
Orchestral Tools ist erneut auf Weltreise gegangen. Dieses Mal haben sie uns nach Indien entführt und den Klang Bollywoods in Form eines Orchesters eingefangen, das mit den essenziellen Instrumenten für diese Art von Soundtrack aufwartet. Außer den üblichen klanglichen Verdächtigen wartet die Library mit manch einer Überraschung auf. Welche das sind, steht im Test.
von Georg Berger
Orchestral Tools hat sich unter anderen wie Albin Dominic und Alex Lamy einmal mehr mit dem Komponisten und Multiinstrumentalisten Richard Harvey zusammengetan, um mit ihrem jüngsten Wurf “Svara” eine weitere Sample Library mit ethnischen Instrumenten jenseits des westlichen Klangkörpers zu produzieren. Dieses Mal geht es nach Indien. Genauer gesagt konzentriert sich die Klangsammlung auf Instrumente, die primär zum Produzieren von zeitgenössischen Bollywood-Soundtracks eingesetzt werden. Insgesamt 32 Presets sind an Bord, die sich auf rund 80 Gigabyte ausbreiten, sofern sämtliche der bis zu sieben Mikrofonpositionen, die sich im firmeneigenen SINE-Player nach Gusto mischen lassen, runtergeladen wurden. Wie üblich liegen die Samples in Filmmusik-freundlichen 48 kHz und 24 Bit Auflösung vor. Kostenpunkt: rund 400 Euro. Sehr schön: Wer nur ein bestimmtes Instrument und überdies nur bestimmte Mikrofonpositionen aus dieser Sammlung benötigt oder einsetzen will, kann dies separat erwerben. Die Preisspanne reicht dabei von zehn bis 60 Euro für Einzelinstrumente. Dies sollte nach wie vor Schule machen, denn nicht jeder braucht für bestimmte Projekte den ganzen Klangkörper einer Library. In Sachen Kundenfreundlichkeit gibts dafür schon mal ein Extralob.

Die Klänge wurden im Studio Uno im indischen Chennai aufgenommen, wobei ausgewiesene Meister ihres Fachs zum Einsatz kamen. Sie zu nennen wäre zwecklos, da sie hierzulande kaum bis gar nicht bekannt sind. Also sparen wir uns das und kommen auf das Repertoire von Svara zu sprechen.
Der charakteristische Sound von Bollywood
Im Zentrum der Library stehen Streichinstrumente westlicher Prägung, die allerdings auf spezielle, für indische Musik typische Weise gespielt wurden. So gibt es neben einer Solo-Violine ein zehnköpfiges Violinen-Ensemble – einmal in einer hohen, einmal in einer normalen Lage – sowie eine Bratschen-Sektion, bestehend aus sechs Spielern. Mehr braucht es für Bollywood-Soundtracks in Sachen Streicher nicht. Um aber den westlichen Gepflogenheiten und auch den Anforderungen an Filmscores entgegenzukommen, hat Orchestral Tools noch Celli und Kontrabässe der Library hinzugefügt, die ihrerseits aus der Phoenix-Library entnommen wurden, die der chinesischen Musikkultur frönt. Neben üblichen Artikulationen wie unter anderem Legato, Portato, staccato und dergleichen, finden sich eine Vielzahl an sogenannten „Ornamenten“. Die sind mit indischen Bezeichnungen wie etwa „Ghagara“, „Mahanadi“ oder „Gandak“ betitelt und geben Hinweise auf entsprechende Ragas, also das indische Skalensystem. Später dazu mehr. Die Celli und Bässe der Phoenix-Library kommen indes mit regulären Artikulationen wie etwa pizzicato oder Tremolo. Als Besonderheit findet sich in der Saitensektion noch das indische Hackbrett „Santoor“, das für weiteren charakteristischen Klang sorgt. Doch die indische Musik ist nichts ohne ihre Bordun-Instrumente, neudeutsch „Drones“, die für die tönend-harmonische Basis indischer Musik sorgen. Neben dem viersaitigen Tanpoor mit seinem typischen, an eine Sitar erinnernden schnarrend-dröhnenden Klang, findet sich dazu auch ein Harmonium und die typische Shruti-Box, hier in einer 12-tönigen akustischen Variante mit Halbtönen westlicher Prägung. In Sachen Blasinstrumente finden sich lediglich Bansuri-Flöten: eine in D und zwei – eine hohe und eine tiefe – in A. Auch diese Instrumente warten neben üblichen Artikulationen wie Vibrato, Flatterzunge oder Triller auch mit einer reichhaltigen Auswahl an typisch indischen Verzierungen auf. Komplettiert wird das Klangarsenal durch eine üppige Auswahl an Percussion-Instrumenten und virtuosen Vortragsweisen. Mit zwölf Instrumenten markiert die Percussion-Sektion die umfangreichste Zahl an Instrumenten in der Svara-Libray und unterstreicht die Bedeutung, die diesen Instrumenten für die (klassische) indische Musik beikommt. Am bekanntesten dürfte der Klang der Tabla und des keramischen Ghatam-Instruments sein. Soweit so gut.

Streicher, Percussion, Drones und Flöten
Schade ist, dass es kein Handbuch zur Library gibt, in der ein wenig über die Instrumente, ihre Herkunft und die indische Musikkultur referiert wird. Stattdessen hat der Hersteller wie immer eine Reihe hochinformativer Walkthrough-Videos produziert, in der diese Informationen präsentiert werden. Dennoch hätten wir etwas Geschriebenes bevorzugt, was schneller zur Hand ist, als das Aufrufen und mühsame Durchscrollen durch ein Video. Allerdings bewahrt das nicht davor, sich selbst recherchierenderweise in die Instrumentenkunde zu vertiefen, wenn bestimmte Klangerzeuger und ihre Spielweisen von besonderem Interesse sind.
Hören wir als erstes in die Streicher-Sounds hinein. Auffallend ist im Test der angenehm, intime Klang der Solo-Violine, die wohlig schmeichelnd mit zartem Schmelz daher kommt. Die High-String- und Violinen-Sektionen warten mit einem hellen, aber durchaus zerbrechlichen Sound auf, der selbst im Ensemble etwas intimes vermittelt. Brachialer Bombast-Filmscore-Sound ist damit nicht möglich. Sehr schön ist die Möglichkeit, in den Legato-Presets zwei oder drei Legatozonen nach eigenem Gusto/Spiel anzupassen (slide, portamento, fingered) so dass beim Spielen die Übergänge nach Wunsch weich und organisch erfolgen. Schon in den „regulären“ Legato-Presets ist das typische Slendro hörbar, bei dem Übergänge stets auf ganz eigentümliche Art, ähnlich einem portamento übergebunden werden, wie man es nur aus indischer Musik kennt. Bei den Ornamenten finden sich in allen Streichern diverse Microphrasen, Pralltriller, Hammer-ons/offs und ähnliche Verzierungen am Anfang einer gespielten Note. Sie gezielt einzusetzen – was übrigens auch für alle anderen Instrumenten-Ornamente in Svara gilt – erfordert etwas Einarbeitungszeit, um zielgerichtet das Passende zu finden und einzusetzen. Bemerkenswert: Obwohl die Celli und Bässe aus einer anderen Library stammen, fügen sie sich dennoch organisch in den Klangkörper der indischen Streicher ein. Das Santoor-Hackbrett besitzt ebenfalls einen eher samtig-weichen Grundsound. In Sachen Timbre unterscheidet es sich allerdings nicht wesentlich von Äquivalenten aus Europa. Schön sind aber verschiedene Triller, Glissandi und Tremolos, die für Abwechslung sorgen.
Weiter geht’s mit den Drone-Instrumenten. Die charakteristisch klingende vier-saitige Tanpura kommt mit Sustains und Drones. Letztere sind eine Art Mini-Loop, bei der zum Grundton immer wieder Töne im Quart- oder Quintabstand gespielt werden, um einen Klangteppich zu erzeugen. Das Harmonium kommt klanglich wie zu erwarten daher und könnte auch für westliche Musik eingesetzt werden. Zwei Registrierungen sind an Bord, wobei eine etwas dünner und heller, die andere voluminöser und mittiger klingt. Ähnlich verhält es sich mit der Shruti-Box. Das Einzelton-Preset klingt eher wie ein Akkordeon. Es gibt noch eine Akkord-Artikulation. Sie kommt allerdings nur mit drei spielbaren Varianten. Da hätten es ruhig mehr sein können. Dafür gibt’s aber zwei Varianten mit offenem und geschlossenen Deckel, was einen hellen, respektive dumpfen Sound nach sich zieht. Insgesamt mag das Repertoire bei den Drone-Instrumenten eher mager ausfallen. Doch eingedenk ihrer Hauptfunktion – harmonische Klangteppiche im Hintergrund erzeugen – reicht es in jedem Falle.
„Ghagara“, „Mahanadi“, „Gandak“ und noch mehr
Hören wir als nächstes in die Bansuri-Flöten rein. Die drei Flöten besitzen jeweils eigene klangliche Grundcharakteristika. Die tiefe A-Variante klingt am voluminösesten und sehr dunkel. Die hohe A-Flöte ist im Grundklang hell und sehr zart und fein. Die D-Flöte liefert sozusagen den klanglichen Kompromiss zwischen den A-Flöten. D- und tief A-Flöte besitzen schon in ihren regulären Presets eine farbenprächtige Auswahl an Artikulationen, die im Test Riesenspaß machen und alsbald schon zu einem Highlight avancieren. Ebenso wie in den Streichern besitzen die Ornament-Presets diverse Triller, Vorhalte und kleine melodiöse Verzierungen, die beim Tastenanschlag hörbar sind. Teils geht dies sogar in Melodie-Loops über. Im Test wirkt das Spielen dieser Ornamente ohne Wenn und Aber sehr inspirierend und ehe wir uns versehen, schrauben wir uns in melodiöse Höhenflüge. Doch es gilt ja noch die Percussion zu sichten, wozu wir jetzt kommen:
Jedes einzelne Instrument und seine Eigenheiten vorstellen zu wollen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Festzuhalten bleibt aber, dass die Percussion-Instrumente ein Highlight der Library darstellen. Die Single-Hit-Presets warten mit einem vielfältigen Variantenreichtum an Klang auf, wobei die Spieler mit den Fingern auf verschiedene Stellen des Instruments klopfen, reiben, schlagen und kratzen. Alleine das Austesten dieser Farbenpracht macht im Test Laune. Weiter geht’s mit rhythmischen Pattern, die jeweils nur kleine ein- bis zweitaktige Phrasen besitzen. Hier einen flüssigen Percussion-Part zu zaubern, erfordert einiges an Übung und vor allem ein gutes Gedächtnis, um zu wissen, welches der unzähligen Pattern, mit welchem harmoniert. In einem Arrangement können sie aber einzeln eingesetzt für entsprechend ohrenfällige Akzente sorgen. Dieser modulare Ansatz, obwohl oder gerade weil er komplex ist, verdient da ein Sonderlob. Last but not Least verfügen die Percussion-Instrumente auch über einen reichhaltigen Satz an authentischen Loops, wobei hier auch ungerade Metren wie 5/4 und 7/8 für zusätzliche Würze sorgen. Das einzige Problem dabei ist, dass sie alle superschön klingen, mitreißend sind und man sich gar nicht entscheiden kann, welche Loops man wo und wie einsetzen will. Die Gefahr, sich an ihnen irgendwann satt gehört zu haben, sehen wir nicht. Dafür sind sie viel zu farbenprächtig, als dass sie auf abesehbare Zeit langweilig klingen können.

Fazit
Orchestral Tools legt mit Svara den Klangkörper eines waschechten Bollywood-Film-Orchesters vor. Mit ihren typisch indischen Melodie-Verzierungen und Pattern liefern sie dem ethnisch interessierten Klangschaffenden einen sehr gut ausgestatteten Werkzeugkasten, um authentisch klingendes indisches Musik-Flair zu erzeugen. Hinzu kommt der eher intime, bisweilen zarte, mitunter feine und zerbrechliche Grundsound gerade in den Streichern, der Svara charakteristisch prägt. Abseits von Bollywood können gerade die Streicher und die Flöten damit für hörbare klangliche Akzente in herkömmlichen Arrangements westlicher Prägung sorgen.
Svara
Hersteller | Orchestral Tools |
Vertrieb | https://orchestraltools.com |
Typ | Sample Library |
Preis [UVP] | 399 Euro ; Einzel-Instrumente: 9 – 60 Euro |
Ausstattung
Kompatibilität | |
Schnittstellen | |
Aufnahmequalität | 24 Bit/48 kHz |
Datenmenge | |
Abspielsoftware | proprietärer SINE Player |
Presets | 32 |
Instrumente | 4 Streicher, 1 Zupfinstrument, 3 Drone, 1 Flöte, 12 Percussion |
Virtuelle Mikrofonpositionen | 2 – 6 |
Artikulationen/Loops | |
Besonderheiten | Library enthält den Klangkörper eines Orchesters, wie er für Bollywood-Soundtracks eingesetzt wird, Percussion-Instrumente enthalten Single-Sounds, rhythmisch-modulare Teil-Pattern und komplette Loops, Streicher enthalten spezielle, für Bollywood-Soundtracks spezifische Artikulationen, Percussion-Loops enthalten auch ungerade Taktarten (u.a. 5/4, 7/8). |
Bewertung
Kategorie | Oberklasse |
Ausstattung | sehr gut |
Bedienung | sehr gut |
Klang | sehr gut |
Gesamtnote | sehr gut |