Featured image for “Test: sonible prime:vocal – Perfektion auf Knopfdruck”
Mai 21, 2025

Test: sonible prime:vocal – Perfektion auf Knopfdruck

Mit prime:vocal präsentiert sonible ein Tool, das ­Vocal-Tracks auf Knopfdruck säubern und veredeln kann. Einmal mehr kommt dafür KI zum Einsatz, die dabei helfen soll, dass jede Aufnahme wie aus dem Studio klingt. Wie das in der Praxis funktioniert, klärt unser Test.

von Carina Pannicke

Eigentlich leben wir in einer wunderbaren Zeit: Dank Künstlicher Intelligenz (KI) können komplexe digitale Audio-Prozesse, die bislang schon auf hohem Niveau klangliche Probleme eliminieren oder zumindest abmildern konnten – ich denke da zum Beispiel an die beeindruckenden Geräuschreduktionssysteme von Cedar – noch weiter perfektioniert werden. Das geht so weit, dass es nicht abwegig ist zu fragen, ob für amtlich klingende Aufnahmen überhaupt noch zwingend Studiobedingungen notwendig sind. Genau in diese Kerbe schlägt auch der österreichische Hersteller sonible und präsentiert mit prime:vocal ein Software-Tool, das mit Einsatz von KI dabei hilft, technisch suboptimale Vokalaufnahmen auf Studioniveau zu hieven. Dabei bietet es zum einen drei Prozesse, die jeweils unabhängig voneinander Signal-Störungen wie Rauschen, Raumklang und unangenehme Sibilanten und Plosivlaute eliminieren oder eindämmen sowie zum anderen zwei weitere Module, die der klanglichen Optimierung dienen und die spektrale Balance sowie die Dynamik austarieren. Wie auch bei anderen Tools dieser Art (siehe den DynAssist-Test in dieser Ausgabe), ist die Analyse des jeweiligen Signals mit den im Hintergrund agierenden neuronalen Netzwerken so aufwändig, dass auch prime:vocal nicht in Echtzeit verwendet wird, sondern entweder im Stand-alone-Betrieb oder als ARA-Extension, wobei letzteres bisher nur im Beta-Betrieb für Cubase/Nuendo, Studio One, Reaper und Logic möglich ist. Die offizielle ARA-Integration, auch für Pro Tools, ist für dieses Frühjahr angekündigt.

Rund 180 Euro werden für prime:vocal fällig, sonible gewährt einen kostenlosen Testzeitraum von dreißig Tagen.

Mit Hilfe präzise justierbarer Automationskurven kann die Intensität jedes Moduls im Zeitverlauf flexibel ­angepasst werden.

Effizient, intuitiv und flexibel

prime:vocal bietet sowohl im Stand-alone- als auch im ARA-Betrieb ein ansprechendes und intuitiv erfassbares GUI mit der obligatorischen Wellenformdarstellung des anliegenden Signals – per Maus kann darin bequem navigiert werden –, sowie darunter die fünf Module Noise Reduction, Room Reduction, Vocal Clean-Up, Spectral Balance und Dynamics. Das Funktionsprinzip ist denkbar einfach: sobald ein File in die Software geladen wurde, läuft die Analyse desselbigen. Darauffolgend werden die erkannten Noise-, Room-, sowie Plosiv- und Zischlaute jeweils unterschiedlich farbig im Signal dargestellt und können solo abgehört werden, was ich persönlich sehr hilfreich und übersichtlich finde. Wichtig: anders als andere Tools dieser Art schlägt prime:vocal keine adaptive Reduktionskurve oder Cleaning-Anteile vor, sondern die gewünschte Portion an Geräuschreduktion oder spektraler Ausbalancierung muss ich selbst bestimmen, was mit Hilfe der fünf Regler super einfach ist. Möchte ich mehr Detaileingriffe, ist auch das möglich: Room- und Noise-Reduction können mit Hilfe dreier frei verstellbarer Bänder frequenzgewichtet werden, was in manchen Fällen sinnvoll sein kann. Für die Reduktion der Zisch- und Plosivlaute stehen vier Presets von soft bis stark zu Verfügung. Ebenso via Preset justierbar ist die Stärke des „Level Ridings“, also der automatischen Laustärkeregulierung sowie des Kompressors im Dynamics-Modul. Spectral Balance wiederum ist eine Art simpler EQ, mit dem ich dem Vokalsignal beispielsweise mehr Höhen oder mehr „Wärme“ aufprägen kann.

Auch wenn, wie erwähnt, prime:vocal keine adaptive Parametrisierung der Signaloptimierung vorschlägt, so ist es trotzdem möglich, die Intensität der einzelnen Prozesse im Zeitverlauf zu variieren, nämlich mittels interner Automationskurven, die auf Wunsch hinzugeschaltet und bearbeitet werden können. Dies halte ich für ein wertvolles Feature, vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass weder im Stand-alone- noch im ARA-Betrieb die Automation der jeweiligen DAW zur Verfügung steht.

Im Praxistest zeigt sich prime:vocal als äußerst wirkmächtiges Werkzeug, das aus Sprach- oder Gesangsaufnahmen von mittelprächtiger technischer Qualität tatsächlich einiges herausholen kann.

Beachtlich ist dabei die Wirkung des Noise-Moduls: egal, ob typisches, statisches Raumrauschen oder impulshafte Einzelereignisse wie eine zufallende Tür und sogar in Grenzen auch Klickser in der Sprache selbst – prime:vocal erkennt erstens ein überdurchschnittlich breites Spektrum an Störgeräuschen und zweitens sind selbst bei voller Reduktionsleistung so gut wie keine Artefakte hörbar. Gleiches gilt auch für die Room-Reduction: hier werden nicht nur unerwünschte Rauminformationen nahezu unhörbar entfernt, sondern sogar minimale Raumresonanzen in eigentlich lupenreinen Studioaufnahmen erfasst, was mich wirklich beeindruckt. Das Cleaning-Tool sowie die spektralen und dynamischen Eingriffe verfeinern die Klangqualität weiter und tun im Prinzip das, was ich erwartet hatte. Was aber Noise- und Room-Reduction allein zu leisten imstande sind, das habe ich in der Qualität noch nicht gehört.

Es gibt allerdings ein Aber und das betrifft das Handling. Als Pro Tools-Userin steht mir prime:vocal bisher nur im Stand-alone-Modus zur Verfügung, was bedeutet, dass ich Files hin und her transferieren muss ohne echte Transfer-Funktion sondern via manuellem Im- und Export, und das ist im Jahr 2025 so anachronistisch und auch umständlich, dass die Zeitersparnis durch die automatischen Prozesse vom Handling nahezu aufgefressen wird. Hier hätte zumindest ein Audio Suite-Plug-in etwas Abhilfe verschafft. Aber gut, die ARA-Integration in Pro Tools ist ja bereits angekündigt.

Fazit

Für verrauschte, verhallte oder unangenehm zischelige Gesangs- oder Sprachaufnahmen gibt es künftig eigentlich keine Ausreden mehr, denn es braucht nicht einmal mehr ein geschicktes Editing-Händchen. Mit prime:vocal lassen sich all diese Probleme im Handumdrehen verbessern. Das Tool liefert beeindruckende Klangergebnisse, die aus meiner Sicht einigen der etablierten Werkzeuge überlegen sind. Die Arbeitsweise im ARA-Beta- sowie Stand-alone-Betrieb entspricht zwar noch nicht den aktuellen Workflow-Standards, hier werden künftige Updates jedoch sicher Abhilfe schaffen.

Herstellersonible
Vertriebhttps://sonible.com
Preis [UVP]180 €
KategorieOberklasse
Ausstattungsehr gut – überragend
Bedienungsehr gut
Klangüberragend
Gesamtnotesehr gut – überragend