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November 13, 2024

Modartt Pianoteq: Klingende Grüße aus Bösendorf

Bösendorf liegt gleich neben Blüthnerhausen, um die Ecke von Grotrianingen und Steingräbersheim und in der Nähe von Bechsteiningen. Was das alles mit dem neuen Update von Modartt‘s Pianoteq-Instrument zu tun hat, klärt der Test.

von Georg Berger; Foto: L. Bösendorfer Klavierfabrik GmbH

Der fränzösische Softwarehersteller Modartt hat sein Physical-Modeling-Klavier Pianoteq vor Kurzem auf die Version 8.3 upgedatet. Neben kleinen Detailverbesserungen ist als unumstrittenes Highlight dieser Version die erstmalige Emulation eines Flügels des österreichischen Traditionsherstellers Bösendorfer enthalten. Damit kommt der Hersteller endlich einem langgehegten und oftmals geäußerten Wunsch seitens der Anwenderschaft nach. Wer Besitzer des Studio Bundles ist und dieses vor weniger als einem Jahr erworben hat, erhält den Bösendorfer-Flügel gratis. Alle anderen müssen ihn als Soundpack für rund 50 Euro kostenpflichtig erwerben, respektive freischalten.

Emuliert wurde das 88 Tasten umfassende Bösendorfer Modell 280VC, wobei die Ziffer für die Länge des Flügels steht, also 2,80 Meter. Das mächtigste Modell, den „Bösendorfer Imperial“ mit einer Länge von 2,90 Meter und ganzen 97 Tasten hat sich Modartt wohl noch aufgehoben. Mit diesem speziellen, um nicht zu sagen exotischen Modell, das 1900 auf Anregung von Ferruccio Busoni entstand, konnte der Komponist seinerzeit seine Transkriptionen von Bach-Orgelwerken klanglich optimal in Szene setzen. Größer ist übrigens nur noch das im Guinness Buch der Weltrekorde verzeichnete Modell Klavins 370 von David Klavins, das sich als Standklavier über zwei Etagen erstreckt und erstmals vor zwölf Jahren von Native Instruments als Sample Library „The Giant“ herausgebracht wurde. 

Doch zurück zum Bösendorfer: Das 280er verfügt wie der Großteil der Konzertflügel über den üblichen Tonumfang von 88 Tasten (Subkontra A bis c5). In Sachen Signature-Sound wird der Klang der Bösendorfer-Flügel immer wieder mit Attributen wie singend-brillant und vielfarbig umschrieben. Der Hersteller selbst sagt zum 280VC, dass er einen Klang erzeuge klar wie ein Diamant und doch verspielt wie das Funkeln im Licht. Dann will ich diesem resonanzreichen und singenden Klang mal auf den Grund gehen. Abseits von per MIDI-File gespielten klassischen Klavierstücken, spiele ich auch eigene Akkordfolgen und Einzelnoten in verschiedenen Anschlagsstärken und vergleiche sie mit den anderen in Pianoteq enthaltenen Flügeln. Um einen fairen Vergleich zu haben, teste ich jeweils die „Player“-Presets und schalte dabei sämtliche Effekte aus.

In Version 8.3 des Pianoteq-­Instruments ist jetzt ­erstmals die Emulation eines ­Bösen­dorfer-Flügels enthalten.
Die österreichische Klavierbau-Manufaktur Bösendorfer wurde im Jahr 1828 von Ignaz Bösendorfer in Wien gegründet und ist das älteste Klavierbau-Unternehmen der Welt. In den fast 200 Jahren seiner Existenz hat der Hersteller eine wechsel- und glanzvolle Geschichte erfahren. Ihre Instrumente wurden vom Fleck weg von den renommiertesten Pianisten hoch geschätzt. So wurde Franz Liszt sozusagen der erste begeisterte Bösendorfer-Endorser. Der Grund: Nur die Bösendorfer-Instrumente waren in der Lage, dem kraftvollen Spiel des Virtuosen standzuhalten. Alle anderen Flügel pflegte der Meister in Konzerten stets sozusagen zu Klump zu spielen.

In jüngerer Geschichte findet sich ein nicht minder klang- und verdienstvolles Who-is-who an Pianisten und Musikern. So schätzen und schätzten Meister wie  Arthur Rubinstein, Paul Badura-Skora, Andras Schiff (aktueller Träger des Bösendorfer-Rings), Leonard Bernstein, aber auch Musiker wie Oscar Peterson, Peter Gabriel, Tori Amos oder Vangelis den besonderen Klang, den die Bösendorfer-Instrumente erzeugen.

Die Besonderheit der Bösendorfer-Flügel besteht laut Hersteller in der Verwendung von Fichtenklangholz, das zu 80 Prozent verwendet wird – mehr als jeder andere Hersteller. Zweite bemerkenswerte Besonderheit ist das ureigens entwickelte Resonanzkastenprinzip. Das komplex konstruierte Gebilde erzeugt dabei zusammen mit dem gesamten Gehäuse des Instruments den immer wieder als singend brillant umschriebenen Klavierton. Auch das ist etwas, was ausschließlich nur bei Bösendorfer-Flügeln anzutreffen ist.



Ein plastischer, vollmundiger Sound
Beim oberflächlichen Hören und Vergleichen der einzelnen Modelle entsteht leicht der Eindruck, als ob hier ein Instrument mit verschiedenen EQ-Settings spielt. Mal klingt es perkussiver als der Bösendorfer, mal im Bass etwas kratziger, um nicht zu sagen aggressiver. Das andere Mal kommen die anderen Instrumente in den Höhen etwas spitzer als der Bösendorfer daher, mal etwas weicher. Das alles en detail aufschlüsseln zu wollen, würde den Rahmen des Tests bei weitem sprengen. Nach dem Vergleich bleibt aber festzuhalten, dass der Bösendorfer mit einem gefälligen Wohlklang, vor allem in den unteren Mitten daherkommt. Die Höhen sind klar und tatsächlich singend. Sie klingen auf subtile Weise sehr angenehm und zurückhaltend. Die Bässe haben ihren ganz eigenen Charakter, der im Vergleich weder zu harsch, noch zu schwach aufgestellt ist. Ganz gleich in welcher Lage ich  spiele: Der Bösendorfer klingt auf eigene Weise vollmundig, plastisch und gefällig. Natürlich kann der Bösendorfer bei entsprechendem Spiel auch kraftvoll daherkommen. Aber irgendwie besitzt er in meinen Ohren immer etwas eigentümlich Vornehmes, um nicht zu sagen Lyrisches, Intimes. Auffällig: Bösendorfer und Steinway liegen im Sound fast gleichauf, wenngleich der Steinway in den Höhen und Bässen etwas kräftiger daherkommt. Der größte Unterschied im Grundsound wird beim Vergleich mit den Grand YC 5 und dem Grand K2 Flügeln deutlich. Beide Flügel sind ungleich aggressiver und springen einen förmlich an, was sie zu perfekten Instrumenten für Pop, Rock und Jazz macht. Der Bösendorfer hält sich wie ein vornehmer Gentleman im Hintergrund und überzeugt durch seine Plastizität. Alles in allem nimmt er im Portfolio von Pianoteq einen Platz in der Mitte ein, was ihn zu einem universell einsetzbaren Instrument macht, das sich stets durch ein warmes Timbre ohrenfällig durchsetzt.

Fazit

Mit Pianoteq 8.3 feiert die Emulation des Bösendorfer 280VC eine eindrucksvolle Premiere. Mit seinem plastischen, vollmundigen Grundsound dürfte er demnächst viele Freunde und Bewunderer finden. Und: Billiger kommt man an einen Bösendorfer, auch wenn er „nur“ emuliert ist, nicht dran. Wem das nicht genügen sollte, der muss dann eben in den sauren Apfel beißen und rund 190.000 Euro für das Original berappen.

Hersteller Modartt
Vertrieb https://modartt.com
Preis [UVP] 49 Euro als Soundpack; kostenlos für Besitzer von Pianoteq Studio Bundle
KategorieSpitzenklasse
Ausstattungüberragend
Bedienungsehr gut
Klangsehr gut – überragend
Gesamtnotesehr gut – überragend