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Oktober 31, 2024

Lindell audio LiNTEC: Darf’s ein bisschen Vintage sein?

Manche Klanggestaltungstools gelten als legendär, wie zum Beispiel der EQP-1A von Pultec. Nachbauten gibt es viele, doch wer einen solchen in ­Hardware-Form benutzen möchte, muss bisweilen recht tief in die Tasche greifen. Der ­schwedische Hersteller Lindell audio möchte dies ändern und mit seinem neusten Produkt, dem LiNTEC-EQ eine Brücke schlagen: zwischen ­handverlesenen ­Analogkomponenten und legendärem Vintage-Klang zu einem fast ­unschlagbar attraktiven Preis. Ob das gelungen ist, haben wir für euch herausgefunden.

von Carina Pannicke

Es ist schon erstaunlich: während die Medienproduktionswelt, insbesondere ihre Sounds und Klangästhetik(en), wie alle anderen Bereiche der Kultur auch, bestimmten Moden unterliegen – ich denke mit Schaudern an die Auferstehung des lange Jahre verpönten Auto-Tune-Effekts in aktuellen Hip Hop- und R&B-Songs – so scheint zumindest eine Klangästhetik ungebrochen erstrebenswert zu sein, nämlich die des „warmen Analogklangs“, der griffig und trotzdem druckvoll und dicht aus jeder Art von Wiedergabesystem tönt. Und mit dieser erwünschten und ersehnten Klangästhetik einher fallen sogleich die Namen der Werkzeuge und Hersteller, die dafür bekannt sind, genau dieses Heil zu bringen: Channelstrips von Neve oder SSL, Limiter von Universal Audio, und natürlich Equalizer von Pultec. Wer von „dem“ Pultec spricht, meint damit meistens den EQP-1A, einen passiven, Röhren-betriebenen Drei-Band-Entzerrer aus den sechziger Jahren. Ja, richtig gelesen, Pultec hat diesen (und noch zwei weitere passive Modelle) vor über sechzig Jahren auf den Markt gebracht, das erste Modell dieser Serie, den EQP-1 sogar schon 1953. Was den und die Pultec-EQs so besonders macht und warum ihr Klang sich ungebrochener Beliebtheit erfreut, erfährst du hier.

In Form von Nachbauten und Software-Emulationen lässt sich der Klang des EQP-1A auch heute noch nutzen – doch schlagen einige von ihnen mit Kosten von mehreren tausend Euro einen ­ordentlichen Krater ins Budget, und selbst die hoch gelobte ­Plug-in-Kollektion von Universal audio ist mit knapp 350 Euro nicht gerade günstig zu haben.

Hier kommt nun unser Testkandidat ins Spiel: Der LiNTEC von Lindell audio ist zwar auch ein Nachbau des EQP-1A, der in Form eines 19-Zoll-Geräts daherkommt, mit vollständig analogen Komponenten aufwartet und den Klang des „legendärsten EQs der Welt“ (Lindell audio) ins eigene Studio bringen soll. Doch gleichzeitig ist er eben keine reine Kopie, denn verglichen mit dem Original EQP-1A erinnert zunächst einmal nur die Anordnung der acht Potis an das berühmte Vorbild. Lindell audio hat seiner Version des „Pultecs“ durchaus eigene Features spendiert, zum Beispiel einen erweiterten regelbaren Frequenzbereich, auf den wir gleich noch zurückkommen.

Sämtliche Komponenten des LiNTEC EQs sind analog, so auch die Anschlüsse, die als symmetrische Klinkenbuchsen ausgelegt sind. Bei Bedarf dient jeweils eine Stellschraube der Kalibrierung von VU-Meter und Ausgangspegel.

Pultec-Design auf schwedisch

Diese Philosophie, Nachbauten mit eigener Handschrift herzustellen, findet sich übrigens in den meisten der Hard- und Software-Produkte von Lindell audio.

Spektakulär ist, welchen Preis Lindell audio für den LiNTEC aufruft, nämlich gerade einmal 500 Euro. Ein regelrechtes Schnäppchen angesichts der teuren Hardware-Konkurrenz. Das lässt doch hellhörig werden.

Der LiNTEC bietet sich an, um Vocals oder Saiteninstrumenten Luftigkeit zu verleihen, Bässe punchig hervorzuheben ohne Matsch zu erzeugen oder sogar einen ganzen Mix-Bus mit klanglicher Wärme zu veredeln – und das laut Lindell audio auch, wenn der Entzerrer gar nicht ins Signal eingreift.

Transistoren statt Röhre

Ein großer Unterschied im Vergleich zur Originalbauart des EQP-1A, der von außen nicht sichtbar ist, besteht darin, dass im Inneren des LiNTEC statt einer Röhre Transistoren die Aufholverstärkung übernehmen. Die Solid-State-Bauweise hat gegenüber der Röhre einige Vorteile: sie bietet zum einen eine deutlich rauschärmere Signalverarbeitung, ist robuster und weniger reparaturanfällig und nicht zuletzt reaktionsschneller in Bezug auf Transienten. Außerdem können auf diese Weise zwei Geräte leichter als Stereo-Paar gematcht werden, was bei Lindell audio manuell geschieht. Zuständig für die Klangregelung ist ebenfalls ein eigens für Lindell audio angefertigter Op-Amp, der auch in anderen Geräten der schwedischen Manufaktur verbaut wird.

Wie oben angedeutet, wurden die Frequenzbereiche des Original-Pultecs beim LiNTEC erweitert. Kurz zur Erläuterung für alle „Pultec-Neulinge“: die drei Bänder des Lintec sind wie bei seinem Vorbild nicht vollständig durchstimmbar, sondern es sind nur bestimmte Frequenzen via Poti wählbar. 

Das erste, mit „Low Freq“ bezeichnete Band kann wie beim EQP-1A vier feste Frequenzen zwischen 20 und 100 Hertz bearbeiten, hinzu kommt hier eine fünfte, nämlich 150 Hertz. Im „High Freq“-Bereich stehen statt sieben jetzt elf Frequenzen zwischen 1 und 16 Kilohertz zur Klangregelung bereit. Ähnliches findet sich im dritten Band, welches lediglich abgesenkt werden kann: während der Original-Pultec hier auf 5, 10 und 20 Kilohertz beschränkt ist, stehen am Lintec fünf Frequenzen zwischen 4 und 20 Kilohertz zur Verfügung. 

Das Low Freq-Band kann sowohl verstärkt (Boost) als auch gedämpft werden (Attenuate). Weil dafür zwei separate Regler zur Verfügung stehen, geht das auch gleichzeitig (siehe Kasten). Das Band kommt am ehesten einer Shelving-Kurve gleich. Das High Freq-Band ist in seiner Güte von 0 bis 10 einstellbar (Bandwidth) und kann ausschließlich verstärkt werden (Boost). Dieses Band besitzt eine Bell-Charakteristik, wobei die Breite zwischen circa dreieinhalb Oktaven (10) bis zwei Oktaven (0) sehr großzügig gestaltet ist. Das dritte Band dient, wie erwähnt, der Dämpfung mittlerer bis hoher Frequenzen (Attenuate) und hat ebenfalls eine Art Shelving-Form.

Anders als der Original-Pultec, der keine visuelle Anzeige besaß, verfügt der LiNTEC über eine beleuchtete Pegelanzeige, die als VU-Meter ausgelegt ist. Diese ist für meinen Geschmack ein nettes Gimmick und passt gut ins Design, erscheint mir aber nicht unbedingt notwendig.

Viel wichtiger für einen EQ ist meines Erachtens ein echter Bypass-Schalter und den gibt es beim LiNTEC erfreulicherweise in Form eines großen, satt klickenden Kippschalters, direkt über dem ebenfalls als Kippschalter ausgelegten Netzschalter.

Noch ein kurzer Blick auf die Rückseite des Geräts: Hier finden sich neben dem Netz- auch der Ein- und Ausgangsanschluss in Form von symmetrischen Klinkenbuchsen (TRS), sowie zwei Schrauben für die Kalibrierung des Meters und des Ausgangs, sollte dies notwendig sein.

Der LiNTEC ist ein passiver Equalizer in Solid State-Bauweise. Schaltungstechnisches und klangliches Vorbild ist der Pultec EQP-1A aus den 60er-Jahren.

Im Praxiseinsatz

Abgesehen davon, dass der LiNTEC mit seiner matt glänzenden, marineblau-weißen Oberfläche, den großen silbernen Potis und dem beleuchteten Display ein optisch ansprechend gestaltetes Gerät ist, hat Lindell audio auch klanglich nicht zuviel versprochen, denn der EQ klingt richtig gut. Als erstes füttere ich ihn nacheinander mit E-Bass und Bassdrum und wende den „Pultec-Trick“ an (siehe Kasten); beim E-Bass im 100 Hertz-Band, bei der Bassdrum mit 60 Hertz, drehe ich sowohl den Boost als auch den Attenuate-Regler auf sieben. Das gibt beiden Instrumenten ordentlich Wumms und das tatsächlich ohne großen Klangbrei zu erzeugen.

Noch interessanter ist, was der LiNTEC im Mitten- und Höhenbereich an Klanggestaltung zu bieten hat. Der Snare-Drum meiner Schlagzeugaufnahme verpasse ich nichts weiter als einen kräftigen Schub bei 4 Kilohertz mit einer mittleren Bandwidth und sie bekommt nicht nur Biss und Punch, wie beabsichtigt, sondern klingt auch im unteren Mittenbereich ausgewogener. Außerdem scheint ihr Sustain nun deutlich kürzer, ohne das dezidierte Kompression im Spiel ist. Dies steht dem Uptempo-Rocktrack wirklich gut zu Gesicht. Die Overheads, deren Stereo-Signal ich selbstverständlich separat als Mono-Split durch den LiNTEC leiten muss, senke ich bei 60 Hertz etwas ab und verleihe ihnen einen ordentlichen Boost bei 10 Kilohertz, bei größter Bandbreite. Trotz dieser kräftigen Höhenanhebung klingen Becken und Hihat nun wunderbar weich und samtig, wobei sie  nicht dünn, sondern lediglich etwas weniger voluminös daherkommen.

Gleiches lässt sich für die heftig schrammelnde Akustik-Gitarre desselben Songs erreichen. Mit etwas Tiefenabsenkung, kräftiger Anhebung bei 8 Kilohertz und ein wenig Dämpfung in den ganz hohen Höhen verleihe ich der Aufnahme eine angenehme Kernigkeit. Die passt gut zum Song und den vorher bearbeiteten Drums.  Dem Song wohnt eine gewisse „Vintagehaftigkeit mit modernem Anstrich“ inne.

Auch bei Vocals, Streichern und synthetischen Bass- und sägenden Moog-Sounds kann ich mit dem LiNTEC schöne Klangkomponenten hervorkitzeln. Im Test gelingt es mir nicht, ihm harsche oder unangenehme Töne zu entlocken – eine gelungene Aufnahme vorausgesetzt. Selbst bei voll aufgerissenen Boost-Reglern klingt es, wenn vielleicht auch übertrieben, doch immer noch irgendwie okay.

Zugegeben: der LiNTEC ist kein technischer Entzerrer, mit dem ultrapräzise und scharfbandig einzelne Problemstellen im Signal ausgemerzt werden können oder der der Neutralität verpflichtet ist. Dafür ist er auch nicht gedacht. Vielmehr handelt es sich um einen klingenden Equalizer, der dank sorgsam konstruierter Schaltung äußerst musikalisch in die Signale eingreift und den Gesamtklangcharakter angenehm zu beeinflussen vermag – wie sein berühmtes Vorbild auch. Übrigens: Auch wenn keine Anhebung oder Absenkung eingestellt ist, bekommen die ihn durchlaufenden Signale tatsächlich eine gewisse Portion Obertöne aufgeprägt, zumindest klingen die Signale danach anders als vorher.

Und wer sich angesichts dieses Analoggeräts um die Recall-Fähigkeit seiner Mixe sorgt: alle Potis sind gerastet, die Wiederherstellung der Einstellungen sollte folglich ebenso einfach wie präzise möglich sein – nur aufschreiben muss man sich die Einstellung noch.

Das Pultec-Prinzip

Dank separater Potis für simultane Anhebung und Absenkung im Bass-Band lassen sich mit dem LiNTEC Filterkurven erzeugen, die mit einem einzigen Gain-Regler nicht möglich wären und die für einen ­charaktervollen Bass-Klang sorgen.

Der EQP-1A weist zwei Besonderheiten auf. Erstens ist er in passiver Schaltung gebaut. Passive EQs klingen meistens sehr gut, haben aber schaltungsbedingt das Problem, dass das Signal stark im Pegel abfällt und entsprechend am Ausgang der Filter wieder angehoben werden muss, um sinnvoll weiter verarbeitet werden zu können. Hier kommen nun entweder Röhren, wie im Original EQP-1A oder Transistoren, wie hier nun im LiNTEC, zum Einsatz – die ihrerseits dem Signal ihre Klangfarben aufprägen. Die Röhren-Aufholverstärkung in einem passiven EQ war zur Zeit der Veröffentlichung des EQP-1(A) vollkommen neu und einzigartig.

Der Pultec-Low End Trick

Die zweite Besonderheit des EQP-1A verbirgt sich im ersten Frequenzband, denn hier stehen für das Anheben und Absenken zwei separate und simultan einsetzbare Potis zur Verfügung. Eine auf diese Art bearbeitete Bassdrum oder ein E-Bass wird meist als sehr angenehm, druckvoll und durchsetzungsfähig wahrgenommen. Dass sich beide Regler nicht gegenseitig aufheben, wie das zu erwarten wäre, liegt darin begründet, dass Boost und Attenuate nicht bei exakt derselben Frequenz eingreifen, sondern etwas auseinander liegen.

Fazit

Auch im Zeitalter von Plug-ins, die die  dominierende Art zur Klanggestaltung darstellen, hat ein Analoggerät wie der LiNTEC seine Daseinsberechtigung. Denn wer nach dem geschätzten „goldenen Analogklang“ sucht, den bringen echte analoge Klangwerkzeuge manchmal schneller zum Ziel – zumal zu einem so günstigen Preis. Ich persönlich vermisse die Röhre im LiNTEC überhaupt nicht, denn er klingt in Solid State-Bauweise fantastisch. Ob Rock-Schlagzeug, Akustik-Gitarren, Stimmen, Sprache oder synthetische Wumms-Bässe, dieser EQ kitzelt aus Signalen aller Couleur das Beste heraus und macht damit den Hardware-Boliden auf diesem Segment ordentlich Konkurrenz.

HerstellerLindell audio
Vertrieb https://audiowerk.eu
Typanaloger Equalizer
Maße19-Zoll, 2 HE, 25 cm tief
Gewicht3,5 kg
Preis [UVP]530 €
Anzahl Kanäle1
SchaltungSolid State
Gainmax. 40 dB
Eingänge1x 6,3mm Klinke servosym.
Ausgänge1x 6,3mm Klinke servosym.
EQ-Bänder3
LF-BandShelving-Charakteristik, Boost- und Cut-Frequenzen: 20, 30, 60, 100, 150 Hz (+/-10%)
HF-BandBell-Charakteristik, ­Boost-Frequenzen: 1; 1,5; 2; 3; 4; 5; 8; 10; 12; 14; 16 kHz (+/-10 %); ­Bandbreite: 0 – 10;
HF-Cut BandShelving-Charakteristik, ­Cut-Frequenzen: 4; 8; 12; 16; 20 kHz (+/-10 %)
AnzeigeVU-Meter
Weitere BedienelementeBypass-Schalter,­­Netzschalter
LieferumfangNetzkabel
BesonderheitenGerastete Potis, einstellbare Ausgangspegel für ­Stereobetrieb zweier Geräte, VU-Meter-Kalibrierung

KategorieOberklasse
Ausstattungsehr gut
Bedienungsehr gut
Verarbeitungüberragend
Klangsehr gut – überragend
Gesamtnotesehr gut – überragend