
Der chinesische Hersteller sE Electronics stellt seinen Multipattern-Mikrofonen sE4400 und sET2 zwei kleinere Schwestermodelle zur Seite, die nur eine Membran besitzen und somit lediglich Nierencharakteristik offerieren. Wir haben die etwas günstigeren Modelle sE4100 und sET1 einmal unter die Lupe genommen.
von Igl Schönwitz
Die Zeiten, in denen chinesische Mikrofone per se mit gehypten, zischeligen Höhen und eher mäßiger Detailauflösung assoziiert wurden, sind gottseidank vorbei. Gerade der Mikrofonhersteller sE Electronics betreibt seit vielen Jahren eine konsequente Weiterentwicklung seiner Produktlinie und setzt sich wohltuend von den bekannten fernöstlichen Kopien berühmter Klassiker ab. Die beiden Großmembran-Kondensatormikrofone sE4400 und sET2 schlagen jeweils mit etwas über 500 Euro zu Buche, was für ein chinesisches Mikrofon zwar sicherlich nicht die niedrigste Preiskategorie, in Anbetracht der vierfach umschaltbaren Richtcharakteristik jedoch durchaus ein faires Angebot ist, zumal beide Probanden klanglich kaum einen Vergleich mit der Konkurrenz scheuen müssen.
Mit den zum Test angetretenen Modellen T1 und 4100 legt sE jetzt nach und bietet beide Mikrofone in einer Variante mit reiner Nierencharakteristik an. Der Verzicht auf die zweite Kapselmembran trägt zur Kostenersparnis bei, ohne Kompromisse bei der Klangqualität in Kauf nehmen zu müssen. Ganz im Gegenteil: Durch die abgespeckte Elektronik konnte der Ersatzgeräuschpegel von 13 auf hervorragende 9 dB(A) gesenkt werden, was die Modelle T1 und 4100 mit zu den rauschärmsten Mikrofonen ihrer Gattung macht. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Anwendungen Live und im Studio ohnehin mit reiner Nierencharakteristik auskommen, sind die beiden neuen Mikrofone also eine willkommene Bereicherung des Produktportfolios.

Edelmetallkunde
Die beiden Testprobanden gleichen sich optisch wie ein Ei dem anderen – abgesehen von der Farbe: Während das sE4100 in elegantem Schwarz daherkommt, ist das T1 in edlem Champagner-silber gehalten, was gleichzeitig auf den einzigen technischen Unterschied zwischen den beiden Mikrofonen hinweist: Die Kapsel des 4100 basiert wie die der meisten anderen Grossmembran-Kondensatormikrofone auf einer goldbedampften Mylar-Membran. Das T1 dagegen wird vollmundig als Titanmembran-Mikrofon angepriesen, was allerdings nur zum Teil stimmt: Anders wie beispielsweise beim mehr als zehnmal teureren Neumann M150 besteht die Kapsel nicht vollständig aus Titan sondern ebenfalls aus einer Mylarfolie, die mit ebenjenem Edelmetall bedampft ist.
Dennoch soll sich das T1 im Vergleich zum ansonsten baugleichen 4100 durch flottere Transienten und offenere Höhenwiedergabe auszeichnen. Ob die Rechnung aufgeht, wird unser Test klären.

Äußerlichkeiten, Lieferumfang und Preise
Mit Ihrer viereckigen Form erinnern die beiden sE Mikrofone sicher nicht von ungefähr an das klassische AKG C414. Allerdings sind die Seitenflanken von oben nach unten leicht abgerundet, was den Schallwandlern ein ebenso elegantes wie eigenständiges Erscheinungsbild verleiht. An der Vorderseite befinden sich jeweils zwei dreistufige Schalter für Trittschallfilter und Pad-Absenkung.
Die Verarbeitung der Testprobanden ist über jeden Zweifel erhaben: Mit makelloser Lackierung, robust und sauber gefertigten Mikrofonkörben und perfekten Spaltmaßen müssen sich die sE Schallwandler auch vor deutlich teurerer Konkurrenz aus Europa und USA nicht verstecken. Einziger Kritikpunkt ist eine hochfrequente Gehäuseresonanz, die entsteht, wenn man gegen den Mikrofonkörper klopft oder einen der Kippschalter betätigt. Die Befürchtung, diese Resonanz könne sich auch im Klangbild niederschlagen erweist sich indes als unbegründet: Die mitgelieferte elastische Halterung bedämpft das Gehäuse, so dass das Störgeräusch nicht mehr auftritt. Ob diese Funktionalität bei der Konstruktion der Spinne beabsichtigt war, darf getrost bezweifelt werden – dennoch funktioniert das Gesamtpaket, und das ist alles, was den Praktiker letztendlich interessiert.
Gleichzeitig lohnt sich ein noch genauerer Blick auf die elastische Halterung, denn diese gehört definitiv zu den durchdachteren Vertretern ihrer Gattung: Das Mikrofon wird am unteren Ende in eine Führung gesteckt und mittels einer Klemmschraube sicher fixiert. Die Halterung besteht aus einer Art Gabel links und rechts des Schallwandlers, die mit sage und schreibe vier Gummibändern in Position gehalten wird. Die Verbindung zum Stativ ist als Gelenk ausgeführt, die entsprechende Verschraubung hält die ganze Konstruktion sicher in Position.
Die Spinne ist hervorragend verarbeitet und erlaubt eine Aufstellung in jedem Winkel, ohne das irgendetwas klappert oder das Mikrofon an der Konstruktion anschlägt. Gleichzeitig gewährleistet die nach vorne offene Struktur, dass der Schallwandler problemlos auch dicht vor einem Gitarrenspeaker angebracht werden kann – sehr gut! Nichts ist ärgerlicher als ein Mikrofon, das sich nicht sauber positionieren lässt oder nicht zuverlässig in der gewählten Stellung bleibt. Insofern ist solch eine hochwertige und durchdachte Halterung beileibe kein Luxus, sondern ein Ausdruck hoher Professionalität und Praxistauglichkeit. Eingedenk der Tatsache, dass mancher deutsche Edelhersteller für eine elastische Halterung allein mehr Geld verlangt als sE für diese Komplettpakete, dann… – ach, lassen wir das.
Das Stichwort „Spinne“ bringt uns flugs zum Lieferumfang: Die Mikrofone kommen in wertigen Transportkoffern mit Alukanten und Eckenschonern. Im Inneren sorgen Schaumstoffeinlagen mit exakten Ausfräsungen dafür, dass der empfindliche Inhalt bestmöglich geschützt ist – das lässt sich nur als vorbildlich bezeichnen. Wie bereits erwähnt kommen die Mikrofone inklusive besagter Spinne, für die erfreulicherweise sogar ein Satz Ersatzgummis beiliegt. Beide sE Schallwandler sind darüber hinaus als gematchte Stereopaare erhältlich. Die entsprechend größeren Koffer enthalten in diesem Falle beide Mikrofone samt den dazugehörigen elastischen Halterungen sowie eine praktische Stereoschiene.
Kommen wir schließlich zu den Preisen: sE4100 und T1 gehen jeweils für knapp 400 Euro über den Ladentisch, für die entsprechenden Stereosets sind 800 Euro einzuplanen.

Technische Daten und Schaltmöglichkeiten
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei unseren Testprobanden um Großmembran-Kondensatormikrofone in fester Nierencharakteristik. Bis auf das unterschiedliche Membranmaterial sind beide Mikrofone identisch aufgebaut. Die technischen Daten sind dementsprechend weitgehend gleich. Mit einer Empfindlichkeit von 25 mV/Pa gehören die sE Schallwandler eher zu den lauteren Mikrofonen, was die Ansprüche an die Rauschfreiheit des Preamps erfreulich reduziert. In Verbindung mit dem sehr niedrigen Ersatzgeräuschpegel von nur 9 dB(A) sind die beiden Mikrofone also durchaus auch für leise Quellen wie klassische Gitarren gut geeignet.
Während die großen Schwestermodelle 4400 und T2 stolz mit vier frontseitigen Kippschaltern auf sich aufmerksam machen, ist diese Ausstattung bei unseren Testgeräten auf lediglich zwei Schaltmöglichkeiten geschrumpft. Links lässt sich der Ausgangspegel um wahlweise 10 oder 20 dB reduzieren, was auch die interne Elektronik vor Übersteuerungen schützt. Bei aktiviertem -20 dB Pad liegt der Grenzschalldruckpegel für 0,5 % Klirrfaktor bei beeindruckenden 157 dB SPL. Die beiden sE Mikrofone lassen sich demnach auch von sehr lauten Schallquellen nicht aus der Ruhe bringen.
Der rechte Kippschalter ist für eine zweistufige Bassabsenkung zuständig, die bei einer Flankensteilheit von 6 dB/Okt. wahlweise bei 80 oder 160 Hz greift.

Klanglich gute Gene
Der Hersteller preist seine beiden Kompaktmikrofone als universell einsetzbar an, und so haben wir sie an unterschiedlichsten Quellen wie Schlagzeug, akustischen und elektrischen Gitarren sowie Vocals getestet. Der Grundcharakter war bei beiden Mikrofonen sehr ähnlich: Sie klingen durchaus fein aufgelöst und offen, der etwas „künstliche“ Charakter früherer chinesischer Mikrofone ist ihnen erfreulicherweise völlig fremd.
Zunächst nahmen wir eine Westerngitarre in Klein-AB-Anordnung mit einem Abstand von circa 50 Zentimetern auf. Beide Mikrofone bildeten das Instrument vollumfänglich ab, die Transienten wurden sehr schön wiedergegeben. Das T1 hatte minimal mehr silbrigen Glanz in den Höhen, was es im Mix ein wenig durchsetzungsfähiger macht. Das 4100 klang dagegen etwas wärmer und schmeichelnder. Letztendlich kommt es auf den Einsatzzweck an, welches Mikrofon hier die Nase vorn hat – und natürlich hat das auch ein wenig mit persönlichem Geschmack zu tun.
Am Schlagzeug war das Ergebnis recht ähnlich: In Overhead-Position hatte das T1 minimal mehr Glanz, während das 4100 die Toms einen Hauch körperhafter abbildete. Beide Mikrofone klangen luftig und räumlich, wobei das zum Vergleich herangezogene Neumann KM 184 die einzelnen Positionen im Stereobild noch deutlicher darstellte. Das liegt aber in der Natur der Sache, denn als Kleinmembran-Mikrofon hat es in dieser Disziplin prinzipbedingte Vorzüge.
Auch bei Vocals machten beide Mikrofone eine gute Figur, die Signale waren hochaufgelöst und ließen sich gut nachbearbeiten und im Mix integrieren. Das T1 tönte einmal mehr etwas frischer, während das 4100 runder klang und dadurch weniger Probleme mit S-Lauten hatte.
Vor dem Gitarren-Lautsprecher waren beide sE Mikrofone grundsätzlich unauffällig, wenngleich sie mir für diesen Einsatzzweck nicht ganz so gut gefallen haben. Mein Favorit in dieser Disziplin, das Amethyst Standard von Violet Design, klingt hier im Vergleich körperhafter und ausgewogener. Allerdings muss man fairerweise zugeben, dass dieses Mikrofon etwa doppelt so teuer gewesen ist wie unsere Testprobanden.
Insgesamt sind sowohl das sE4100 als auch das sET1 universell einsetzbare Studio-Arbeitspferde. Die Unterschiede sind kleiner als man vermuten könnte – letztlich bleibt die Kaufentscheidung für das eine oder andere Modell Geschmackssache. Die gute Nachricht: Aufgrund des günstigen Preises wäre der Kauf beider Modelle durchaus möglich und man wäre für alle Eventualitäten gerüstet. Falsch läge man damit auf keinen Fall.

Fazit
Die beiden Großmembran-Mikrofone sE4100 und sET1 überzeugen mit guter Verarbeitung, praxisgerechter Ausstattung und einem im besten Sinne unauffälligen Klang. Mit niedrigem Grundrauschen und hohem Grenzschalldruckpegel sind sie universell einsetzbar und empfehlen sich nicht nur aufgrund des günstigen Preises für eine Vielzahl von Studio-Anwendungen. Klanglich unterscheiden sie sich nur in kleineren Details, was die Entscheidung letztlich zur Geschmacksache macht.
sE4100, sET1
Hersteller | sE Electronics |
Vertrieb | https://megaaudio.de |
Typ | Großmembran-Kondensatormikrofone |
Farbe | sE4100: Schwarz, sET1: Champagner-silber |
Maße | 58 x 29 x 146 mm (B x T x H) |
Gewicht | |
Preis [UVP] | 399 € (Einzelmikrofone), 799 € (Stereosets) |
Technische Daten
Typ | Großmembran- Kondensatormikrofon |
Richtcharakteristik | |
Membran | sE4100: goldbedampfte |
Ersatzgeräuschpegel | 9 dB(A) |
Grenzschalldruckpegel | |
Schalter | 2 (Pad, Lo Cut) |
Pad | 0; -10 dB; -20 dB |
Linear | Linear; 80 Hz; 160 Hz (6 dB/Okt.) |
Lieferumfang | Elastische Halterung, Ersatzgummis, Reduzierge-winde, Manual, Transportkoffer, Stereoschiene (nur bei Stereoset |
Besonderheiten | Titanbedampfte Membran im Modell sET1 |
Bewertung
Kategorie | Mittelklasse |
Ausstattung | sehr gut |
Verarbeitung | gut |
Bedienung | sehr gut |
Klang | sehr gut |
Gesamtnote | sehr gut |