die Messkurve des B1MK aber geringfügig gleichmäßiger. Anders als bei vielen Mitbewerbern ist im Falle der Studio Projects-Mikrofone kein Abfall zu den tiefen Frequenzen erkennbar – der Kurvenverlauf bleibt linear. Dem aufmerksamen Beobachter entgeht nicht die Senke fünf und sechs Kilohertz: Das erinnert an die typische Neumann-Absenkung und lässt vermuten, dass sich die Studio Projects-Entwickler bei der Konstruktion an diesem deutschen Hersteller orientiert haben.
Wie dem auch sei, klanglich sorgen diese sehr günstigen Mikrofone für eine waschechte Überraschung. Zunächst lösen sowohl B1MKII als auch B3MKII gut auf und fangen auch feine Details gut ein. Die hochfeine Auflösung eines Spitzenmikrofons, die im Idealfall eine fast dreidimensionale Qualität hat, erreichen sie dennoch nicht – aber das wird wohl niemand ernsthaft erwarten. Der Grundklang beider Testkandidaten ist recht ausgewogen, mit guten Bässen und einem ebensolchen Mittenband. Das B1MKII klingt etwas runder, während das B3MKII wegen eines hörbaren Schuss Höhenpräsenz ein wenig farbiger wirkt. Allerdings überzeugt das B3MKII nicht vollständig in Achter- und Kugelcharakteristik: Während bei der Acht auffällt, dass das Mikrofon in 180-Grad-Einsprechrichtung weniger empfindlich ist, klingt es in Kugel-Stellung im Höhenbereich etwas unausgewogen. Am Besten ist dieses Mikrofon also in Nierencharakteristik, wobei die Kugel-Stellung gewisse Vorteile bei Aufnahmen im Hallradius, also bei weiterem Abstand zur Schallquelle hat, zumal die Richtcharakteristik je nach Frequenzbereich schwankt zwischen Kugel und Acht. Aus Platzgründen sind hier nur die Richtdiagramme für die Niere abgedruckt, Sie finden aber alle anderen Diagramme im Downloadbereich. Aufgrund ihrer Ausgewogenheit, gepaart mit der guten Auflösung bei praktischer Rauschfreiheit, empfehlen sich beide Mikrofone für die Aufnahme sensibler Saiteninstrumente wie Harfe oder Konzertgitarre. Mit ein wenig Geschick gelingen gute Aufnahmen, zumal ein Stereo-Paar des überzeugenden B1MKII nur mit knapp 200 Euro zu Buche schlägt – den klang- und preisbewussten Ein- und Aufsteiger freut´ s.
B1MKII: Überzeugendes Mikrofon für Ein- und Aufsteiger mit guter Auflösung und recht ausgewogenem Klang, das universell einsetzbar ist.
B3MKII: Gutes, umschaltbares Mikrofon, das vor allem in Nierencharakteristik klanglich überzeugt und sich vielseitig einsetzen lässt.
T-Bone SC-450 und SCT-800
Überraschend
T-Bone nennt sich die Hausmarke des Musikhaus Thomann und nach dessen interner Verkaufsrangliste gehören die extrem kostengünstigen Mikrofone aus chinesischer Fertigung zu den Kundenfavoriten. In Ausgabe 9/2009 haben wir mit dem Stereo-Set SC-140 und dem modularen SC-150 zwei Kleinmembranen aus dem umfangreichen T-Bone-Sortiment getestet und waren sehr angetan von der Klangqualität dieser Echtkondensatormikrofone. Für nicht einmal 100 Euro bekommt der Käufer mit ihnen in der Tat richtig viel Mikrofon fürs Geld. Selbstverständlich gehören auch Großmembran-Mikrofone zum Sortiment, ausgesucht haben wir diesmal das SC-450 das Thomann für 99 Euro anbietet und das SCT-800, das für 198 Euro zu haben ist. Während es sich beim SC 450 um ein Mikrofon mit Transistorverstärker handelt, ist das teurere SCT-800 ein waschechtes Röhren-Großmembranmikrofon. Es erinnert äußerlich entfernt an das fabelhafte AKG C12 VR, ist allerdings etwas dicker und länger. Außerdem ist es nicht umschaltbar, sondern beschränkt sich auf die feste Nierencharakteristik. Auch das SC 450 ist eine Niere und gleicht dem SM Pro Audio MC01 (siehe Seite 38) bis zu den Schiebeschalter, mit denen Vordämpfung und Hochpassfilter zu aktivieren sind. Nur ein Detail bleibt dem MC01 exklusiv vorbehalten: Die blaue LED, die über Betriebszustand und Einsprechrichtung informiert. Unsere beiden T-Bones werden in passablen Kunststoffkoffern geliefert, eine schlichte, gleichwohl brauchbare Spinne gehört jeweils zur Ausstattung. Als Röhrenmikrofon hat das SCT-800 selbstverständlich ein eigenes, sauber gefertigtes Netzteil sowie ein spezielles 9-poliges, etwas steifes No-Name-Anschlusskabel. In puncto Verarbeitung geben sich beide Mikrofone nichts, das SCT-800 wirkt jedoch mit seinem blau-goldenen Gewand einiges edler. Das Röhrenmikrofon orientiert sich zwar optisch an einem großen Vorbild – einen eigenen Stil leisten sich die wenigsten Einsteigermikrofone –, die Annäherung darf aber als gelungen bezeichnet werden und verströmt einen Hauch von Luxus.
Im Messlabor trumpft das SCT-800 mit Messwerten auf, die wir offengestanden nicht erwartet hätten: Mit einer Empfindlichkeit von 28,8 mV/Pa ist es ein vergleichsweise lautes Mikrofon, das folglich keine hohen Ansprüche an die Verstärkungsleistung des Preamps stellt. Der erste wichtige Schritt Richtung Eigenrauscharmut ist damit getan. Es kommt noch besser, denn der Geräuschpegelabstand ist mit gemessenen 83,3 Dezibel auf absolutem Spitzenniveau. Immerhin handelt es sich um ein Röhrenmikrofon und bisher haben wir über die Jahre nur bei den um ein Vielfaches teureren Schmuckstücken von Dirk Brauner vergleichbare Werte ermittelt. Wer jetzt noch störendes Rauschen auf seinen Aufnahmen ausmacht, kann sicher sein: Vom SCT-800 können die Störgeräusche nicht kommen. Das SC-450 erreicht diese Topwerte nicht, gleichwohl garantiert ein Geräuschpegelabstand von 79,4 Dezibel bei einer Empfindlichkeit von 17,3 mV/Pa in der Praxis Rauschfreiheit.
Die Frequenzgänge beider Mikrofone weißen einen sehr ähnlich ausgeprägten Abfall zu den tiefen Frequenzen hin auf, ab drei Kilohertz ist der Kurvenverlauf im Falle des SCT-800 gleichmäßiger als beim SC-450. Der Frequenzgang des SCT-800 weist im Rahmen des technisch Machbaren zudem keine nennenswerte Höhenanhebung auf. Beim Frequenzgang des SC-450 ist das anders, gleichwohl ist der zu erkennende gleichmäßige Anstieg oberhalb sieben Kilohertz für ein Großmembranmikrofon wegen des konstruktionsbedingten Druckstaus vor der Membran eher die Regel und somit mustergültig.
Beide Mikrofone lösen gut auf und fangen auch Details und Klangfarben gut ein, wobei das SCT-800 gerade bei der Höhenauflösung die Nase vorn hat. In den Höhen vernachlässigt das SC-450 ein wenig die Feinheiten, hinzu kommt eine gewisse Zurückhaltung in den Tiefmitten. Der Grundklang dieses Mikrofons ist tendenziell leicht präsent, allerdings klingt es keineswegs unangenehm schrill und gefällt nicht zuletzt wegen seiner guten Bässe. Mit einem ausgewogeneren Mittenband wäre es sogar richtig gut, so macht es sich aber gut als Sprecher und Gesangsmikrofon und darf auch den Klang sensibler Saiteninstrumente einfangen. Diese sollten allerdings ausgewogen klingen, wiewohl es sich lohnt, mit dem SC-450 auf die Suche nach dem magischen „Sweet Spot“ zu gehen.
Der Grundklang des SCT-800 ist warm und füllig – genau so, wie es immer noch viele Röhrenfanatiker erwarten, wenngleich, was unsere Tests in der Vergangenheit häufig belegt haben, dieses Eigenschaft bei weitem nicht auf alle Röhren-Mikrofone zutrifft. Dank der guten Höhenauflösung und -wiedergabe besitzt der Grundklang auch eine angenehme Farbigkeit, die allen Stimmen und Instrumenten gut steht. Das SCT-800 klingt deutlich teurer als es tatsächlich ist und ist auch Aufsteigern guten Gewissens als Solistenmikrofon zu empfehlen.
SC-450: Gutes Einsteigermikrofon mit leicht präsentem Klang, das sich für Gesang und Sprache und ausgewogen klingende Instrumente empfiehlt.
SCT-800: Ein richtig gutes Röhrenmikrofon, das messtechnisch und klanglich rundum überzeugt. Mit seinem warmen, fülligen und farbigen Klang empfiehlt es sich als Solistenmikrofon für Gesang, Sprache und Instrumente.
Fazit
Der zweite Teil unseres großen Tests „Kostengünstige Kondensator-Mikrofone“ hat einmal mehr bestätigt, dass heute bereits für 200 Euro richtig gute Mikrofone zu bekommen sind. Vor allem das Audio-Technica AT2035, das Oktava MK-101, das Studio Projects B1MKII und das Röhrenmikrofon T-Bone SCT-800 haben uns überzeugt – sowohl messtechnisch als auch klanglich. Auch die anderen Kandidaten haben überwiegend eine gute Vorstellung geboten. Wer heute ein gutes Klein- oder Großmembran-Kondensatormikrofon sucht, wird jedenfalls fündig, als verlässlicher Führer durch das üppige Marktangebot dient unser zweiteiliger Test in der letzten und dieser Ausgabe.
Erschienen in Ausgabe 10/2009
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 142 €
Bewertung: befriedigend – gut
Preis/Leistung: sehr gut
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