Mit dem HD 490 PRO Plus bringt Sennheiser einen offenen Kopfhörer in den Handel, der Mixing- und Mastering-Engineers dank seiner Mischung aus Transparenz, Komfort und Zuverlässigkeit die volle Kontrolle über alle Feinheiten und Details eines Mixes ermöglichen soll. Ich habe mir den schicken Kopfhörer genauer angehört.
von Stefan Hofmann
Während ich den Sennheiser HD 490 PRO in der Plus-Variante auspackte, musste ich an eine kleine Anekdote denken, die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Vor einigen Jahren durfte ich das Sennheiser Headquarter in Wedemark bei Hannover besuchen und die heiligen Hallen im Zuge einer ausgedehnten Führung besichtigen. An diesem Tag gewährten mir besonders die verschiedenen Gebäude auf dem Firmengelände einen Einblick in die spannende Geschichte des Herstellers. So finden die technisch ausgereiften und beeindruckenden Entwicklungs- und Produktionsstätten in mehreren Gebäuden ihren Platz, die nach und nach auf dem großen Firmengelände errichtet wurden. Sie spiegeln zum einen das stetige Wachstum des Herstellers im Laufe der Jahrzehnte wider, bringen aber auch, jedes für sich, ein ganz besonderes Flair vergangener Zeiten mit.
Bereits 1968 präsentierte Sennheiser mit dem HD 414 den weltweit ersten offenen Kopfhörer. Das ist mittlerweile 56 Jahre her und zeigt, wie lange sich der Hersteller bereits mit der Entwicklung neuer Technologien im Kopfhörersegment beschäftigt. Vor einigen Jahren wurde mit der neuesten Variante des Orpheus-Systems ein elektrostatischer Kopfhörer samt Röhrenverstärker in den Handel gebracht, der weltweit für staunende Ohren sorgte und mit rund 50.000 Euro als teuerster Kopfhörer der Welt in unzähligen Artikeln, Videos und Social-Media-Posts Erwähnung fand. Bei diesem akustischen Gesamtkunstwerk, das eine jahrelange Entwicklungszeit in Anspruch nahm und einen edlen Materialmix mit dem Know-How jahrzehntelanger Forschung vereint, wurde einmal mehr deutlich, dass es für den Hersteller aus Wedemark keine Grenzen gibt, wenn es um den bestmöglichen Klang eines Kopfhörers geht. Natürlich bleibt dieser Kopfhörer für die meisten von uns ein unerreichbarer Gear-Traum. Der Vorteil eines solch prestigeträchtigen Projekts ist jedoch, dass das erarbeitete Know-How auch in bezahlbareren Gefilden seine Anwendung findet. Auf unserer Suche nach einem Kopfhörer, der uns beim Mixing und Mastering unterstützt, können wir also getrost unser Auto behalten und müssen auch keinen Kredit aufnehmen. Eines dieser Modelle, die preislich, optisch und auf dem Papier viel versprechen, ist der Sennheiser HD 490 PRO, den ich mir im Zuge dieses Artikels genauer angehört habe.
Lieferumfang und erster Eindruck
Der Sennheiser HD 490 PRO ist in zwei Ausführungen erhältlich, die sich ausschließlich im Lieferumfang unterscheiden und ansonsten identisch sind. Für diesen Test konnten wir auf die besser ausgestattete Plus-Variante zurückgreifen. Nach dem Öffnen des Kartons gibt es hier ein hochwertiges Premium Transportcase zu entdecken, das neben dem Kopfhörer auch ein zusätzliches Kabel mit drei Meter Länge sowie ein weiteres Kopfbügelpolster mitbringt. In der Basisausstattung sind übrigens auch zwei Ohrpolster enthalten, die bei 30 Grad gewaschen werden können. Eines ist aus weichem Velours, während das andere mit einem etwas raueren Textilstoff überzogen wurde. Sennheiser möchte so zwei unterschiedliche Klangsignaturen an den Mann bringen. So sollen die Textilpolster eine analytischere Beurteilung erlauben als ihre bequemen Veloursgeschwister. Die Ohrpolster lassen sich ganz einfach wechseln und punkten, wie alle weiteren Bauteile des Kopfhörers, mit einer hervorragenden Verarbeitungsqualität. Die mitgelieferten Kabel sind mit einem Mini-XLR-Anschluss für den Kopfhörer und einer Mini-Klinke (3,5 mm) am anderen Ende ausgestattet. Für jedes Kabel liegt zudem ein vergoldeter Adapter auf große Klinke (6,3 mm) bei. Besonders gefallen hat mir die einseitige Kabelführung, die entweder über den rechten oder den linken Hörer realisiert werden kann. Zudem können Käufer auf eine kostenlose Lizenz der Mixing-Environment-Software dearVR MIX-SE zurückgreifen – doch dazu später mehr.
Auch das robuste Auftreten des Kopfhörers und sein modernes und gleichzeitig zeitloses Design fallen positiv ins Gewicht. Der silberne Kopfbügel aus Federstahl ist flexibel und bringt eine gerastete Höhenverstellung mit. Die schwarzen Metallgitter auf den Außenseiten der drehbaren Hörmuscheln lassen einen Blick auf die Wandler zu, was besonders technisch interessierte Anwender begeistern dürfte. Auch die verbauten Kunststoffelemente zeigen sich wertig und hervorragend verarbeitet.
Bauweise des HD 490 PRO
Der Sennheiser HD 490 PRO kommt als offener Over-Ear-Kopfhörer daher und ist mit 38 mm großen dynamischen Wandlern ausgestattet, die von einem Neodym-Magneten angetrieben werden und einen Frequenzbereich von 5 Hz bis 36,1 kHz abdecken. Die Impedanz ist mit 130 Ohm angegeben. An meinem Laptop und Smartphone überzeugte der Sennheiser im Test mit einer üppigen Lautstärke.
Der Tragekomfort
Ein besonders wichtiger Aspekt bei Mixing- und Mastering-Anwendungen ist ein hoher Tragekomfort. So kann die Arbeit an einem Song durchaus mehrere Stunden in Anspruch nehmen und mit einem unbequemen Kopfhörer verfliegt der Spaß am Klangbasteln so schnell wie er gekommen ist. Auch nach längerem Hören empfand ich den Tragekomfort des Sennheiser HD 490 PRO als über alle Zweifel erhaben. Die Ohrmuscheln bieten genug Platz, auch für meine etwas zu groß geratenen Lauscher. Beide Ohrpolster-Varianten sind ziemlich bequem und die schwenkbare Aufhängung, der flexible und gepolsterte Kopfbügel sowie die gerastete Höhenverstellung arbeiten kongenial zusammen und sorgen für einen nahezu perfekten Sitz. Die offene Bauweise bringt eine gute Belüftung mit und wirkt so „heißen Ohren“ effizient entgegen. Auch der Anpressdruck ist meiner Meinung nach sehr gut gewählt – nicht zu stark und nicht zu sanft. Dank eines Gewichts von 260 gramm hinterlässt der Sennheiser auch nach längeren Hörsessions einen entspannten Nacken.
dearVR MIX-SE – Ein Überblick
Die im Lieferumfang enthaltene Mixing-Environment-Software dearVR MIX-SE ist als AU-, AAX- und VST3-Variante verfügbar und findet im Masterbus der jeweiligen DAW seinen Platz. Das Plug-in simuliert unterschiedliche Abhörsituationen und bringt verschiedene Anpassungsmöglichkeiten mit. Zudem lassen sich unter anderem Klangpro-file einiger HD-Modelle von Sennheiser sowie von zwei Neumann-Kopfhörern auswählen. Ich habe das Plug-in kurz angecheckt und sehe es zwar als nette Spielerei, jedoch wird es in meinen Mixing- und Mastering-Sessions keinen Einsatz finden. Ich möchte während des Mixingprozesses auf Speaker und Headphones zurückgreifen, deren Klang ich auch einschätzen kann. Die vielen verfügbaren Profile beispielsweise ändern zwar das Klangbild, jedoch teils auf eine Art, die für mich nicht nachvollziehbar ist und eine Beurteilung des Mixes im Test eher erschwerte. Zudem bin ich vom Klangbild des Sennheiser HD 490 PRO selbst so begeistert, dass ich das Plug-in lieber auf Bypass belasse. Trotzdem kann dieses digitale Helferlein für den ein oder anderen Nutzer durchaus interessant sein.
Praxiseinsatz und Klang
Für meinem Praxistest ernannte ich den Sennheiser HD 490 PRO für eine Woche zu meinem treuen Begleiter im Studio bei mehreren Mixing-Sessions sowie beim abendlichen Musikhören mit einem warmen Gläschen Milch. Betrieben wurde der Kopfhörer über das Antelope Audio ZEN GO Synergy Core, den Kopfhöreranschluss meines Mac Books und an meinem iPhone SE der dritten Generation. Um ein Gefühl für die Kopfhörer zu bekommen, hörte ich zuerst in meine Referenz-Playlist mit Songs diverser Genres hinein, um anschließend ein paar Mixing-Sessions zu bearbeiten.
Eines vorweg: Aufgrund seiner offenen Bauweise ist der Kopfhörer wenig isoliert zur Außenwelt, weswegen eine Nutzung unterwegs, beispielsweise im Ruhebereich eines Zuges oder in lauten Umgebungen, eher weniger zu empfehlen ist. Im Hotelzimmer, eigenen Auto und einsamen Ecken lassen sich die Headphones jedoch sehr gut auch unterwegs betreiben. Für Recording-Sessions auf dem Kopf des Einsingenden ist er naturgemäß ebenfalls weniger geeignet. Hier ist nach wie vor ein geschlossener Kopfhörer die bessere Wahl. Das Revier des HD 490 Pro erstreckt sich in erster Linie auf Homestudios, Regieräume professioneller Studios für Producing-, Mixing- und Masteringanwendungen oder eben das Sofa für den Musikgenuss zu Hause.
Für diesen Testbericht nutzte ich meist die Ohrpolster aus Velours, da ich diese einen Ticken bequemer empfand als die textilummantelten Varianten. Letztere sorgen meiner Meinung nach tatsächlich für einen etwas analytischeren Klang, jedoch geht auch etwas Wärme verloren. Da solch eine Beurteilung doch recht subjektiv ist, sollten sich Käufer hier selbst einen eigenen Eindruck verschaffen, welche Ohrpolster für den jeweiligen Anwendungsbereich besser funktionieren, oder ob sogar nur eines der Paare ausreicht, um die eigenen Hörgewohnheiten zu befriedigen. Ich finde es jedenfalls ohne Wenn und Aber begrüßenswert, dass solch eine „analoge“ Anpassung des Klangbildes seitens Sennheiser möglich gemacht wird. Kommen wir nun zum Klang des Sennheiser HD 490 PRO.
Beim Hören der Mixingsession meines neuen Songs bekam ich das erste Mal einen Eindruck vom ehrlichen Klang des Sennheisers. „Hier muss ich nochmal ein bisschen rumschrauben“, dachte ich mir öfter als es mir lieb war. Doch Spaß beiseite. Das neutrale, präzise und ehrliche Klangbild macht die Headphones zu einem verlässlichen Begleiter in jedem Studio.
Der Bassbereich wird definiert, präzise und druckvoll wiedergegeben und reicht zudem ziemlich weit nach unten. Home-studiobetreiber mit kleinen Near-Fields bekommen mit dem HD 490 PRO ein mächtiges Werkzeug an die Hand, um auch den Bassbereich ihrer Produktionen beurteilen zu können. Aber auch Betreiber professionellerer Studios dürften den Kopfhörer als weiteres verlässliches Referenzsystem zur Prüfung ihrer Mischungen und/oder Masterings schätzen lernen. Die Mitten zeigen sich transparent, präsent – ohne dabei aufdringlich zu wirken – und auch die Höhen überzeugen durch eine luftige, klare und unaufgeregte Wiedergabe.
Besonders gefallen hat mir der natürliche Raumeindruck und die detaillierte Tiefenstaffelung. Die präzise Ortung der Instrumente im Raum ist eines der vielen Highlights des Kopfhörers. Auch meinen Lieblingssong „How To Disappear Completely“ von Radiohead konnte ich über diese Kopfhörer beim abendlichen Musikhören mit dem hochauflösenden Sennheiser genießen und bin immer noch beeindruckt vom Detailreichtum, der Räumlichkeit und der Dynamik, die mir der Kopfhörer auf die Ohren brachte.
Fazit
Egal ob Producing, Mixing oder Mastering – der Sennheiser HD 490 PRO Plus ist der perfekte Begleiter fürs Studio. Tragekomfort und Verarbeitungsqualität sind hervorragend und auch die klanglichen Eigenschaften lassen wenig Raum für Kritik. Druckvoll, detailreich, transparent, natürlich – das Klangbild dieses Kopfhörers hat mich mehr als überzeugt. Doch nicht nur der Kopfhörer an sich, auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hervorragend. Der HD 490 PRO Pluszählt jedenfalls mit zu den besten Kopfhörern für die Musikproduktion, die ich bis jetzt hören durfte.
HD 490 PRO Plus
Hersteller | Sennheiser |
Vertrieb | https://sennheiser.com |
Typ | Dynamischer Kopfhörer |
Gewicht | 260 g |
Farbe | Schwarz |
Preis [UVP] | HD 490 PRO: 399 €; HD 490 PRO Plus: 479 € |
Technische Daten
Bauweise | offen, ohrumschließend |
Treiber | dynamisch (38 mm) |
Frequenzbereich | 5 Hz – 36,1 kHz |
Impedanz | 130 Ohm |
Max. Schalldruckpegel | 128 dB SPL |
Lieferumfang | Zwei Ohrpolster-Sets (für Mixing und Producing), 1,8-Meter-Kopfhörerkabel, dearVR MIX-SE Lizenz, 3-Meter-Kopfhörerkabel (Plus-Version), Transporttasche (Plus-Version), zusätzliches Kopfbügelpolster aus Stoff (Plus-Version) |
Besonderheiten | Kabelführung beidseitig möglich, wechsel- und waschbare Ohrpolster |
Bewertung
Kategorie | Oberklasse |
Ausstattung | sehr gut |
Tragekomfort | überragend |
Verarbeitung | überragend |
Klang | sehr gut – überrragend |
Gesamtnote | sehr gut – überragend |