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Juni 17, 2025

Test: Millennia HV-32P – Klangpurist für die Aktentasche

Wer mit Kleingepäck zur Aufnahme anreist und auf unverfälschten Klang Wert legt, sollte sich einmal den Millennia HV-32P näher anschauen. Denn der dient sich als portabler Preamp für lupenreine Akustik-Aufnahmen an.

Text und Fotos von Harald Wittig

Das US-amerikanische Unternehmen Millennia Music & Media Systems hat im Jahr 1990 begonnen, seine anhaltende Erfolgsgeschichte zu schreiben. Seinerzeit startete Millennia als Produktionsfirma für Klassische Musik im sonnigen Kalifornien und recht schnell war Unternehmensgründer und Musik-/Audioenthusiast John La Grou ausgesprochen unzufrieden mit dem Angebot an Mikrofonvorverstärkern: „Unseren Erstling, den heute legendären HV-3 entwickelte ich über Jahre hinweg. Schlichtweg aus der Not heraus, denn ich konnte keinen Vorverstärker ausmachen, der mir die Transparenz, Akkuratesse und Dynamik liefern konnte, die ich für meine Klassik-Aufnahmen benötigte.“ Nun, der Millennia-Mastermind war erfolgreich. Längst  gilt der nach wie vor erhältliche – und ständig optimierte – zweikanalige HV-3 als einer der weltbesten Mic-Preamps. Sofern der Anwender einen eigenklanglosen Ultrasaubermann verlangt. Gerade bei der Tonaufzeichnung von akustischer Musik in wohlklingenden Räumen wollen sich viele Tonschaffende auf die ideale Mikrofonierung konzentrieren und lehnen Eigenklangmacher ab. Interessanterweise war ein Millennia HV-3C im Gründungsjahr von professional audio, damals, 2016, der Referenz-Vorverstärker. Obschon später abgelöst von unserem inzwischen altgedienten, treuen Lake People Mic-Amp F355 denken die alten professional audio-Hasen sehr gerne an den Millennia zurück. Da kommt uns ein Test des HV-32P bestens zupass, denn wir erwarten einmal mehr nichts weniger als die viel gelobte Millennia-Qualität.

Beide Kanäle verfügen über identische Bedienelemente. Die ungerasteten Gain-Regler haben einen eingebauten Boost im letzten Abschnitt des Regelwegs. Der „Ribbon“-Schalter aktiviert nicht nur eine zusätzliche +10dB-Verstärkung, sondern deaktiviert automatisch die Phantomspannung zum Schutz passiver Bändchenmikrofone.

Der HV-32P ist als transportabler, zweikanaliger, selbstverständlich analoger Vorverstärker für alle gängigen Mikrofone konzipiert. Sein Schaltungsdesign ist allerdings keine originäre Entwicklung, sondern direkt von dem inzwischen nicht mehr hergestellten API 200-Modul namens HV-32 übernommen worden. Der HV-32P ist allerdings – anders als der HV-32 – ein Zweikanaler. Dem Anwender stehen also zwei identisch aufgebaute Kanäle für Stereo-Aufnahmen zur Verfügung. Die beiden Kanäle gibt es für ein Gerät „Made In USA“ nicht zum Schnäppchenpreis. Rund 2.300 Euro schwer wiegt die – glücklicherweise – unverbindliche Preisempfehlung. Das muss keinesfalls zu viel sein. Ob der US-Amerikaner für die Aktentasche seinen Preis wert ist, soll sogleich und fort folgend geklärt sein.

In bester Familientradition

Die Millennia-Entwickler halten sich bei den technischen Details traditionell gerne bedeckt, was wir ihnen nicht zum Vorwurf machen wollen. Immerhin ist manche Eigenleistung schneller kopiert, als die technische Erklärung aufgeschrieben ward. Sicher ist aber, dass wir es mit einem diskreten Schaltungsdesign mit Transistoren zu tun haben. Millennia macht also nichts anderes als andere Edelschmieden, um eine möglichst gute Klangqualität offerieren zu können. Die Schaltung ist – auch das überrascht nicht – symmetrisch ausgeführt. Damit bedarf es keiner finalen Symmetrierung durch klangbeeinflussende Ausgangsübertrager. Das entspricht exakt dem Millennia-Credo vom eigenklanglosen Vorverstärker. Tatsächlich ist der HV-32P eine Adaption des Millennia-Klassikers HV-3. Zumindest in puncto Ausrichtung und Grunddesign.

Erwartungsgemäß lässt auch der HV-32P – das „P“ steht übrigens für „portable“, also „tragbar“ – bei den Messwerten nichts anbrennen. So ist der Kleine bei den THD+N-Werten oder der Slew Rate fast beziehungsweise genau auf Ohrhöhe zum Altmeister. Details ersparen wir Euch, da die winzigen Unterscheide nur messtechnisch erfassbar sind. Wer dennoch nach Details lechzt: Auf der Millennia Media Website, www.mil-media.com sind für alle Produkte die Messwerte en detail gelistet.

Der HV-32P hat außerdem die „DC Coupled Input Option“ für die Verwendung von dynamischen und Bändchen-Mikrofonen geerbt: Während bei Kondensatormikrofonen wegen der benötigten Versorgungsspannung eine ein- und ausgangsseitige Kopplung über Elektrolytkondensatoren unvermeidbar ist, wird diese Kopplung bei Aktivierung des frontseitigen „Ribbon“-Schalters aufgehoben. Wir haben es dann mit einem reinen DC/direkt gekoppelten Signalweg zu tun.

Die Stromversorgung erfolgt mittels eines mitgelieferten Schaltnetzteils.

Alles da – auf engem Raum

Gut, da haben wir jetzt zwangsläufig etwas vorgegriffen. Sehen wir uns die etwas versenkte Front an, so erkennen wir für beide Kanäle eine  identische Ansammlung und Anordnung der Bedienelemente: Auf einen stufenlos verstellbaren Pegelsteller folgt der eben erwähnte „Ribbon“-Schalter, darauf der Schalter zur Aktivierung der -14dB-Vordämpfung und zu guter Letzt der Aktivierungsschalter für die 48 Volt-Phantomspeisung. Alle drei Schalter sind hinterleuchtet, sodass die aktuellen Einstellungen an und für sich gut erkennbar sind. Allerdings ragen Aluminium Ober- und Unterdeckel über die Front hinaus, weswegen die Anzeigen, je nach Aufstellort und Blickwinkel, auch mal gar nicht sichtbar sind. Wir halten das aber für eine Marginalie, die vom Vorteil des so gestalteten Gehäuses lässig weggewischt wird: Durch das „Visier“ über den Reglern und Schaltern sind sie gut vor versehentlichem Verstellen geschützt.

Wie es sich gehört, bietet der HV-32P genügend Vorverstärker-Power, um auch mit geringer empfindlichen Kondensatormikrofonen oder flüsterleisen Dynamikern oder Bändchen auch pegelschwache Klangquellen wie Zupfinstrumente mit vernünftigem Arbeitspegel aufzunehmen. Grundsätzlich stehen dem Tonschaffenden +60dB zur Verfügung. Wird der „Ribbon“-Schalter aktiviert, kommen noch +10dB hinzu. Das ist allemal genug, um auch mit passiven Bändchen nicht nur Kleinstsignale auf die Festplatte – oder jedes andere analoge oder digitale Medium – zu bannen. Clever ist die eingebaute Schutzschaltung: Wenn der Ribbon-Schalter aktiviert wird, wird die Phantomspeisung automatisch deaktiviert, erkennbar am Erlöschen  der orangenen LED des +48 Volt-Schalters. Sicher, ein vollständiger Schutz der Sensibel-Bändchen ist damit nicht gewährleistet. Denn Phantomspannung ist selbstverständlich jederzeit aktivierbar. Aber ein wenig Achtsamkeit beim Umgang mit den wertvollen Mikrofonen gehört zum Alltag des Tonschaffenden. Außerdem reagieren Bändchenmikrofone beileibe nicht so empfindlich auf die immer noch unwillkommene Draufgabe der Speisespannung. Die vermeintlich Todgeweihten können derlei durchaus überleben. Dennoch: Sicher ist sicher.

Der HV-32P ist ein recht kleines Gerät mit den Ausmaßen einer Taschenpartitur. Folgerichtig drängen sich die Bedienelemente auf vergleichsweise engem Raum zusammen und fürs Einpegeln muss der Anwender schon recht spitzfingrig operieren. Keine Grund zu meckern, denn dafür passt der Preamp locker in eine mittelgroße Akten-/Umhängetasche – wohlgemerkt zuzüglich des mitgelieferten Schaltnetzteils nach Machart der gängigen Laptop-Computer Netzteile. Das Netzteil liefert nur die Arbeitsenergie, die weitere Spannungsversorgung erfolgt im Gerät selbst, um Störungen auszuschließen.

Booster inklusive

Der Regelweg der beiden Gain-Potis verdient eine besondere Beschreibung, um etwaige Missverständnisse von vorneherein auszuschließen. Bis knapp über Dreiviertel des Regelwegs erfolgt die Verstärkung sehr linear und kleinschrittig. Danach erfolgt allerdings ein deutlicher Anstieg und es bedarf ab jetzt erhöhter Aufmerksamkeit und taktilen Feingefühls, um die nachgeschalteten Geräte – beispielsweise AD-Wandler – nicht zu übersteuern. Tatsächlich hat Millennia dem HV-32P einen Booster für die letzten Millimeter des Regelwegs spendiert, um leise Signale bestmöglich auf vernünftige Arbeitspegel zu bringen. Wir mussten uns im Rahmen des Tests, den wir zunächst ohne einen einzigen Blick in die einseitige Bedienungsanleitung angegangen sind, an diese Eigenart erst gewöhnen. Danach war die Arbeit mit dem HV-32P – vor allem mit niedrig empfindlichen Mikrofonen – ein reines Vergnügen. Zumal die aus nur drei LEDs bestehende Anzeigenampel für beide Kanäle ausgesprochen zuverlässig arbeitet: Leuchtet die gelbe LED für +8dBu, ist alles im sicheren, sprichwörtlich und sinnigerweise grünen Bereich.  Meldet sich dagegen die rote +20dBu-LED, wird das Geschehen für Nachfolgende schon zu heiß.  Die Anzeige ist also einfach gehalten, und summa summarum: Praktisch und damit gut.

Die Stromversorgung erfolgt mittels eines mitgelieferten Schaltnetzteils.

Rückseitig finden sich die obligatorischen XLR-Buchsen. Es gibt jeweils zwei pro Kanal, die Beschriftung auf der Deckplatte informiert mittels aufgedruckter Pfeile über Kanalein- beziehungsweise -ausgänge. Die Buchsen selbst sind, wir müssen es klar sagen, nicht eben highendig: Keine vergoldeten Kontakte und die Entriegelungs-Schalter sind leicht hakelig und wirken blechern. Da machen die Neutrik-Buchsen in unserem Referenz-Vorverstärker, dem Lake People Mic-Amp F355, mehr her. Dass auch der große Millennia HV-3C insoweit mehr zu bieten hat – geschenkt. Irgendwo muss der Hersteller den Rotstift ansetzen und im Rahmen des Tests können wir keine Nachteile feststellen. Weder funktional noch – alles ist denkbar – im Klangergebnis.

Dass der kleine HV-32P – fast wollen wir einfügen „selbstverständlich“- nicht mit der opulenten Impedanz-Anpassungsoption des HV-3C aufwarten kann, sei nur rein vorsorglich erwähnt. Wer Millennia-Technik in Reinkultur und Perfektion haben will, lässt den Kleinen ohnehin links liegen – und reist eben mit entsprechend schwerem Gepäck zur Aufnahme.

Klangsignatur à la Millennia

Trotz der genannten Abstriche: Ein Billigheimer ist der HV-32P auf keinen Fall. Er hinterlässt einen durchdachten und robusten Eindruck. Dass die Wahl auf leichtes Aluminum für die Gehäuseplatten fiel, ist zu begrüßen. So beschwert der Preamp mit nur 900 Gramm kaum die Umhängetasche. Den packen Schlepperei-Verächter gerne ein, um sich am Klang des HV-32P zu erfreuen.

Womit wir endlich die alles entscheidende Frage beantworten wollen: „Wie klingt er denn jetzt, der kleine Millennia HV-32P?“ Um dem Preamp auf die Klangspur zu kommen, nehmen wir verschiedene Takes mit akustischer Nylonsaitengitarre, genauer einer vorbildlich ausgewogenen Flamencogitarre von Guitarrero Ricardo Sanchis Carpio, in Logic Pro auf. Dabei verwenden wir für Stereo-Aufnahmen ein Schoeps MK4/CMC6-Paar sowie für Monospuren den Doppelbändchen-Klassiker M130 von Beyerdynamic. Die Digitalisierung übernimmt wie immer bei Mikrofon- und Preamp-Tests die vielfach bewährte Combo bestehend aus Mytek Digital 8×192 ADDA und Mutec MC3+USB. Wie es sich gehört, kommt dasselbe Besteck zum Vergleich auch mit unserem Referenz-Preamp, dem Lake People Mic-Amp F355, zum Einsatz.

Beim Abhören der Aufnahmen ist direkt ohrenfällig, dass der HV-32P ein sehr fein und detailreich auflösender Vertreter der Vorverstärker-Zunft ist. Nichts anderes haben wir bei seiner Herkunft erwartet und es freut uns wirklich sehr, dass der Kleine entsprechend liefert. Dabei beherrscht er auch, was nur wirklich guten Preamps zu eigen ist: Ein gewisses Maß an Räumlichkeit, dass die Mittelklasse sowie die untere Oberklasse in der Regel noch schuldig bleibt. Da muss er sich hinter dem Lake People keinesfalls verstecken und dürfte auch gegen seinen berühmten großen Bruder, den Millennia HV3C eine gute Figur machen. Mit dem Bändchen arbeitet der HV-32P ganz hervorragend zusammen – als wären das M130 und der kleine Millennia füreinander gemacht. Unser Lake People hat es nicht so mit passiven Bändchen und dynamischen Mikrofonen, wenngleich er genügend Power bei extremer Rauscharmut anbietet. Der Punkt geht eindeutig an den Millennia.

Allerdings hat der auch einen gewissen klanglichen Fingerabdruck – bei aller Präzision. Während der Lake People extrem nüchtern-sachlich zu Werke geht – fast möchten wir von einer urdeutschen Musikbeamtenseele sprechen – , hat der Millennia eine leichte Vorliebe für die Tiefen und die Höhen. Die ist jeweils nur ganz dezent vorhanden und nur bei sehr genauem Hinhören erkennbar, aber doch zu vernehmen. Wir wollen es als „Musikalität“ wahrnehmen und verbuchen sowie betonen, dass es sich definitiv nicht um eine Verfärbung handelt. Es ist lediglich eine klangliche Signatur, die nach unserer Erfahrung jedem gut konstruierten Preamp zu eigen ist, weswegen sich Vergleichstests eben doch lohnen. Mithin bleibt festzuhalten: Der Millennia HV-32P weiß zu überzeugen, erfüllt unsere hohen Erwartungen und hat sogar Charakter. Wenn das mal nicht genug ist.

Fazit

Der Millennia HV-32P ist ein sehr guter, auf Signaltreue ausgerichteter, gut transportabler  Mikrofonvorverstärker, der sich insbesondere für Aufnahmen akustischer Musik in wohlklingenden Räumen mit guten Mikrofonen empfiehlt. Obschon nicht billig, ist sein Preis dennoch angemessen.

HerstellerMillennia
Vertriebhttps://megaaudio.de
TypMikrofonvorverstärker
Maße144 x 43 x 208 mm (B x H x T)
Gewicht900 g
Preis [UVP]2.309 Euro

Kanäle2
Eingänge 2x XLR
Ausgänge2x XLR
Verstärkung+60dB, +70dB bei aktiviertem „Ribbon“-Schalter
48 Voltja
Phantomspannungja
Padja, Absenkung des ­Eingangssignals um 14dB
Hochpassfilternein
Bedienelemente2 Drehregler, 6 Druckschalter (hinterleuchtet), 1 Kippschalter
AnzeigeLED, dreistufig: -10/+8/+20dB
LieferumfangManual, Schaltnetzteil
BesonderheitenDiskretes, aus Transistoren aufgebautes Schaltungs­design, Schutzschaltung im Ribbon-Modus, Gainregler besitzt eine stufenlose Boost-Funktion im letzten ­Abschnitt des Regelwegs, Made in USA

KategorieOberklasse
Ausstattunggut
Bedienungsehr gut
Verarbeitungüberragend
Klangsehr gut – überragend
Gesamtnotesehr gut