Wiederinbetriebnahme, Wartung und Pflege einer Bandmaschine

Sie haben im Bandmaschinen-Schwerpunkt in der letzten Ausgabe Blut geleckt und überlegen, selbst wieder mit Band zu arbeiten? Kein Problem: Experte Uli Apel erklärt an einem Beispiel alles, was Sie bei der Wiederinbetriebnahme eines Bandgeräts beachten müssen.

von Uli Apel

In diesem Bandmaschinen-Workshops liegt der Schwerpunkt auf dem Wort „Maschine“. Es geht um die Beschreibung und die Pflege der Mechanik eines klassischen Studiotonbandgeräts. Für die Klang-Nachbildung von Bandmaschinen gibt es mittlerweile etliche Hardware-Simulationen und Plug-ins auf dem Markt. Als Beispiel sei hier unter den Hardware-Nachbildungen der Neve Portico 5042 Tape FX und der Machine-Head-Prozessor von SPL erwähnt. Dennoch fehlt vielen Anwendern ein letztes Fünkchen von Authetizität bei diesen Simulationen und Emulationen. Dafür gibt es auch einige gute Gründe: Bei den meisten Plug-ins wird der vermeintliche Tape-Sound nur durch die Simulation von Geschwindigkeit, Vor- oder Nachecho oder der Möglichkeit zur Einstellung der Vormagnetisierung erzeugt. Selten kommen noch Wow- und Flutter-Effekte dazu. Mir zumindest ist bislang kein Plug-in begegnet, an dem sich der Verschleiß der Köpfe (führt zu Frequenzgangabnormitäten), der Neigungswinkel der Andruckrolle zur Tonwelle (führt zum Verziehen des Bandes vor den Köpfen, daraus resultierend Frequenzgang- und Phasenänderungen), die Bandführung vor den Köpfen (verändert die Kopfspiegelresonanzen und damit die Frequenzgänge) oder die Taumelung des Tonkopfes (beeinflusst Frequenzgang und Stereo-Phase in Abhängigkeit der Frequenz), einstellen lässt. Gerade diese mechanischen Eigenschaften gehen jedoch gewaltig in die typische Klang-Charakteristik der echten analogen Bandaufzeichnung mit ein. Außerdem kommt das Phänomen hinzu, dass eine analoge Bandaufnahme nie in ihrer Klang-Eigenschaft absolut exakt reproduzierbar ist – bei jedem Abspielen können sich winzige oder auch merkliche Nuancen verändern (siehe auch O-Töne zu den Profi-Erfahrungen mit der Bandmaschine in Ausgabe 9/2016).

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Die Telefunken M15A

Für die Beschreibung der Mechanik eines Studiomagnettongeräts habe ich eine Maschine ausgesucht, die von der Mechanik und Elektronik her gerade wegen ihres übersichtlichen, einfachen Aufbaus ein Paradebeispiel für Präzision darstellt, aber gleichzeitig höchst servicefreundlich ist: Die Telefunken M15A. Außerdem war sie lange der „Quasi-Standard“ in vielen Rundfunkanstalten und Ton-Studios. Heute wird sie gerne als Abspielgerät zur Digitalisierung von analogen Bändern eingesetzt.
Andere Maschinen (zum Beispiel von Studer, Ampex, Sony oder Otari) haben vergleichbare Eigenschaften, allerdings wurde der extrem gleichmäßige Bandtransport technisch unterschiedlich realisiert. Dennoch haben aber alle Maschinen das gleiche Ziel: Das mit den Schallschwingungen magnetisierte Band in tausendstel Millimeter Genauigkeit absolut gleichförmig an den Köpfen vorbeizuziehen.
Die Telefunken M15A zählt zur analogen Spitzentechnik für die magnetische Tonaufzeichnung und ein absoluter Klassiker. Ihre hohe Qualität sieht man ihr auf den ersten Blick allerdings nicht unbedingt an. Obenauf sind nur wenige, spartanisch Bedienelemente angeordnete. Ohne aufgelegtes Band wirken zum Beispiel die Aufnehmer für die Wickelteller unscheinbar und schwach. Beherrscht wird die Oberfläche von der großen Andruckrolle und den sogenannten Bandberuhigungsrollen, die einen großen Durchmesser haben und beim Berühren und Hin- und Herdrehen mit der Hand spüren lassen, was gute Lagerung heißt. Die Köpfe verschwinden unter einer stabilen Abdeckung. Sie werden nur sichtbar, wenn man sich weit über die Maschine beugt. Ganz unten links befinden sich die typischen sehr großen, beleuchteten Tasten für die Laufwerksteuerung, in der Mitte unter den Köpfen eine schmucklose 4-stellige elektronische Band-Zeit-Anzeige. Sie zeigt Minuten und Sekunden sehr genau an, selbst bei wiederholtem Hin- und Herspulen hat sie nur minimalen Schlupf.
Unter einer Klappe rechts unten befindet sich (von rechts nach links betrachtet) der Netz-Hauptschalter, der Geschwindigkeitswähler (meist werden die Geschwindigkeiten 19 und 38 cm/s im Studio verwendet) und der Remote-Schalter, der, wenn er gedrückt ist, die gesamte Bedienung von der Maschine auf ein Bedienfeld im Mischpult überträgt. Die Oberfläche der Klappe ist gleichzeitig die Schneide- und Klebeeinrichtung für das Band.
Ein ganz wichtiges Instrument für Studiomaschinen befindet sich ebenfalls unter dieser Klappe: Es ist der Betriebsstundenzähler, der die Einhaltung der Wartungsintervalle (5.000 bzw. 10.000 Stunden) einzuhalten erleichtert. Etwas nervig ist es, wenn dieser nur 4-stellig ist und maximal 999 Stunden anzeigen kann. So weiß man nie, wie oft er schon über 9999 hinausgelaufen ist, und wie „alt“ die Maschine wirklich ist. Ich hatte kürzlich eine Maschine mit 5-stelligem Stundenzähler zur Restaurierung. Er zeigte rund 75.000 Stunden.
Die Maschinen vom Typ Telefunken oder AEG M15 oder M15A erfuhren in ihrem Lebenszyklus zahlreiche Entwicklungen und Erweiterungen. Da sie schon bei der Konstruktion im Baukasten-Prinzip entworfen wurden, waren Ergänzungen leicht realisierbar. Die größten Versionen waren neben der 1/4“-Maschine die 1“- und 2“- Geräte mit bis zu 32 Spuren auf denen zum Beispiel Stardirigent Herbert von Karajahn aufnehmen und schneiden ließ, oder auf denen ABBA und weitere Größen der Pop-Kultur ihre Hits einspielten. Ein seltenes Gerät in meinem Fundus ist eine echte Quadro-Maschine der DGG.
Ferner gab es Geräte mit Pilotton (sie konnten synchron zum Film laufen) oder solche mit Timecode-Einrichtung für den Ton zum Video. Hierfür waren spezielle Köpfe notwendig um diese Signale synchron zum Ton auf das Band aufzuzeichnen. Für die weitere Abhandlung ist es unwesentlich, wie viele Spuren eine Maschine hat: Die Mechanik und deren Justage ist bei allen Formaten sehr ähnlich.

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Die ersten Wartungsschritte

Für den Betrieb einer Bandmaschine müssen zwei „Gewerke“ perfekt zusammenspielen: Die Mechanik und die Elektronik. Das eine kommt ohne das andere nicht aus. Erhält man aus einem Fundus ein Gerät und möchte dieses wieder reaktivieren, sollte man es zunächst gut reinigen, die Mechanik untersuchen und gegebenenfalls zerlegen und säubern. Hier sollte man sich beim Zerlegen die Reihenfolge für das spätere Zusammenbauen merken. Keine Sorge – ein mechanisches Uhrwerk ist ungleich komplizierter aufgebaut.
Zum Reinigen der Teile, die mit dem Band in Berührung kommen, benutzt man am besten reinen Alkohol in Form von Spiritus oder Ethanol. Andere Lösemittel greifen die Gummi- oder Plastikteile der Maschine an. Alu- oder lackierte Oberflächen lassen sich mit Wasser, Universalreiniger und Bürste wieder zum Glänzen bringen. Bei der Behandlung sollte man darauf achten, dass möglichst keine Flüssigkeit in die zahlreichen Lager gerät, vorhandenes Schmiermittel wird dadurch verdünnt und ausgewaschen. Wenn drehende Teile wie Bandberuhigungsrollen oder Wickelmotoren rau laufen, ist meist das Auswechseln eines oder mehrerer Lager unumgänglich. Die Lager sind auch heute noch, da genormt, ohne Probleme erhältlich. Bei älteren Modellen laufen Andruckrolle oder gar die Tonwelle in sogenannten Sinterlagern. Der Tonmotor ist kollektorlos und wiegt nur 800 Gramm. Die ganze Maschine hingegen bringt stolze 55 Kilogramm auf die Waage.
Die Sinterlager haben die Eigenschaft, fast ohne Schmiermittel spiel- und verschleißfrei zu laufen. Bei ihnen genügt nach dem Auseinandernehmen eine gute Reinigung und anschließende Schmierung mit Sinterlagerfett. Falls das Lager durch Korrosion merklich Spiel haben sollte, hilft leider nur ein kompletter Ersatz. Zum Reinigen der Bandführungen und der Köpfe kann man mit Alkohol getränkte Wattestäbchen benutzen. Sehr hartnäckigen Schmutz entfernt man nach Einweichen mit einem hölzernen Zahnstocher. Niemals härteres Material verwenden – die Oberflächen, besonders die der Tonköpfe, sind sehr weich und empfindlich!

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Das erste Einschalten

Sobald alles gereinigt und wieder zusammengesetzt ist, kann man es wagen, das Gerät einzuschalten. Bei einer M15A leuchtet dann eventuell die Geschwindigkeitsanzeige auf, sollte die entsprechende Kontroll-Leuchte noch funktionieren. Die Kontroll-Leuchte für die 38er-Geschwindigkeit ist häufig durchgebrannt, da 90 Prozent aller Maschinen mit dieser Geschwindigkeit dauernd betrieben wurden – mit etwas Glück funktioniert die Kontroll-Leuchte für die 19er-Geschwindigkeit noch. Diese lässt sich durch das Betätigen des mittleren Schalters unter der Klappe anwählen. Drückt man den Bandfühlhebel auf der rechten Seite nach innen, läuft der Tonmotor an. Irritierend ist bei genauem Hinsehen der Antrieb der Tonwelle. Ein sehr kleiner Motor, dessen Durchmesser gerade mal 50 mm inklusive Gehäuse beträgt, treibt eine riesige Schwungmasse über einen von einer Spannrolle unter konstanter Spannung gehaltenen, breiten Synthetikgummi-Riemen.
Dieser Antrieb verleiht der Maschine das charakteristische Laufgeräusch: Wenn die Maschine ohne Gehäuse betrieben wird und die Tonwelle läuft, ertönt ein mehr oder minder lautes Zischen, abhängig von der Geschwindigkeit. An dieser Stellen haben wir bei einer ersten Wiederinbetriebnahme eine weitere Möglichkeit, eine kleine Wartung durchzuführen: Ein klein wenig Talkum, auf den Gummiriemen aufgetragen und einmassiert, hilft, den Geräuschpegel zu senken und das Gummi geschmeidig zu halten. Talkum gibt es im Autozubehör-Handel oder bei der Partnerin im Schminkkästchen: Gesichtspuder heißt das Zaubermittel. Der Parfümduft lässt mit der Zeit nach…

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Herzstück Logik-Platine

Nach ca. 8 bis 10 Sekunden Hochlauf sollte die Stopp-Taste aufleuchten, gesetzt der Fall, dass auch hier die Lampe in Ordnung ist: Dies ist das Zeichen, dass die Solldrehzahl erreicht ist. Unter Festhalten des Fühlhebels können wir jetzt auch einmal die Start-Taste drücken. Mit einem für ältere Tontechniker sehr vertrauten Klacken zieht der Andruckmagnet die Andruckrolle gegen die Tonwelle und der rechte Wickelteller läuft mit recht hoher Geschwindigkeit im Gegenuhrzeigersinn. Die Stopp-Tasten-Leuchte erlischt, die Starttaste leuchtet auf. Jetzt befindet sich die Maschine im Wiedergabemodus. Wird jetzt mit der Starttaste gleichzeitig die Aufnahmetaste gedrückt, so leuchtet auch diese mit auf – das Gerät nimmt auf.

Der nächste Test betrifft die Umspulfunktion: Nach Drücken der Umspultaste ganz links kann mit Hilfe des Rangierhebels zwischen der Aufnahme- und Wiedergabetaste die Geschwindigkeit der Wickelmotoren auf maximale Drehzahl gebracht werden. Gleichzeitig lassen sich mit diesem Test die Wickelmotorlager auf Geräusche untersuchen. Wird jetzt der Fühlhebel losgelassen, geht die Maschine in Stopp-Funktion und auch der Tonwellenmotor schaltet sich ab. Allein die Geschwindigkeitsanzeige und das Zählwerk deuten noch darauf hin, dass die Maschine eingeschaltet ist.

Diese kleine Fahrplan-Beschreibung soll aufzeigen, dass die Maschine neben der analogen Elektronik für Aufnahme, Wiedergabe und Löschen noch eine Steuerelektronik für das Laufwerk enthält. Sie erhält ihre Befehle zum einen durch das Betätigen der Tasten aber auch durch mehrere kleine Magnet- und Mikroschalter an den Fühlhebeln und Wickeltellern. Die gesamten Befehle (Tastenbetätigungen) und Rückmeldungen (Schalter) laufen auf einer Platine zusammen, die sinnigerweise Logikplatine LG12 heißt. Diese Platine befindet sich in einem kleinen Einschubträger hinten in der Maschine. Ein Elektro-Warnpfeil auf dem Deckel deutet darauf hin, dass gefährliche Spannungen auf den Platinen liegen, die Versorgungsspannungen für die Wickelmotoren.
Auf der Platine wimmelt es von NOR-, NAND-, OR-, und &-Gliedern in Form von ICs. Beim Lesen des Schaltplans wird man automatisch an Schaltalgebra erinnert. Hier lassen sich auch einige Laufwerksfunktionen durch Lötbrücken „programmieren“. Sollte eine Maschine „spinnen“, also der Bandtransport nicht richtig funktionieren, die Motoren laufen an und lassen sich nicht stoppen oder ähnliches, kann es sein, dass ein Befehl (Tastenschalter) nicht richtig ankommt oder ein Mikroschalter verharzt ist. Selten ist es ein Fehler in der Elektronik dieser Platine. Wenn es doch der Fall sein sollte, muss man sehr tief in diese Schaltung eindringen. Genauere Beschreibungen befinden sich in den Original-Handbüchern. Aus Erfahrung kann ich aber sagen, dass diese Bauteile sehr zuverlässig sind.

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Das Auflegen des Bandes

Wenn all diese Funktionen getestet sind, kann ein (altes, gebrauchtes) Band aufgelegt werden. Jetzt zeigt sich genauer, ob die Logik auch unter diesen Bedingungen funktioniert (Wiedergabe, Rangieren, Umspulen) und vor allem: Ob die Mechanik richtig arbeitet. Es lässt sich schnell mit bloßem Auge erkennen, ob sich das Band verkantet, weil vielleicht ein Wickelteller zu hoch oder zu tief sitzt, ob sich die Justage der Bandführungen zwischen den Köpfen verstellt hat, oder, ob ein Fühlhebel verbogen ist.
Beim schnellen Spulen sollte der Wickel glatt und straff sein. Das Abnehmen der Spule, die in der Regel als offener Wickel (wegen der rötlichen Färbung des Magnetbandes „Pancake“ genannt) frei über einem Aluminiumteller schwebt, sollte nicht im Chaos des Bandsalats enden. Eine Einstellung des Drehmoments für den Wickelbetrieb geschieht recht einfach mit dem Verstellen von Rändelschrauben, die sich unter der großen Laufwerkabdeckung befinden.
Als Höhen-Maßstab für die Bandführung bei Aufnahme und Wiedergabe dienen die Köpfe. Diese sind mit einer Toleranz von +- 5 µm montiert. Nach diesem Maß richten sich alle mechanischen (Höhen-)Einstellungen. Mit etwas Gefühl und einem guten Auge lassen sich so die Justagen vornehmen, damit das Band, ohne sich zu verziehen, vor den Köpfen vorbeiläuft. Zur Kontrolle, wie weit die Köpfe in das vorbeilaufende Band eintauchen, kann man den Kopfspiegel mit einem Fettstift einfärben und nach Vorbeilaufenlassen eines kurzen Bandteiles den abgeriebenen Fettspiegel begutachten. Der Kopf sollte mittig in das Band eintauchen. Den Hinweis, auch wieder zum entsprechenden „Werkzeug“ der Partnerin zu greifen (diesmal ist es der Lippenstift) verkneife ich mir jetzt. Das Band mit dem Fettabrieb bitte nicht mehr benutzen.

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Play und Record

Jetzt steht dem letzten Schritt in diesem Workshop-Teil nichts mehr im Wege: Das Gerät mit einem Mischpult oder einem Messgerät zu verbinden und auf Wiedergabe oder Aufnahme zu schalten. Mit recht einfachen Mitteln lassen sich die Köpfe justieren und die Pegel einstellen. Das Gerät wird auf eine bevorzugte Bandsorte eingemessen. Einzig für die Einstellung des Wiedergabeteils wird ein Mess- oder Bezugsband benötigt, aber da kann ich aushelfen: Ich besitze einen Bezugskopfträger für die Bandbreite 1/4“ und kann ein passendes Bezugsband bei Bedarf selbst herstellen…