Hot Tools

In seiner allmonatlichen Kolumne stellt Autor Heiner Kruse in kurzer, knapper Form bekannte und nicht so bekannte Soft- und Hardware vor, bei denen ein genauerer Blick in jedem Fall lohnenswert ist. Alle Hot Tools →

Vermona’s Melodicer ist ein ungewöhnlicher Sequencer für das Eurorack-Modularsystem, der Noten auf eine besondere Weise erzeugen kann und dabei menschliche Kontrolle und Zufall auf ungewöhnliche, neuartige Weise miteinander verbindet.

Melodicer als Sequencer macht selbst keinen Sound, sondern kann Klangerzeuger oder Module mit CV-Eingängen ansteuern. Ihr könnt auch Stand-alone Synths von Moog, PWM oder Behringer ansteuern, sofern Melodicer selbst mit Strom versorgt ist.

Ein herausragendes Unterscheidungsmerkmal gegenüber Konkurrenten ist die Möglichkeit, für die Halbtöne einer Oktave mit Hilfe von zwölf Fadern Wahrscheinlichkeiten für das Spielen einzelner Noten einstellen zu können. So könnt ihr die musikalischen Inhalte deutlich präziser definieren als etwa in MI Marbles oder Turing Machines. Wird eine Note gespielt, leuchtet eine kleine, im Fader eingebaute LED auf – so behaltet ihr auch besser den Überblick als anderswo.

Bezüglich Rhythmik und melodischer Komponenten arbeitet ihr auch viel mit dem Zufall und einer „stochastic Engine“. Gespielte Sequenzen können im Dice-Modus durch einfachen Knopfdruck neu erwürfelt werden. Das geschieht mit zwei weißen Buttons für Melodie und Rhythmus separat. Danach wiederholen sie sich immer wieder taktweise. Haltet ihr die Buttons länger fest, wechselt Melodicer in den alternativen Realtime-Modus, in dem sich nichts mehr wiederholt und rhythmische Impulse oder Tonhöhen kontinuierlich völlig zufällig erzeugt werden.

Verschiedene, gut greifbare und im Vintage-Stil designte Knöpfe erlauben Veränderungen der Rahmenbedingungen hierfür, damit das Ergebnis nicht zu langweilig wird. In der Melody-Sektion findet ihr insbesondere die Option mit zwei Fadern, den Tonhöhenumfang (maximal fünf Oktaven) nach oben und unten zu limitieren und somit Sequenzen im laufenden Betrieb nach oben oder unten zu verschieben. Das kann in der Praxis auch wirken wie das Wechseln zu neuen Akkorden, weil sich beispielsweise der unterste Ton verschiebt.

In der Rhythmus-Sektion legt ihr zunächst die Notenlänge fest. „Variation“ regelt dann das Ausmaß der zufälligen Veränderungen, „Legato“ die Wahrscheinlichkeit von Gate-Impulsen und „Rest“ die Wahrscheinlichkeit von Pausen. Letzteres ist in der Praxis besonders gut geeignet, um live die Intensität der Performance zu steuern oder einen Übergang zu einer Passage zu schaffen, bei der nachfolgende Effekte mal länger ausklingen dürfen.

Das Tempo wird durch manuelle Taps oder durch Kopplung an eine externe Clock bestimmt. Vermona Melodicer bietet aber noch weitere raffinierte Ideen, um lebendig klingende Sequenzen zu erzeugen. So lässt sich mit einem Mute-Modus kurzzeitig die Ausgabe weiterer Gate-Impulse unterbinden. Welche klanglichen Auswirkungen das hat, hängt freilich davon ab, wie ein nachfolgender Klangerzeuger konfiguriert ist – ob dieser beispielsweise a) kontinuierlich, b) nur für die Länge von Impulsen oder c) nach Impulsen für eine via Hüllkurve bestimmte Dauer Töne ausgibt.

Ein Push-Rotary-Encoder mit 16 LED’s erlaubt Neustarts, Kürzen, Verschieben, Speichern und Laden der maximal 16 Steps langen Sequenzen. Im Lock-Mode können Reglerstellungen vom hörbaren Ergebnis abweichen, etwa nach dem Aufrufen von Presets. Beim Verlassen des Lock-Mode werden Reglerstellungen spontan wieder gültig. In der Praxis könnt ihr das auch verwenden, um zwischendurch neue Einstellungen vorzunehmen und aufzurufen.

Auch eine Nutzung von Melodicer als Quantizer ist möglich. Das Gerät kann dann beliebige eingehende Steuerungssignale so umformen, dass stets Noten einer Skala ausgegeben werden.

Melodicer hat weitere viele Möglichkeiten. Sich diese alle zu merken, ist zum Glück nicht nötig, denn die Bedienelemente sind hervorragend beschriftet, die Optionen eines Edit-Menüs vorne aufgedruckt und die Benutzerführung ist gut durchdacht. Es gibt raffinierte Ideen, um in Performances eingreifen zu können. So könnt ihr Sequenzen beispielsweise über ein angeschlossenes Keyboard transponieren oder Zufallskomponenten mit externen Quellen steuern. Hierfür findet ihr zwei CV- und Gate-Ins.

Insgesamt bietet Melodicer eine so noch nicht dagewesene Mischung aus vagen generativen Komponenten und präzisen Eingriffsmöglichkeiten für den Künstler, um mit Modularsystemen musikalische Ergebnisse zu erzeugen. Verarbeitung, Haptik und Design überzeugen ebenfalls auf der ganzen Linie.

Bewertung: Random-Sequencer für menschlich musikalische Performances
Wo: https://www.vermona.com
Wieviel: 495 Euro